Am Jenseits. Karl May

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Am Jenseits - Karl May

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Jugend gesehen haben. Ich liebe meinen Halef und auch Kara Ben Halef, meinen Sohn; ich bin glücklich in dieser meiner und in ihrer Liebe; aber neben diesem Glücke wohnt das Verlangen, die Matarih el Watan (Stätten der Heimat) einmal wiedersehen zu dürfen. Ich bitte dich, Halef nichts davon zu sagen, denn es würde ihn betrüben, zu erfahren, daß ich Sehnsucht leide! Für diese Verschwiegenheit sollst du die Erfüllung deines Wunsches haben. Er darf dich begleiten, und ich reite mit.«

      »Und Kara Ben Halef, euer Sohn?« fragte ich.

      »Ihn hier zu lassen, würde mir unmöglich sein; er geht auch mit. Ja, ich glaube, daß du noch größere Begleitung bekommst. Du weißt zwar, daß unsere Haddedihn den Propheten längst nicht mehr so verehren wie zu der Zeit, als sie dich noch nicht kannten, aber Mekka selbst ist vielen von ihnen doch noch eine wichtige Stadt, und wenn sie erfahren, daß wir hinwollen, wird mancher von ihnen sich bereit erklären, mitzureiten. Wirst du etwas dagegen haben?«

      »Nein. Ich kann als Christ im Gegenteile nur wünschen, möglichst viele Freunde bei mir zu haben, die im Augenblicke der Gefahr an meiner Seite stehen.«

      »So sind wir also einig, und ich werde jetzt gleich Halef suchen, um ihm zu sagen, daß er seine Vorbereitungen beginnen könne.«

      Das war ihre mir wohlbekannte Energie. Wenn sie einmal einen Entschluß gefaßt hatte, so pflegte sie mit der Ausführung desselben nicht auf sich warten zu lassen. Wie glücklich sie den Hadschi mit ihrer so unerwartet schnellen Einwilligung machte, das wußte ich nicht nur, sondern ich bekam es auch schon nach kurzer Zeit zu hören, als er freudestrahlend mich aufsuchte und mir sagte:

      »Effendi, sie hat ja gesagt, sie, die liebenswürdigste unter allen irdischen Liebenswürdigkeiten! Wir gehen nach Mekka, ja wir gehen wirklich hin. Ich habe es soeben öffentlich verkündigen müssen. Da werden wir wieder einmal große Taten der Tapferkeit verrichten und Werke der Kühnheit vollbringen, die unsern Ruhm in alle Länder tragen. Unsere Kindeskinder werden uns ehren und unsern Enkel und Urenkelnachkommen unser Lob verkünden vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne! Habe ich nicht ein herrliches Weib, Sihdi?«

      »Ja«, nickte ich; »deine Hanneh ist ganz gewiß die herrlichste aller Frauen!«

      »Ganz gewiß! Richtig! Aber deiner Emmeh auch! Und damit es zu keinem Streite und Zusammenstoße zwischen ihnen komme, wollen wir vorsichtig sein und folgendermaßen beschließen: Meine Hanneh ist die herrlichste Frau des Morgen und deine Emmeh ist die herrlichste Frau des Abendlandes. Bist du damit zufrieden?«

      »Ja.«

      »Du kannst da aber auch wirklich ganz zufrieden sein, denn wenn du dadurch von mir ohne alle Widerrede die herrlichste Frau des Abendlandes bekommen hast, darf keine andre dort von nun an wagen, sich mit ihr zu vergleichen. Sage ihr das, wenn du in dein Duar (Zeltdorf) heimkehrst, damit sie erkenne, was für ein Freund ich von dir bin und also auch von ihr! Allah erhalte sie jung, ergebe ihr schwarzgefärbte Augenwimpern, seidene Bänder in die Zöpfe und die schönsten, roten Fingernägel!«

      Es meldeten sich auch wirklich so viele Haddedihn, daß sie gar nicht alle mitgenommen werden konnten, sondern eine Auswahl getroffen werden mußte. Der Ritt durch die großen arabischen Wüsten wäre des Wassers wegen um so schwieriger gewesen, je mehr Personen sich an demselben beteiligten. Und bei einer so großen Schar, wie sich gemeldet hatte, hätten wir an einen längeren Aufenthalt in Mekka gar nicht denken können. Darum wurde bestimmt, daß für jetzt nur fünfzig Krieger teilnehmen durften; den andern wurde es freigestellt, dann wieder eine Auswahl unter sich zu treffen und die durch sie bestimmten dann nachfolgen zu lassen. Es war nämlich jetzt noch nicht die Zeit der eigentlichen Hadsch, des großen Pilgerzuges. Da bei diesem die Scharen der Mohammedaner zu vielen, vielen Tausenden aus allen Himmelsrichtungen in Mekka zusammenströmen, so war zu dieser Zeit die Gefahr des Erkanntwerdens am größten. Darum wollten wir jetzt schon hin, wo der Andrang nicht so groß war und ich meine Studien mit mehr Muße machen konnte., Waren wir dann bei der Ankunft der großen Hadsch noch dort und ich fand Grund, mich schnell in Sicherheit zu bringen, so konnte ich das in dem befriedigenden Bewußtsein tun, meinen Zweck trotzdem und schon vorher erreicht zu haben. Es zwang uns ja nichts, zur eigentlichen Pilgerzeit in der Stadt der Kaaba einzutreffen, weil der Moslem auch außerhalb derselben, während des ganzen Jahres, seinen religiösen Obliegenheiten dort nachkommen und die ihm nach seiner Ansicht dafür gebotenen geistlichen Vorteile sich aneignen kann. Über die von der mohammedanischen Priesterschaft verbreitete Annahme, daß eine Minute Aufenthalt in Mekka während der Hadsch wertvoller sei und mehr Segen bringe als ein ganzer Tag zu gewöhnlicher Zeit, waren, von mir gar nicht zu sprechen, Halef und seine Haddedihn schon längst hinaus. Sie schenkten dieser Versicherung keinen Glauben.

      Einige der Männer, weiche uns begleiteten, wollten ihre Frauen mitnehmen, wozu wir aber unsere Einwilligung nicht gaben, weil uns schon die Rücksicht auf Hanneh allein genug hinderte, so zu reisen, wie wir es ohne sie hätten tun können. Bemerken will ich, daß auch Omar Ben Sadek, den die meisten meiner Leser schon kennen gelernt haben, mit bei den Auserwählten war.

      Als Maßregel zu meiner Sicherheit wurde beschlossen, daß ich während dieser Reise nicht Kara Ben Nemsi genannt werden sollte. Dieser Name war so bekannt, daß er mir jetzt nur Verlegenheiten, wenn nicht noch mehr, bereiten konnte. Halef machte da in seiner eigenartigen Weise die Bemerkung:

      »Da siehst du, Sihdi, wie sehr wir beide den großen berühmten Beherrschern der Erde gleichen: Wir müssen den Abglanz unserer Herrlichkeit hinter einem fremden Namen verstecken. Zwar ist das dieses Mal nicht auch bei mir, sondern nur bei dir der Fall, aber wie du dich in meinen Strahlen sonnen darfst, so muß auch mich der wohltätige Schatten deines Madschhul (Inkognito) treffen. Wie aber sollen wir dich nennen? Hast du vielleicht schon über einen andern Namen nachgedacht?«

      »Nein. Es handelt sich auch nicht nur um den Namen.«

      »Ja, richtig. Wir müssen auch wissen, wie wir zu antworten haben,wenn wir gefragt werden, was du bist.«

      »Am einfachsten wäre es, mich für einen Haddedihn auszugeben.«

      »Nein, das geht nicht, Sihdi, denn da würde deine Herrlichkeit so vollständig verschwinden, daß sie später vielleicht gar nicht wiederzufinden wäre. Auch will ich stolz darauf sein können, daß du bei uns bist, darum müssen wir dir einen Namen und eine Würde erteilen, welche unbedingt zur Achtung fordern. Am besten ist es, wir geben dich für einen großen Gelehrten aus. Ist dir das recht?«

      »Ja.«

      »Woher bist du?«

      »Aus irgendeinem mohammedanischen Lande, aber ja nicht aus einer Stadt, weil jeder, der von dort nach Mekka kommt, diesen Gelehrten kennen müßte.«

      »Erlaubst du, im fernen Moghreb (westliche Sahara), welcher meine Heimat ist, geboren worden zu sein?«

      »Ja.«

      »Du hast dort im Wadi Draha das erste Licht der Welt erblickt?«

      »Sehr gern!«

      »Und von welcher Art ist deine Gelehrsamkeit?«

      »Das überlasse ich dir, lieber Halef.«

      »Gut! Weil du so bescheiden bist, werde ich dich sehr hoch erheben. Du beschäftigst dich nämlich gar nicht mit einer einzigen Art der Wissenschaft, sondern deine unendliche Weisheit ist in die Höhen und in die Tiefen aller Ulum (Wissenschaften) eingedrungen. Oder ist dir das noch zu wenig?«

      »Es genügt einstweilen.«

      »Schön. Ein solcher Mann muß sehr berühmte Ahnen und also einen langen Namen haben. Ich werde dir ihn jetzt diktieren. Schreib ihn sogleich auf, damit wir ihn festhaben und ihn auswendig

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