Im Lande des Mahdi I. Karl May

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Im Lande des Mahdi I - Karl May

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aber müssen wir abgeben, ohne daß er sie uns anrechnet.«

      »So kommt er wohl oft hierher, um zu sehen, welche Geschäfte Djangeh macht?«

      »Ja. Er kommt einmal am Vor- und einmal am Nachmittag, um das Geld zu holen. Ich verstecke es vor ihm und gebe ihm nur die acht Piaster; auch gebe ich zuweilen Djangeh etwas, wenn sie zu wenig hat. Das übrige vergrabe ich. Wenn ich genug habe, so kaufe ich mich und Djangeh frei und gehe dann mit ihr nach dem Bahr el Abiad zu den Dongiol.«

      Das war eine sehr vertrauliche Mitteilung; er hielt mich für einen Menschen, dem er dieses Geheimnis anvertrauen könne, ohne von ihm verraten zu werden.

      »Wie viel hast du denn schon gespart?« erkundigte ich mich.

      »Schon fast vierzig Piaster.«

      »Und wie lange bist du bei Abd, el Barak?«

      »Viele, viele Wochen, und noch viel mehr Tage!«

      »Ist‘s ein Jahr?«

      »Das weiß ich nicht.«

      Der Knabe verstand es nicht, die Zeit zu bestimmen; darum fragte ich ihn:

      »Wie oft hast du schon den Aufbruch der Pilgerkarawane von hier nach Mekka gesehen?«

      »Zweimal.«

      »So bist du schon zwei Jahre bei ihm; merke dir das! Du siehst mich nicht zum letzten Male! Ich werde noch oft hier Bier trinken, und vielleicht kann ich dir einen guten Rat geben oder euern Gebieter bitten, euch freizulassen.«

      Ich kehrte, gefolgt von seinem dankbaren Blicke, an meinen Platz zurück. Hätte ich ihm die Wahrheit sagen sollen, daß er eigentlich frei sei, weil der Vizekönig den Sklavenfang verboten habe? Nein, denn er hätte diese Mitteilung doch nicht ausnützen können. Also Geschwister waren sie! Ich war bewegt. Welche Liebe und Anhänglichkeit! Er unterstützte sie, um sie nicht leiden sehen zu müssen! Er hatte sein Land, sein Volk und seine Eltern nicht vergessen. Er wollte zu ihnen zurück; nur darum sparte er. Und wie beschreibt man diese Schwarzen? Auf welche Stufe stellt man sie? Hätte ein weißer Knabe im Alter dieses Negerjungen besser fühlen, denken und handeln können? Gewiß nicht! Wer den Neger nicht für erziehungsfähig hält, wer ihm die besseren Regungen des Herzens abspricht, der begeht eine große Sünde nicht nur gegen die schwarze Rasse, sondern gegen das ganze Menschengeschlecht.

      Und dieser Abd el Barak, zu deutsch Diener des Segens! Wie wenig harmonierte sein Name mit seinen Thaten! Ich hatte mich eigentlich näher nach ihm erkundigen wollen, aber das wäre hier aufgefallen. Wenn ich ihm seine Unbefangenheit ließ, war es eher möglich, etwas für die Kinder zu thun. Denn daß ich mich der Geschwister in irgend einer Weise annehmen würde, das stand fest. Ich, der Fremde, der kaum das nötige Reisegeld besaß, um in seine Heimat zu gelangen? Warum nicht! Abd el Barak hatte kein Recht, die Kinder als sein Eigentum zu behandeln und sie für seinen Beutel arbeiten zu lassen. Das stand fest. Er mußte sie hergeben, und wenn ich bis zum Gouverneur oder gar ins Ministerium gehen sollte.

      Welchem Volke die Kinder angehörten, darüber konnte es keinen Zweifel geben; sie waren Dongiols, und dieser Stamm gehört zur Dinkanation, welche sich auch Djangeh nennt. Diese letztere Bezeichnung war hier in Kairo der Name des Mädchens geworden. Die Dinka sind unbedingt der schönste Menschenschlag am weißen Nil; sie sind schlank und von hoher Statur, und ihr Gesichtsausdruck zeigt mehr Milde und Intelligenz, als derjenige anderer Völker. Da war es kein Wunder, daß der Knabe nicht das stumpfsinnige, teilnahmlose Wesen anderer Negerkinder besaß. Hätte er in einer deutschen Volksschule sitzen können, er wäre gewiß gegen keinen der andern Schüler zurückgeblieben.

      Solchen stillen Betrachtungen gab ich mich hin, bis dem Türken mein Nachsinnen unbequem wurde. Er erkundigte sich nach der Ursache dieser Wortlosigkeit, und ich erzählte ihm, was ich von dem kleinen Gegner seines Schnurrbartes gehört hatte. Er blickte lange, ohne eine Meinung zu äußern, vor sich nieder, so daß ich ihn endlich fragte:

      »Nun, was sagen Sie dazu?«

      »Daß ich Ihnen nicht rate, sich in diese Angelegenheit zu mischen. Sie würden nicht nur Mühe und Ärger, sondern noch Schlimmeres davon haben.«

      »Pah! Die Sklaverei ist abgeschafft.«

      »In den Büchern und Verträgen; in der Wirklichkeit besteht sie aber noch, in der Türkei und in Ägypten, und es fragt hier keine Behörde darnach, ob mein Neger mein Diener oder mein Sklave ist.«

      »Aber wenn ich einen bestimmten Fall zur Anzeige und dazu die Beweise bringe, so ist diese Behörde gezwungen, einzuschreiten.«

      »Ja; aber wie wird sie einschreiten! Nehmen wir den Haushalt des höchsten Mannes in Ägypten als Beispiel an. Hat der Khedive nur Diener und Dienerinnen und keine Sklaven und Sklavinnen mehr? Antworten Sie mir nicht mit Umschreibungen, sondern kurz mit ja oder Nein!«

      Ich schwieg. Was hätte ich sagen können?

      »Ich höre keine Antwort, und das ist deutlich genug. Denken Sie, der Sudan liefere seit dem Verbote keine Sklaven mehr? Oder denken Sie, es sei nicht allgemein bekannt, auch der Behörde, daß jährlich noch Tausende von Schwarzen auf dem Nile bis herunter ins Delta schwimmen? Man drückt die Augen zu, weil man selbst Neger braucht. Man hat Diener, Haremswächter und Dienerinnen für die Frauen nötig, und weil man sie auf keine andre Weise bekommen kann, so kauft man sie. Ich rate Ihnen, die Hand davon zu lassen.«

      Leider konnte ich ihm nicht so ganz unrecht geben, aber dennoch fühlte ich mich gegen ihn verstimmt. Freilich war er kein Christ, sondern ein Muhammedaner und als solcher gewiß kein Gegner der Sklaverei. Er hatte dieselbe von Jugend auf als eine längst zu Recht bestehende und notwendige Institution gekannt und verdiente also Entschuldigung. Fast wäre ich wieder in mein vorheriges Grübeln verfallen, wenn nicht eine neue, interessante Erscheinung mein Auge auf sich gelenkt hätte. Es erschien nämlich am Ausgange der Seitengasse ein Mann, welcher unmöglich unbemerkt bleiben konnte. Im kräftigsten Mannesalter stehend, war er von hoher, breiter Figur. Man sah auf den ersten Blick, daß er große Körperkraft besitzen müsse. Das bezeugte auch die Bildung seines Gesichtes, die stark entwickelten Kiefer, die wulstigen Lippen, die hervortretenden Backenknochen und die breite, scharfkantige Stirn. Das Gesicht besaß einen dunkelbronzenen Glanz, ein sicheres Zeichen, daß er Negerblut in den Adern hatte. Trotz dieses Beweises sudanischer Abstammung trug er grüne Pantoffel und einen Turban von derselben Farbe. Das wollte sagen, daß er ein Abkömmling des Propheten sei. Seine Gestalt war in einen feinen, glänzend weißen Kaftan gehüllt; in jeder Hand hielt er eine Gebetskette, und an einer um den Hals gelegten goldenen Schnur hing ein Futteral mit dem Hamaïl; das ist ein Kuran, welcher in Mekka geschrieben und dort während der Pilgerfahrt gekauft worden ist. Hoch aufgerichtet, trat er mit stolzen langsamen Schritten aus der Nebengasse hervor und kam auf das Bierhaus zu. Seine Haltung, seine Miene, sein ganzes Wesen sagte mit größter Deutlichkeit-. Hier bin ich; wer kommt mir gleich? In den Staub mit euch vor mir!

      Dieser Mensch war mir augenblicklich im höchsten Grade widerwärtig. Er hatte das, was der Deutsche ein Ohrfeigengesicht nennt, das heißt ein Gesicht, bei dessen Anblick es einem in den Händen zuckt, obgleich man den Mann zum erstenmale sieht und also von ihm noch gar nicht beleidigt worden sein kann. Ich ahnte in diesem Augenblicke nicht, wie gerechtfertigt dieser mein instinktiver Widerwille war, und konnte noch viel weniger wissen, daß es ihm und mir beschieden war, wiederholt und höchst ernstlich aneinander zu geraten.

      Als er herzugetreten war, erhoben sich, mit nur einigen Ausnahmen, die Anwesenden von ihren Sitzen, um sich tief zu verneigen und dabei die Hände auf Herz, Mund und Stirne zu legen. Er antwortete nur mit einem kaum wahrnehmbaren Neigen seines Kopfes, ging zwischen ihnen hindurch und verschwand durch die mehr erwähnte hintere Thüre, nachdem er vorher dem kleinen

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