Old Surehand I. Karl May
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»Der weiße Hund ist so unvorsichtig gewesen, ein Feuer anzubrennen.«
»Da er das gethan hat, kann er kein berühmter Krieger sein, denn ein solcher würde diese große Unvorsichtigkeit nicht begangen haben.«
»Ja, er ist ein ganz gewöhnlicher und unerfahrener Krieger, und es wird mir und meinem Bruder nicht schwer fallen, ihm den Skalp zu nehmen.«
»So hat es also genügt, daß nur wir beide ihm folgten. Mein Bruder wollte lagern, als es dunkel wurde. Wie gut, daß er mir folgte, als ich weiterritt! Wir holen den Skalp und kehren dann sogleich nach dem Saskuan-kui [10] zurück, wohin unsre Krieger vorangezogen sind. Wir müssen aber hier absteigen.«
»Das braucht mein Bruder mir nicht zu sagen; ich weiß, daß man sich nicht zu Pferde anschleicht, um einen Feind zu überraschen.«
Sie schwangen sich von ihren Tieren und pflockten diese an; dann schlichen sie weiter, ich hinter ihnen her. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit nur nach vorn; ich war nur acht Schritte von dem Hintersten entfernt. Sollte ich warten, bis sie sich bei unserm Feuer in die Büsche verkrochen? Nein; das wäre ein großer Fehler gewesen. Ich mußte sie jetzt angreifen und zauderte nicht, dies zu thun. ich steckte das Messer ein und zog den Revolver. Drei, vier schnelle, weite Sprünge, ich erreichte den Hintermann und schlug ihm den Griff der Waffe so an den Kopf, daß er zusammenstürzte.
Der Vorangehende hörte das, blieb stehen, sah sich um und fragte:
»Was war das? Was hat mein Bruder – — —«
Er konnte nicht weitersprechen; ich war auf ihn zugesprungen, faßte ihn mit der linken Hand beim Halse und gab ihm mit der rechten einen Hieb, daß er auch zusammenbrach. Sie hatten Lassos bei sich; ich legte die Bewußtlosen mit den Rücken gegeneinander und schlang die unzerreißbaren Riemen so fest von oben bis unten um sie, daß sie sich nach ihrem Erwachen gewiß nicht bewegen konnten. Da es ihnen aber möglich war, fortzurollen, so schleifte ich sie bis zu dem nächsten Baume und band sie an denselben fest. Nun konnten sie sich auf keinen Fall losmachen, und ich kehrte nach unserm Lager zurück.
Dort angekommen sagte ich nichts, sprang über den Bach und legte mich da nieder, wo ich vorhin gelegen hatte. Old Wabble sah mich forschend an; den andern war meine lange Abwesenheit gar nicht aufgefallen.
»Ihr waret nicht da, Sir, und wißt also nicht, was indessen besprochen worden ist. Ich werde nämlich nicht hinauf nach dem Militärlager reiten,« sagte er.
»Ist Euch ein anderer Gedanke gekommen?« fragte ich. »Vielleicht ein neuer Plan?«
»Ja. Ich hatte etwas vergessen, woran ich sogleich hätte denken sollen. Ihr habt doch von Old Shatterhand gehört?«
»Gewiß.«
»Nun, dieser Jäger ist in der Nähe des Rio Pecos, und ich bin entschlossen, ihn aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Meint Ihr, daß er uns diese gewähren wird?«
»Ich bin überzeugt davon.«
»Pshaw!« fiel da Parker in wegwerfendem Tone ein. »Wie kann Mr. Charley wissen, was so ein Mann wie Old Shatterhand thun oder lassen wird! Er hat ja gar keine Ahnung davon, daß Old Shatterhand, wenn er will, ganz allein im stande ist, den Gefangenen zu befreien.«
»Nun, so unwissend, wie Ihr meint, bin ich doch nicht ganz,« verteidigte ich mich. »Wenn ich auch nicht ganz zu den namhaften Westmännern gehöre, so würde ich doch vielleicht nicht solche Fehler begehen, wie Ihr begangen habt.«
»Wir? Fehler?«
»Ja.«
»Welche denn?«
»Ihr habt Euch von Mr. Cutter überrumpeln lassen, ohne seine Annäherung zu bemerken.«
»Habt etwa Ihr sie bemerkt?«
»Ja.«
»Macht uns nichts weiß, Mr. Charley!«
»Pshaw! Ich kann es beweisen.«
»So thut dies doch!«
»Sehr gern. Mr. Cutter, sagt einmal: Habt Ihr nicht, um besser sehen zu können, einen Zweig abgeschnitten, als Ihr dort im Busche laget?«
»Ja, das ist richtig. Ihr habt es also gesehen, Sir; das ist erwiesen, sonst könntet Ihr es nicht wissen.«
»Wenn Ihr es gesehen habt, warum habt Ihr es uns da nicht gesagt?« fragte Parker.
»Weil ich das für überflüssig hielt.«
»Oho! Wenn es nun ein Roter gewesen wäre!«
»Ich wußte, daß es ein Weißer war.«
»Unmöglich!«
»Ihr wollt ein Westmann sein und wißt nicht, wie man in dunkler Nacht und ohne ihn zu sehen, einen Weißen von einem Roten unterscheidet!«
»Wollt Ihr mich vielleicht belehren?«
»Nötig wäre es, daß ich es thäte, denn Ihr habt einen noch viel größern Fehler begangen, als dieser war. Ein solcher Fehler kann das Leben kosten.«
»Alle Wetter! Macht mich doch, wenn Ihr die Güte haben wollt, mit diesem lebensgefährlichen Fehler bekannt!«
»Auch diesen Wunsch will ich Euch erfüllen. Könnt Ihr mir vielleicht sagen, was die Roten zu thun pflegen, wenn ihnen ein Weißer echappiert?«
»Natürlich kann ich das. Sie reiten ihm nach, um ihn festzunehmen. Das weiß doch jedermann!«
»Ihr scheint es nicht zu wissen.«
»Wieso? Ihr werdet beleidigend, Sir.«
»Ich will nicht beleidigen, sondern nur warnen. Mr. Cutter ist den Comantschen entwichen. Glaubt Ihr, daß sie ihn nicht verfolgt haben?«
»Zounds! Daran habe ich nicht gedacht!«
»An so etwas soll man aber denken. Die Indsmen werden schon um Old Surehands willen Mr. Cutter verfolgt haben, um ihn unschädlich zu machen.«
»Thunder-storm!« rief da Old Wabble aus, indem er sich mit der Hand an die Stirn schlug. »Das ist richtig, sehr richtig, Sir. Wie konnte ich diese Gefahr so ganz und gar außer acht lassen! Sie sind gewiß, ganz gewiß hinter mir her und werden alles versuchen, meiner habhaft zu werden.«
»Und Ihr habt nicht einmal hier Wachen ausgestellt!«
»Das soll geschehen, sofort geschehen.«
»Genügt aber nicht.«
»Was noch, Sir? Sagt es rasch! Ich werde sogleich thun, was Ihr für nötig haltet.«
Jetzt war es für mich ein wirklicher Genuß, die Gesichter der andern zu sehen. Sie blickten erstaunt von ihm zu mir herüber und von mir zu ihm hinüber, und Parker fragte ihn, indem er große Augen machte:
»Was dieser Master für nötig hält? Glaubt Ihr denn, daß Mr. Charley weiß, was in einer Lage, wie die unsrige ist, zu geschehen hat?«
»Ja, das glaube ich,« antwortete der Gefragte.
10
Blaues Wasser.