Old Surehand I. Karl May

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Old Surehand I - Karl May

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Sollt gleich erfahren, warum. Möchte nur vorher wissen, wer ihr alle seid. Sam Parker kenne ich, der damals seinen ersten Elk bei mir geschossen hat. Wer sind die andern?«

      Parker nannte ihre Namen, deutete dann auf mich und fuhr in leichtem Tone fort:

      »Und der dort ist Mr. Charley, ein deutscher Gelehrter, der nach alten Indianergräbern sucht.«

      Old Wabble richtete sein Auge auf mich, da ich ruhig liegen blieb, und meinte:

      »Nach Indianergräbern? Sonderbare Beschäftigung! Aber doch auch Westmann?«

      »Nein,« fuhr Parker fort. »Er mußte heut drei Probeschüsse thun und hat über zwanzig Schritte weit gefehlt.«

      »Hm, kenne das, habe solche Forscher gesehen, die in die Savanne kamen, um Bücher zu machen, Bücher über die Sprache und Abstammung der einzelnen roten Stämme. Bin ihr Führer gewesen und habe mich krank geärgert. Keiner von ihnen konnte das Messer oder das Gewehr richtig in die Hand nehmen. Die Gelehrsamkeit verdirbt den Menschen; th‘is clear. Aber jetzt eine wichtige Frage an Euch. Möchtet Ihr einige Dutzend Indianerskalps haben?«

      »Warum nicht! Von welchem Stamme?«

      »Comantschen.«

      »Soll mir recht sein, Mr. Cutter. Ist es leicht?«

      »Nicht allzu sehr. Man kann dabei leicht seine eigene Haut riskieren. Fürchtet Ihr Euch?«

      »Das nicht; aber ich pflege erst dann zu spielen, wenn ich die Karten kenne. Ich halte es also für richtig, daß Ihr uns vorher sagt, um was es sich handelt.«

      »Habt Ihr den Namen Old Surehand[8] gehört?«

      Bei diesem Namen ergriff alle eine Bewegung der Ueberraschung, und Parker fragte schnell:

      »Old Surehand? Handelt es sich um den?«

      »Yes. Ihr kennt ihn also?«

      »Natürlich, alle, wenn wir ihn auch nicht gesehen haben. Er ist der beste Schütze im ganzen wilden Westen.«

      »Da ist vielleicht zuviel behauptet. Seine Kugel geht zwar niemals fehl, daher sein Name; aber Winnetou und Old Shatterhand schießen wenigstens ebenso sicher. Ich habe Old Surehand vor einiger Zeit kennen gelernt und allen Respekt für ihn gewonnen. Wir trennten uns vor kurzer Zeit, denn ich mußte in die Gegend von Fort Stanton hinauf und er wollte nach dem Rio Pecos zu den Mescalerosapatschen, um dort nach Winnetou zu fragen und ihn und Old Shatterhand kennen zu lernen. Kurz nach unsrer Trennung erfuhr ich, daß die Comantschen die Kriegsbeile ausgegraben haben; er wußte das nicht, und da sein Weg ihn über ihre Route führte, befand er sich in großer Gefahr; ich lenkte also schnell zurück, um ihn zu warnen, was nicht schwer war, denn ich kannte seinen Weg. Ich holte ihn auch richtig ein; aber der Satan hatte sein Spiel: Wir waren noch keine Viertelstunde bei einander, so wurden wir von einem Comantschenhaufen überrumpelt und überfallen.«

      »Alle Wetter! Waren es viele?«

      »Ueber hundert.«

      »Und ihr nur zwei?«

      »Yes.«

      »Und seid trotzdem entkommen!«

      »Ich wohl, aber nicht er,« antwortete Old , indem sein Gesicht sich in pfiffige Falten legte.

      »Ihr habt ihn allein gelassen?«

      »Yes.«

      »Teufel! War das recht von Euch?«

      Da richtete der Alte seinen Oberkörper auf, machte ein unendlich überlegenes Gesicht und fragte:

      »Wollt Ihr etwa mir, Fred Cutter, den man Old Wabble nennt, Vorwürfe machen? Da seid Ihr nicht der Mann dazu. Merkt Euch das! Ein Gramm List ist oft besser als zehn Kilogramm Pulver; das weiß ich ganz genau. Ja, ich habe mich aus dem Staube gemacht, denn warum nicht? Gegenwehr war nutzlos; darum ergab sich Old Surehand freiwillig. Ich habe gesehen, daß er nicht verletzt worden ist. Sollte ich mich auch ergeben? Dann wären wir beide gefangen gewesen, konnten einander wahrscheinlich gar nichts nützen und niemand hätte von unsrem Schicksale gewußt. Die Comantschen hätten uns am Marterpfahle abgeschlachtet, und es wäre erst nach unsrem sanftseligen Tode ruchbar geworden, daß wir in ihre Hände gefallen und von ihnen mit einem Ticket[9], nach den ewigen Jagdgründen beschenkt worden sind. Nein, solche Pudel schießt Old Wabble nicht! Ich machte mich lieber davon. Ihre Kugeln flogen mir zwar nach, haben mich aber nicht getroffen; th‘is clear, denn sonst würde man die Löcher sehen. Nun bin ich frei und kann Old Surehand heraushelfen. Ist das nicht besser, als wenn ich mich mit ihm hätte gefangen nehmen lassen?«

      »Das mag richtig sein, Mr. Cutter. Aber man wird erzählen, daß Old Wabble vor den Comantschen geflohen ist. Kann Euch das lieb sein, Sir?«

      »Einen Vorwurf kann mir nur ein dummer Kerl draus machen. Ein gescheiter und erfahrener Westmann aber weiß, was und wie er zu denken hat. Was ist wohl leichter, sich ohne Widerstand ergeben oder sich den Fluchtweg durch hundert Rote bahnen?«

      »Das letztere gewiß nicht.«

      »Also! Warum spracht Ihr da vorhin so albernes Zeug! Ich werde Old Surehand herausholen.«

      »Das traue ich Euch zu. Aber wie wollt Ihr das anfangen? Es ist eine schwere und gefährliche Sache.«

      »Das weiß ich gar wohl; aber soll ich diesen braven und berühmten Jäger stecken lassen? Ich dachte sofort an die Dragoner, die da oben hinter dem Mistake-Cañon lagern, und ritt direkt herauf, sie zu Hilfe zu holen.«

      »Werden sie mitgehen?«

      »Ich vermute freilich, daß sie sich weigern, weil sie es auf einen andern Comantschenstamm abgesehen haben, aber ich werde so lange bitten oder drohen, bis sie mir den Willen thun.«

      »Wenn es dann noch Zeit ist!«

      »Well, es eilt freilich sehr. Der Ueberfall geschah heut beim Grauen des Morgens. Hier muß ich mein abgetriebenes Pferd bis früh rasten lassen und erreiche die Truppen also erst morgen abend. Selbst falls sie gleich mit aufbrechen, dauert es zwei Tage, bis wir an Ort und Stelle kommen, wo wir die Comantschen gewiß nicht mehr finden. Wir müssen ihnen also folgen, und es kann wieder zwei Tage oder länger dauern, ehe wir sie einholen. Inzwischen können sie Old Surehand den Garaus gemacht haben. Leider aber weiß ich keinen andern Weg, ihn zu retten. Ich rechne dabei auch auf Euch, Mr. Parker.«

      »Wieso?«

      »Der Kommandant der Truppen giebt mir wahrscheinlich nur einen Teil derselben mit. Ich bitte Euch deshalb, hier zu bleiben, bis ich übermorgen mit ihnen komme, und Euch uns dann anzuschließen. Zehn Westmänner mit zehn guten Gewehren sind eine große Mithilfe.«

      »Ich sage nicht nein, und wie ich meine Gefährten hier kenne, sind sie auch bereit dazu. Ich fürchte eben nur, daß wir zu spät kommen werden. Können wir den Coup denn nicht allein und ohne die Truppen versuchen? Es würden dadurch wenigstens zwei volle Tage gewonnen. Ueberlegt Euch das einmal, Sir!«

      Old Wabble ließ eine prüfenden Blick im Kreise herumgehen; das Resultat desselben schien kein sonderliches zu sein, denn er zog sein Gesicht in bedenkliche Falten und sagte:

      »Euer Anerbieten in allen Ehren, Sir; aber es handelt sich um ein höchst gefährliches Unternehmen. Sind diese Männer hier bereit,

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<p>8</p>

Old Schuhrhännd ausgesprochen (= Sicherhand).

<p>9</p>

Billet, Fahrschein.