Die Sklavenkarawane. Karl May
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Die Waffen des Knaben lagen neben ihm. Sie bestanden aus einem Bogen nebst einem mit Pfeilen gefüllten Köcher, einem Messer mit sichelartiger Klinge und einem Trumbasch oder Wurfeisen, welches als Waffe sehr gefürchtet ist. Dieses Eisen gleicht dem australischen Bumerang, ist mehrschenklig gebogen und mit scharfen Zähnen und Spitzen versehen. Die Cateja, welche in der Äneide genannt, und als eine Wurfkeule von zerschmetternder Wirkung beschrieben wird, ist jedenfalls auch eine ähnliche Waffe gewesen. – Außerdem trug der Knabe eine Art Schutzwaffe an sich, und zwar an den Armen. Diese steckten nämlich von der Hand an bis zum Ellbogen in einer Menge von Metallringen, die eng aneinander lagen und eine schützende Manschette bildeten. Eine solche Armbekleidung wird Danga-Bor genannt und ist besonders bei den Bongonegern gebräuchlich.
Ganz eigenartig, und gar nicht unschön, war das Haar des Knaben geordnet. Dasselbe war zwar wollig, aber ziemlich lang. In lauter dünne Zöpfchen und diese wieder untereinander verflochten, bildete es auf dem Kopfe eine runde Krone, in welcher ein bunt schillernder Federbusch steckte. Rund um die Stirn, ganz an die Grenze des Haarwuchses befestigt, trug er einen eigenartigen Schmuck, welcher aus den Reißzähnen von Hunden bestand, die an eine Schnur gereiht waren.
Der offene, freundlich ehrerbietige Blick, mit welchem er den Deutschen musterte, machte auf diesen einen sehr guten Eindruck.
»Wie heißest du?« fragte ihn Schwarz.
»Ich bin der Sohn des Bjiä,« antwortete der Neger in arabischer Sprache, in welcher er gefragt worden war. »Die Sandeh heißen mich Nuba; der weiße Mann aber, welcher mich hierher sendet, hat mich Ben Wafa genannt.«
»Das ist ein schöner Name, welcher dir Vertrauen erweckt. Wie heißt dieser weiße Mann?«
»Er nennt sich Schwa-za.«
»Du willst Schwarz sagen?«
»Ja,« nickte der Knabe, »aber ich kann diesen Namen nicht so aussprechen; darum sage ich Schwa-za.«
»Ich heiße ebenso, denn ich bin sein Bruder.«
»So bist du der Effendi, zu dem er mich sendet?«
»Ja.«
»Das freut mich sehr, denn du gefällst mir. Dein Auge ist gerade so mild und freundlich wie das seinige, nicht so grausam wie dasjenige der Araber, welche zu uns kommen, um Reqiq zu machen. Darum werde ich dich gerade so lieb haben wie ihn und dir ebenso treu dienen.«
Es war ihm anzusehen, daß dieser Herzenserguß ein aufrichtiger war, denn sein intelligentes Gesicht glänzte vor Freude.
»Nicht wahr, du sollst mich zu ihm bringen?« fragte Schwarz.
»Ja, Effendi.«
»Aber das ist schwer. Unser Weg führt durch Gegenden, welche den Sandeh und also auch dir feindlich gesinnt sind.«
Da ergriff der Knabe schnell des Deutschen Hand, küßte sie und rief:
»Effendi, du schimpfest uns nicht Niam-niamIst der Denkasprache entnommen und bedeutet ‚Allesfresser‘, auch ‚Menschenfresser‘, sondern nennst uns bei unsrem richtigen Namen! Ich bin ein Königsprinz und brauche keinem Menschen zu dienen. Für dich aber werde ich alles thun, was du verlangst. Nur deinem Bruder zuliebe bin ich sein Bote geworden, denn ein andrer wäre nicht klug genug gewesen, bis hierher zu gelangen; die Denka und Nuehr hätten ihn getötet oder zum Sklaven gemacht.«
»Hattest du das denn nicht auch für dich zu befürchten?«
»Nein, denn mich fängt keiner. Ich bin ein Krieger und habe unsre Männer schon oft in den Kampf geführt.«
Er sagte das mit einem ruhigen Stolze, welcher fern von Überhebung war. Der kleine, jugendliche Held mußte allerdings ein ganz tüchtiges Kerlchen sein, da er eine so weite Reise ganz allein durch feindliches Land unternommen und auch glücklich beendigt hatte.
»Wäre es nicht besser gewesen, wenn du noch einige Krieger mitgenommen hättest?« fragte Schwarz.
»Nein, denn mehrere werden leichter bemerkt, als nur einer.«
»Bist du gelaufen?«
»Nein. Ich habe mir eine kleine Flukah mit einem Segel gebaut. Mit derselben bin ich den Bahr er Rohl und dann den Bahr ed Dschebel herabgefahren. Es gab überall Wasser zum Trinken. Hatte ich Hunger, so fing ich mir Fische, und kam ein feindliches Schiff, so versteckte ich meine Flukah in das Gebüsch des Ufers oder hinter das hohe Schilf.«
»Aber kanntest du denn den Weg?«
»Ja, denn ich bin bereits zweimal in Chartum gewesen und habe dort die Sprache der Araber gelernt.«
»Bist du nicht einmal bei einer Seribah ausgestiegen?«
»Wie könnte ich das, Effendi! Das darf man nicht wagen. In den Seriben wohnen doch nur Sklavenjäger. Ich kenne sie alle, aber ich bin stets des Nachts und sehr schnell an ihnen vorübergefahren.«
»Kennst du auch eine, welche Omm et Timsah genannt wird?«
»Ja. Sie ist die gefährlichste für uns, da sie an der Grenze unsres Landes liegt und dem grausamsten Manne gehört, den es geben kann.«
»Wie heißt dieser Mann?«
»Abu el Mot.«
»Ah, du kennst seine Seribah! Hast du jemals auch ihn selbst gesehen?«
»Ja. Er hat das Angesicht und die Gestalt eines Gestorbenen, und der Tod folgt jedem seiner Schritte. Seine Seribah ist ein Schreckensplatz. Die Leichen zu Tode gepeitschter Sklaven, die frei umherliegen, der Sammelplatz aller Arten Raubvögel und aasfressender Raubtiere sind ihre Merkmale.«
»Und wo war mein Bruder, als du ihn verließest?«
»Bei meinem Vater.«
»Er befindet sich also in der Nähe der Seribah des Sklavenjägers?«
»Ja, Effendi. Die Entfernung beträgt nur drei Tage reisen.«
»Und ist mein Bruder der einzige Fremde, welcher jetzt bei euch weilt?«
»Nein. Es ist noch ein andrer Weißer bei ihm.«
»Ah! dann sind es diese beiden, von denen Abu el Mot gesprochen hat. Was ist und wie heißt dieser andre?«
»Er ist ein Baija et tijur. Er hat die Beine des Storches, und seine Nase ist lang und beweglich wie der Schnabel des Storches. Darum wird er Abu laklak genannt. Seinen eigentlichen Namen kann ich nicht aussprechen.«
»Wir müssen schleunigst abreisen, denn ihm und meinem Bruder droht die größte Gefahr. Abu el Mot will sie töten.«
»Hat er das gesagt?« fragte der Mudir.
»Ja,« antwortete der Deutsche. »Ich habe es selbst gehört.«
»Ich weiß allerdings, daß er keinen fremden Weißen im Bereiche seines Jagdgebietes duldet, und so glaube ich, daß er seine Drohung wahr machen wird, sobald er auf seiner Seribah eingetroffen ist. Die Gefahr, in welcher sich