Am Jenseits. Karl May
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»Hadschi Akil Schatir el Megarrib Ben Hadschl Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim Maschhur el Azami. Ich hoffe, daß dieser schöne Name deinen Beifall, hat!«
In deutscher Sprache würde die Riesenschlange heißen: Hadschi Vernünftig Klug, der Erfahrene, Sohn des Hadschi Weise, Tapfer, der Reiche, Sohn des Hadschi Unsterblich, Berühmt, der Herrliche. Das war doch wohl mehr als genug? Dennoch hatte er noch ein übriges getan und mir und meinen mir bisher völlig unbekannten Vorfahren den Ehrentitel Hadschi verliehen. Mehr konnte ich doch unmöglich verlangen! Trotzdem antwortete ich, natürlich nur in der Absicht, ihn zu necken:
»Du scheinst zu glauben, mich mit ihm sehr zufrieden gestellt zu haben, irrst dich aber, er könnte länger und besser sein!«
»Länger – — – besser – — – ?!«
Sein Mund blieb vor Verwunderung offen. Er sah mich eine Weile mit großen Augen an und brach dann zornig los:
»Wie – — wie könnte er sein? Länger könnte er sein, und besser könnte er sein? Soll ich ihn etwa von hier bis hinauf zum Monde und dann wieder herunter dehnen? Soll ich alle sieben Himmel Muhammeds plündern, um noch mehr Worte der Pracht und der Erhabenheit für dich zusammenzustehlen? Wie kommst du zu dieser mich beleidigenden Unzufriedenheit. Hast du den Namen bei mir bestellt, oder habe ich ihn dir freiwillig, also aus eigenem Antriebe, gegeben?«
»Freiwillig.«
»Hast du ihn mir bezahlt, oder wirst du ihn bezahlen?«
»Nein.«
»Du mußt also zugeben, daß er ein Geschenk von mir ist?«
»Ja.«
»Gut, so hast du deine Undankbarkeit in ihrer ganzen kolossalen Größe eingestanden! Ich mache dir aus eigenem Antriebe, aus der Tiefe meines freigebigen, mildtätigen Herzens heraus einen neuen Namen, den du brauchst, zum Geschenk! Ich suche in allen Winkeln und Ecken der menschlichen Sprachfertigkeit herum, um das Beste, was dort hingelegt und an den Wänden aufgehängt worden ist, herauszufinden! Ich wähle die glänzendsten Worte, die prächtigsten Ausdrücke und füge sie für dich mit einem so tiefen Verständnisse, mit einer so bewundernswerten Sachkenntnis zusammen, wie der Dschauhardschi (Juwelier) die seltensten Edelsteine und die köstlichsten Perlen zu einer Halskette zusammensetzt! Ich überreiche dir dieses unübertreffliche Geschenk, indem ich es dir mit meinem eigenen Munde mühsam diktiere! Und nun du es empfangen hast, was tust du? Du drehst es in deinen Gedanken und in deinen Händen unzufrieden hin und her; du wirfst die Nichtwohlgewogenheit deiner unfreundlichen Blicke darauf und beleidigst den Hintergrund meiner Seele und den Vordergrund meines Herzens durch die schreiende Ungerechtigkeit des unsachgemäßen Vorwurfes, daß diese Juwelenkette, dieses ganz unzahlbare Geschmeide, diese geradezu diamantene Freundschafts— und Ehrengabe länger und auch besser sein könne! Wenn das nicht eine Undankbarkeit ist, die dich um meine ganze Achtung und Gegenliebe bringen muß, so habe ich noch nie gewußt, was überhaupt Undank ist! Du hast mit der Hacke deiner Unerkenntlichkeit und mit der Schaufel deiner habsüchtigen Unzufriedenheit zwischen mir und dir einen tiefen Abgrund gegraben, dessen Breite ich nicht überspringen könnte. wenn ich hinüberwollte. Das Schicksal hat unsere Trennung beschlossen; das Fatum reißt uns für ewig auseinander, und wir werden, ich hüben und du drüben, von jetzt an einsam durch das Leben gehen und beide für alle Zeit auf dich verzichten! Lebe wohl, Sihdi, lebe wohl!«
Er verließ das Zelt, und ich prägte mir in größter Seelenruhe den Namen ein; ich wußte ja, wie es kommen würde! Und es kam wirklich so! Nach vielleicht einer Viertelstunde zog er den Vorhang, welcher den Eingang bildete, auseinander und steckte den Kopf herein.
»Sihdi!« sagte er.
»Was?« fragte ich.
»Ich war bei Hanneh, der trauten Krone aller Weiber!«
»So!«
»Ich habe es ihr erzählt!«
»So!«
»Weißt du, was sie machte?«
»Ja.«
»Was?«
»Sie lachte dich aus!«
»Nein, nicht ausgelacht, sondern sie lächelte nur. Dann gab sie mir einen Rat.«
»Welchen?«
»Den allerbesten, den es geben kann, denn du mußt wissen, daß Hanneh, mein Stern im Wachen und im Träumen, stets nur den besten Rat zu finden weiß. Sie fand den Namen nämlich auch für dich zu kurz.«
»Das war klug von ihr!«
»Und sagte, ich solle noch den Großvater deiner Urgroßmutter hinten anhängen.«
»Schön! Hast du den gekannt?«
»Nein; aber nimm das Papier, und schreib ihn noch hin! Sein Name war Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram.«
Ich schrieb die Worte, welche in deutscher Übersetzung »Sohn des Hadschi Fromm, Vater der Güte, der Ehrwürdige« heißen.
»Hast du nun den ganzen Namen?« fragte Halef jetzt.
»Ja.«
»Lies ihn einmal vor!«
»Hadschi Akil Schakir el Magarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Hadschi Dajim Maschhur ei Azami Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram.«
»Schön! Was sagst du nun dazu?«
»Er gefällt mir außerordentlich.«
»Du bist also nun zufrieden?«
»Sehr.«
»Du bist also einverstanden, daß wir dich so heißen?«
»Ja.«
Da hellte sich sein Gesicht schnell und vollständig wieder auf, und er sagte im frohen Tone:
»Hamdulillah! Allah sei Lob und Dank gesagt, daß es mir gelungen ist, diesen deinen Abgrund wieder zuzuschaufeln! Nun sind wir die alten Freunde und können wieder, wie vorher, in Wonne miteinander verkehren. Ich sage dir, daß ich es hüben auf meiner Seite nicht ausgehalten hätte, wenn du immer hättest drüben bleiben müssen! Ich werde es mir aber zur Warnung dienen lassen und nie in meinem Leben wieder so unvorsichtig sein, die Namen von verstorbenen Personen zu entdecken, die gar nicht gelebt haben! Jetzt bitte ich dich, mit herauszukommen! Die Dschemmah (Versammlung der Ältesten) tritt zusammen, um darüber zu beraten, wer und in welcher Weise er während meiner Abwesenheit den Stamm regieren soll. Da mußt du auch dabei sein, denn so oft und so lange du bei uns bist, giltst du genau so, wie wir alle, als mitten zwischen unsern Herden geborenes Mitglied der Haddedihn vom großen, berühmten Stamme der Schammar.«
Das war richtig. Ich mußte, wenn ich mich bei diesen guten Leuten befand, an allen ihren Beratungen teilnehmen und wußte die Ehre, welche mir dadurch erwiesen wurde, gar wohl zu schätzen. Die Schammar haben ihren Namen von dem in Arabien südlich von der Wüste Nefuhd liegenden Dschebel (Berg, Gebirge) Schammar, den sie als Mittelpunkt ihres ausgedehnten Gebietes betrachten. Als Angehörige dieses Stammes hätten wir eigentlich jetzt dorthin reiten sollen, zumal der nächste und auch beste Weg nach Mekka über den Dschebel Schammar führte; aber ich war mit Halef und seinem Sohne dort gewesen; man kannte mich als Christ, und es wäre gar nicht zu verheimlichen gewesen, daß