Am Stillen Ozean. Karl May
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Читать онлайн книгу Am Stillen Ozean - Karl May страница 4
»Wie heißt du?«
»Potomba.«
»Von welcher Insel bist du?«
»Ich wohne in Papetee, der Hauptstadt von Tahiti. Ich bin ein Ehri, ein Fürst des Landes, und werde alle meine Feinde töten!«
Er blickte zurück. Soeben versuchte das erste Boot seiner Verfolger die Einfahrt durch den engen Kanal. Er sprang zurück bis an den Ort, an welchem sein Pfeil niedergefallen war, spannte den Bogen und zielte. Der Pfeil schwirrte von der Sehne, er hätte den Mann sicher getroffen, aber eine sich hereindrängende Woge hob den Kahn empor, und das spitze Geschoß bohrte sich in das Holz desselben. Unwillkürlich hatte der Insaße des Bootes aus Furcht vor dem Pfeil sich niedergebückt und dabei die Ruder außer Thätigkeit gesetzt; dieselbe Woge, welche ihn hereingetrieben hatte, erfaßte im Niedergange sein Fahrzeug und riß dasselbe wieder aus der Einfahrt zurück.
»Hallo-o-oh!« rief es da von den Korallenringe aus, und als ich mich seitwärts wandte, sah ich den Steuermann mit den Seinen – herbeispringen.
Der Maate hatte den Pfeilschuß fälschlicherweise für das Signal gehalten und machte jetzt meinen ganzen Plan zunichte. Die Verfolger hatten mich zwar bereits gesehen, ohne deshalb von ihrem Vorhaben abzulassen; als sie aber erkannten, daß die Insel von einer ganzen Truppe europäisch gekleideter Männer besetzt sei, beschlossen sie den Rückzug, zogen schleunigst die Segel wieder auf und ruderten von dannen.
Ich schritt jetzt nach dem Strande, wo Potomba auf die Kniee gesunken war.
»Bapa kami iang ada de surga, kuduslah kiranja namamu«[2] hörte ich ihn beten nach dem Wortlaute, den die von der Mission Bekehrten anzuwenden pflegen. Dann sprang er freudig auf und rief. »Ich bin gerettet! Sie fliehen, und ich brauche keinen zu töten. Bald hätte mein Pfeil Anoui, den falschen Priester, getötet, der doch der Vater meines Weibes ist!«
Nur die Not hatte ihn also zur Gegenwehr genötigt, und ich erkannte in seinem jetzigen Ausrufe und dem vorgehenden Dankgebete eine fromme, wahrhaft christliche Gesinnung, welche unter den Bekehrten in dieser Herzensaufrichtigkeit nicht sehr häufig angetroffen wird und dem jungen Manne sofort mein Wohlwollen erwarb. Jedenfalls war er nicht aus Berechnung, sondern aus wirklicher Ueberzeugung Christ geworden.
»Wer ist Anoui?« fragte ich ihn.
»Der Priester von Tamai.«
Ich besann mich.
»Liegt Tamai nicht auf Eimeo, der Nachbarinsel von Tahiti?«
»Ja, Sahib. Tamai liegt nicht weit von der Bai von Opoauho. Pareyma, mein Weib, ist die Tochter des Priesters, denn ich bin ein Ehri, und ein Ehri nimmt sich nur die Tochter eines Fürsten oder Priesters zur Frau. So lange Tahiti steht, hat noch niemals ein Ehri die Tochter eines Meduah (Vasallen) oder eines Towha und Rattirha (geringere Lehnsleute) in sein Haus geholt, und die Töchter der Mahanunen (Bauern) und Tautau (Diener und Sklaven) kennt er nicht.«
»Und warum ist jetzt Anoui dein Feind?«
»Weil ich Christ geworden bin. Er hat mir Pareyma, die Perle meines Lebens, abverlangt, aber ich gab sie ihm nicht. Da verklagte er mich bei den Ingli, welche nicht an die mitonare (heilige) Jungfrau Marrya glauben, und sie halfen ihm; ich aber ging zu den Franki, welche viele mitonare Männer und Frauen im Himmel des guten Bapa haben, und sie halfen mir; ich durfte Pareyma in meinem Hause behalten, obgleich sie mir nicht der Mitonare, sondern unser Priester gegeben hat, als ich noch ein Heide war. Dann mußte ich fort nach den Tub[u] ai-Inseln, um Kleider, Waffen und Perlen umzutauschen; denn seit die Europäer zu uns gekommen sind, ist alles anders und böser geworden, und selbst wer früher Fürst war, muß durch Arbeit oder Handel Geld verdienen. Anoui wußte, wohin ich ging, und folgte mir mit seinen Leuten nach. Als ich die Inseln von Tubuai verließ, lauerte er mir auf, um mich zu töten und mir den Reichtum zu nehmen, den ich bei mir führte.«
»Getötet hat er dich nicht, wie ich sehe; aber deine Habe – hast du sie hier im Boote?«
»Nein. Er bekam beides nicht, mein Leben und mein Eigentum, denn meine Hand ist stärker als die seine, und sein Verstand ist dunkler als der Verstand eines Ehri. Als ich ihn mit seinen Booten nahen sah, fuhr ich ihm entgegen und sandte meine Diener mit den Kähnen, auf denen sich meine Habe befand, auf einem Umwege nach Papetee. Ich aber lockte ihn bis hierher, wo ich ihn hätte töten müssen, wenn er nicht geflohen wäre.«
Sein Auge leuchtete, und seine dunkle Wange brannte vor Erregung; er war noch sehr jung und wirklich schön, als er so drohend vor mir stand: auf den langen, schwarzen Flechten den federgeschmückten Turban, zwei wertvolle Perlen an jedem Ohre, und die gelbseidene Marra als Gürtel um die rot und weiß gestreifte Tebuta geschlungen, welche in reichen Falten von seiner Schulter bis zum Knie reichte und das Ebenmaß seiner schlanken, kräftigen Gestalt vorteilhaft hervorhob.
»Was wirst du jetzt beginnen?« fragte ich ihn.
»Frage zuvor, war ihr mit mir beginnen werdet, Sahib!« antwortete er, nach der Höhe deutend, von welcher sich der Kapitän mit den Seinen näherte.
»Ich bin dein Freund, und du hast von uns nichts zu befürchten. Du kannst thun, was dir beliebt. Doch bitte ich dich, daß du auch unser Freund werdest!«
»Ich bin es, Sahib! Sage mir deinen Befehl, und ich werde ihn vollbringen, denn ich sehe es an deinem Auge, daß du nichts Böses von mir fordern wirst!«
»Wir bitten dich um Hilfe.«
Er blickte mich einigermaßen erstaunt an, und ich selbst konnte mich eines leisen Lächelns nicht erwehren. Von ganz anderer Figur als er, war ich einen vollen Kopf höher als er; der Turban mit Schleier, den ich trug, der dichte Vollbart, welcher mir Wangen und Kinn umrahmte, meine Waffen, die aus den Trachten aller Zonen zusammengesetzte abenteuerliche Kleidung, welche sich nach unten in einem Paare riesiger Seemannsstiefeln verlief: das alles mochte wohl den Eindruck mache, als sei ich gewohnt, nur auf meine eigene Kraft zu vertrauen, und sei fremder Hilfe und Unterstützung nicht leicht bedürftig.
»Wer bist du, und was thust du hier?« fragte er.
»Ich bin vom Volke der Germani, und die andern gehören zum Volke der Yanki.«
»Die Germani sind gut; ich habe ihre Schiffe gesehen auf den Inseln von Samoa; was sie verkaufen, ist ehrliche Ware, und was sie sagen, das gilt als ein Schwur. Aber die Yanki sind anders; ihre Zunge ist glatt und untreu, und ihre Waren glänzen und haben den Betrug in sich. Wie kommst du zu ihnen und auf diese Insel, die noch nicht einmal einen Namen hat?«
»Ich fuhr mit ihnen, weil ich in das Land der Chinesen wollte, aber das Wetter trieb uns an dies Eiland, so daß unser Schiff zerbrach und unsere Boote zerschellten. Nun können wir nicht fort und müssen warten, bis ein anderes Schiff kommt, welches uns von dannen holt. Du kehrst nach Papetee zurück?«
»Ja. Mich verlangt, zu Pareyma, meinem Weibe, und zu meiner Mutter zu kommen, die mir lieber sind, als alle meine Habe und mein Leben. Die Stimme meines Herzens sagt mir, daß ihnen Gefahr droht von Anoui, meinem Feinde.«
»Auf Tahiti findet man immer Schiffe der Ingli, Franki, Yanki und der Hollandi; vielleicht ist auch eines der Hispani oder gar der Germani da. Willst du sie aufsuchen, wenn du nach Papetee kommst, und eines von ihnen senden, daß es uns von hier erlöse?«
»Das will ich, Sahib! Aber sie möchten mir nicht glauben, und daher ist es besser, wenn ihr mir einen eurer Männer
2
Wörtlich: »Vater unser, welcher ist im Himmel, heilig möge sein Name dein.«