Die Sklavenkarawane. Karl May
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Das Haus des Mudir und die Kaserne sind von Mauern umgeben und aus Ziegeln gebaut. Auf den Mauern stehen einige Kanonen, und des Nachts patrouillieren die Wachtposten, eine gegen die stets rebellischen Schilluk gerichtete, gar nicht überflüssige Maßregel.
Um diese Gebäude stehen mehrere Häuser und zahlreiche Tokul, welche meist von Soldaten, die mit ihren Familien in der Kaserne keinen Platz haben, bewohnt werden. Faschodah hat nämlich eine ungefähr tausend Köpfe zählende Besatzung. Dieselbe besteht aus einer Anzahl von Arnauten, dann aber aus lauter Gehadiah, die ein höchst liederliches Leben führen, aber dennoch leichter zu disziplinieren sind als die Dongolaner, Berberiner, Scheiqieh und Ägypter, aus welchen die sonstige sudanesische Soldateska sonst besteht.
Außer den angegebenen Gebäuden sieht man nur liederlich gebaute Hütten, halbverfallene Baracken, Erdlöcher, übelriechende Lachen und ganze Berge von Unrat, welche die Luft verpesten. Rechnet man dazu, daß der eine Flußarm außerhalb der Regenzeit versumpft und daß der Uferdamm aus Pflöcken besteht, zwischen denen man Erde, Gras und Mist angehäuft hat, so läßt es sich sehr leicht erklären, warum das Klima des Ortes ein höchst ungesundes ist, und warum die nach hier verbannten Verbrecher zwar nicht zum Tode verurteilt, aber demselben doch geweiht sind. Faschodah ist nämlich Verbannungsort.
Außerhalb desselben gibt es einige wenige Gartenanlagen, in denen man Rettiche, Zwiebeln, Knoblauch, Melonen, Gurken, Kürbisse und das hier gebräuchliche Grünzeug baut.
Einen Bazar gibt es freilich da, aber was für einen! Zwei oder drei Griechen oder Ägypter treiben einen kleinen Handel. Sonst sind die Bewohner auf die umher ziehenden Dschelabi angewiesen.
Es wohnen auch Schillukneger in dem Orte. Als diese die Karawane zu Gesicht bekamen, erhoben sie ein eben solches Geschrei wie die ihnen stammesverwandten Dorfbewohner. Sie wagten unter den Kanonen der »Festung« und den Augen des Mudir zwar keine Feindseligkeiten, aber sie liefen drohend und schimpfend hinter dem Zuge her. Ihr Gebrüll machte, daß sich ihnen andre und wieder andre anschlossen, so daß die Begleitung der Reiter, als diese am Thore der Befestigung anlangten, aus mehreren hundert lärmenden Menschen bestand.
Eine unter dem Thore stehende Wache fragte nach dem Begehr der Ankömmlinge. Schwarz antwortete, daß er sich im Besitze eines Hattischerif befinde und den Mudir sprechen wolle. Der Posten schloß das Thor, um sich zu entfernen und Meldung zu machen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er mit einem Onbaschi zurückkehrte, welcher dieselbe Frage aussprach und dann davonging, um einen Buluk Emini zu holen, der ganz dasselbe wissen wollte und nach empfangener Antwort einen Tschausch suchte, welcher die Frage wiederholte und dann nach einem Basch Tschausch eilte, der sich nach ganz demselben Gegenstande erkundigte, worauf er auch hinter dem Thore verschwand, um die wichtige Angelegenheit einem Mülasim mitzuteilen. Dieser eilte zu seinem Jüsbaschi, welcher, nachdem er Schwarz gefragt hatte, was er wolle, einen Kol Agassi schickte. Dieser endlich ließ die Wartenden in den Hof.
Darüber war fast eine Stunde vergangen, während welcher die schreiende Menge sich verdreifacht und das Gebrüll sich verzehnfacht hatte.
Nun stiegen die Reiter ab. Waren sie aber der Meinung gewesen, daß sie nun zum Mudir geführt würden, so hatten sie sich geirrt. Der Adjutant holte vielmehr einen Alai Emini, dieser einen Bimbaschi, der wieder einen Kamaikam und dieser dann einen Mir Alai herbei, welch letzterer endlich die richtige Person zu sein schien, denn er forderte dem Deutschen seine Papiere ab und entfernte sich mit denselben. Nach ungefähr zehn Minuten kehrte er zurück. Diesmal war er bemüht, die größte Höflichkeit zu zeigen. Er lud Schwarz mit einer tiefen Verbeugung ein, ihm zu folgen und führte ihn nach dem Hause des Mudir.
Der Mudir kam seinem Gaste an der Thür entgegen, kreuzte die Hände über der Brust, und begrüßte ihn mit einem ausführlichen »Salam aleïk«, welches Schwarz mit »W‘aleïk issalam« erwiderte. Für den letzteren war der Gruß des Mudir eine Ehrenerweisung, da der strenge Moslem einem Christen gegenüber nur das erste Wort des Grußes, Salam, gebraucht.
Der Mudir führte ihn, was eine noch viel größere Auszeichnung war, selbst nach dem Salamlik, wo er ihn bat, auf einem Diwan von ihm gegenüber Platz zu nehmen. Gesprochen wurde noch nicht, sondern der Beamte klatschte in die Hände, worauf einige junge Neger erschienen. Der erste trug ein Seniëh, ein sechs Zoll hohes Tischchen mit polierter Kupferplatte, welches er zwischen die beiden Herren stellte. Der zweite gab die Fenagin herum, schüttete gestoßenen Kaffee hinein und goß kochendes Wasser darauf. Als die Herren den Kaffee getrunken hatten, brachte der dritte Pfeifen, welche bereits gestopft waren, und der vierte reichte glühende Kohlen dar, die Pfeifen anzustecken. Dann zogen sich die Schwarzen schweigend zurück.
Der Mudir rauchte aus einem gewöhnlichen Tschibuk; Schwarz aber hatte einen sehr kostbaren erhalten. Das Rohr desselben war von echtem Rosenholze, mit Golddraht umwunden, und mit Perlen und Brillanten ausgelegt. Die Spitze bestand aus einem großen, herrlichen Stücke rauchigen Bernsteines, welchen die Orientalen dem durchsichtigen vorziehen.
Je höher der Gast geehrt wird, desto kostbarer die Pfeife, welche man ihm präsentiert. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, konnte der Deutsche mit der ihm gezollten Hochachtung zufrieden sein.
Nun erst, da die Pfeifen brannten, war der Augenblick des Sprechens gekommen. Der Mudir nahm die Legitimationen des Deutschen, welche neben ihm auf dem Diwan lagen, gab sie ihm zurück und sagte:
»Du stehst unter dem Schutze des Khedive, dessen Wille uns erleuchtet. Ich habe deinen Namen gelesen und weiß nun, daß du derjenige bist, den ich erwartet habe.«
»Du wußtest, daß ich kommen würde?« fragte Schwarz.
»Ja. Mumtas Pascha, der Gouverneur, mein Vorgesetzter, welchen Allah segnen wolle, hat es mir geschrieben. Er hat dich in Chartum kennen gelernt und lieb gewonnen. Du bist mir von ihm sehr empfohlen worden, und ich harre deiner Wünsche, um sie dir zu erfüllen, soviel es mir möglich ist. Auch wartet bereits ein Bote auf dich, der dir einen Brief zu überbringen hat.«
»Von wem?«
»Von deinem Bruder, welcher im Lande der Niam-niam verweilt, und dich dort erwartet.«
»So ist er schon dort?« rief Schwarz schnell und erfreut. »Er ist von Sansibar nach Westen vor gedrungen, während ich von Kairo aus nach dem Süden ging. Bei den Niam-niam wollten wir uns treffen. Er versprach mir, als wir uns trennten, mir sofort, wenn er sich am Ziele befinde, Nachricht nach Faschodah zu senden. Und ich kam heute meist aus dem Grunde hierher, nachzufragen, ob ein Bote von ihm angekommen sei.«
»Er ist da und hat einen langen, langen Brief für dich. Er ist ein sehr junger, aber auch sehr kluger Mensch. Allah hat ihn mit einem schärferen Verstande ausgestattet, als Tausende von Männern in hohem Alter besitzen. Er wohnt seit mehreren Tagen bei mir, um dich zu erwarten. Du kommst nicht direkt von Chartum?«
»Nein. Ich ging von dort aus nach Kordofan und Darfur, um die Menschen, Tiere und Pflanzen dieser Länder kennen zu lernen. Ich habe eine Sammlung angelegt, welche mehrere Kamellasten beträgt, und will sie von hier nach Chartum senden.«
»Übergib sie mir; ich werde sie sicher dorthin bringen lassen. Aber du und dein Bruder, ihr müßt sehr kühne Leute sein. Hast du nicht gewußt, daß dein Leben in Kordofan, und ganz besonders in Darfur, in steter Gefahr schwebte?«
»Ich wußte es; aber die Liebe zur Wissenschaft war größer als die Furcht.«
»So hat Allah seine Hand über dich gehalten. Ihr Christen seid furchtlose, aber