Old Surehand III. Karl May

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Old Surehand III - Karl May

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zu sein er gezwungen gewesen wäre, wenn ich den Ritt nach Fenners Farm unternommen hätte. Ich sah, daß er das Pferd Schahko Mattos mit scharfen Kennerblicken nicht nur betrachtete, sondern, sozusagen, abwog und taxierte. Nun stand er auf, ging zu dem Tiere hin, griff in die Satteltaschen, warf alles heraus, was sie enthielten, steckte mehrere Stücke Fleisch hinein, warf seine Silberbüchse über und wendete sich dann mit der Frage an mich:

      »Was sagt mein Bruder zu diesem Osagenhengste?«

      »Seine Lunge ist gesund,« antwortete ich; »seine Sehnen dauern aus, und seine Beine gleichen den Läufen der Antilope. Der Rappe meines roten Bruders mag sich für den Ritt nach Colorado Kräfte sammeln; ich werde ihn unter meine besondere Aufsicht nehmen, und so mag Winnetou diesen Dunkelbraunen besteigen, der ihn schnell hin- und wiederbringen wird.«

      »Uff! Mein Bruder Shatterhand weiß, wohin ich will?«

      »Ja. Wir werden hier liegen bleiben und warten. Du kommst morgen wieder, ehe die Sonne untergeht.«

      »Howgh! Meine Brüder leben wohl!«

      Er schwang sich in den Sattel und ritt von dannen. Er wußte, daß er mir nichts weiter zu sagen brauchte, am allerwenigsten aber Verhaltungsmaßregeln zu erteilen hatte. Anders freilich stand es mit meinen drei Kameraden, welche mich, kaum daß er den Rücken gewendet hatte, nach dem Zwecke und dem Ziele seines nächtlichen Rittes fragten. Ich teilte ihnen das Nötige leise mit, denn die Gefangenen brauchten nicht zu erfahren, daß die Besitzer der bedrohten Farmen gewarnt werden sollten. Hierauf aßen wir, und dann verteilte ich die Wachen, und zwar so, daß ich bis nach Mitternacht schlafen konnte. Die Zeit zwischen da und dem Morgen ist im Prairieleben stets die kritische; da wollte ich munter sein, weil ich mir mehr traute als den Kameraden.

      Nachdem ich meinen drei Genossen die größte Aufmerksamkeit in Beziehung auf die Gefangenen und auf das Feuer eingeschärft hatte, legte ich mich nieder und schlief augenblicklich ein. Es gab ja keine Sorge, welche mir den Schlaf hätte verscheuchen können, Ich schlief so lange, bis mich Dick Hammerdull weckte, welcher die dritte Wache hatte. Ich fand alles in Ordnung und stieg, während mein Vormann sich niederlegte, aus der Vertiefung heraus, um außerhalb der Büsche auf und ab zu schreiten. Dabei überlegte ich mir, was mit den beiden Gefangenen zu geschehen habe.

      An das Leben wollte ich ihnen nicht, obgleich wir durch die Gesetze der Savanne vollberechtigt waren, sie dadurch, daß wir sie töteten, für uns und andere unschädlich zu machen. Aber durfte ihr Mordanschlag ganz ohne Ahndung bleiben? Und wenn nicht, welche Strafe sollten wir für sie wählen? Es kam mir der Gedanke, sie soweit mit uns hinauf nach Colorado zu nehmen, daß inzwischen die geeignete Zeit zum Ueberfalle der Farmen verstreichen mußte; aber es gab gewichtige Bedenken dagegen. Die Gegenwart zweier gefesselter Menschen mußte uns sehr aufhalten und in vielen Beziehungen unbequem werden, ganz abgesehen davon, daß wir sie grad dahin schleppten, wohin sich ihre Rachsucht dann richten mußte. Am besten war es, ich ließ diese Gedanken für einstweilen fallen und wartete, was Winnetou für eine Meinung äußern werde.

      Den Ort, wo sich die Osagen jetzt befanden, kannte ich ganz genau; ich war mit Winnetou schon wiederholt dort gewesen. Die im Herbst nach Süden und im Frühjahre wieder nach Norden ziehenden Büffelherden pflegten immer genau dieselben Wege einzuhalten, Wege, welche stellenweise tief ausgetreten wurden und während des ganzen Jahres kenntlich blieben. An einem solchen Büffelpfade lag das Wara-tu, zu deutsch »Regenwasser«. Es war eine Stelle, ähnlich derjenigen, an welcher wir uns jetzt befanden, nur daß sie weit mehr Gebüsch und Graswuchs hatte und viel tiefer lag, so daß sich das Regenwasser sammeln konnte, ohne selbst in der heißen Jahreszeit ganz zu verdunsten. Winnetou hatte uns absichtlich nach dem Orte geführt, an welchem wir lagerten, denn dieser lag genau in der Richtung, welche von dem Wäldchen, in dem wir die Gefangenen gemacht hatten, nach dem Wara-tu führte. Er schien gewillt zu sein, das »Regenwasser« nach seiner Rückkehr einmal, wenn auch nur von weitem, in das Auge zu nehmen.

      Die Nacht verging, und der Morgen brach an; ich weckte dennoch die Gefährten nicht, sondern ließ sie weiterschlafen. Wir hatten ja nichts vor und konnten die Kräfte, welche der Schlaf uns brachte, später wahrscheinlich gut gebrauchen. Als sie später erwachten, aßen wir als Morgenbrot ein Stückchen Fleisch. Die Gefangenen bekamen nichts; eine Hungerkur von einigen Tagen konnte solchen Menschen gar nichts schaden; ich hatte oft genug gehungert, ohne andern nach dem Leben getrachtet zu haben. Dann legte ich mich wieder zum Schlafen nieder, und so verging uns der Vor- und auch der Nachmittag unter abwechselndem Schlafen und Wachen, bis gegen Abend, wie ich gestern vorausgesetzt hatte, Winnetou zurückkehrte. Er war gegen zwanzig Stunden unterwegs gewesen, hatte keinen Augenblick geschlafen und sah doch so frisch und munter aus, als ob er sich ebenso ausgeschlafen und ausgeruht hätte wie wir. Auch der Dunkelbraune, den er geritten hatte, schien gar nicht überanstrengt zu sein, und ich sah, mit welchem befriedigten, ja stolzen Blicke sein bisheriger Besitzer, der Häuptling der Osagen, dies bemerkte. Ich hatte mir vorgenommen, diesen seinen Stolz in Wut zu verwandeln. Nach den Gesetzen der Savanne gehört der Gefangene nebst allem, was er bei sich hat, demjenigen, in dessen Hände er gefallen ist. Wir brauchten gute Pferde. Winnetous und mein Rappen waren vorzüglich. Dick Hammerdulls Stute war zwar grundhäßlich, aber stark und ausdauernd; er wäre auch nicht dazu zu bewegen gewesen, sich von ihr zu trennen. Treskows Pferd war unter denen, die uns zur Verfügung gestanden hatten, das beste gewesen, hatte sich aber schon in der kurzen Zeit bis heut als ungenügend erwiesen. Ganz dasselbe war mit dem Gaule von Pitt Holbers der Fall. Wir hatten das zwar noch nicht zu beklagen gehabt; aber wenn einmal, was kaum zu vermeiden war, der Fall eintreten sollte, daß die Erreichung eines wichtigen Zweckes oder gar unsere Rettung von der Schnelligkeit unserer Pferde abhing, so hatten wir in den beiden genannten Pferden zwei Hemmschuhe, die uns verderblich werden konnten. Schahko Matto sollte seinen Dunkelbraunen nicht wiederbekommen; das war bei mir eine fest beschlossene Sache und zugleich eine Strafe für ihn, die er jedenfalls verdient hatte.

      Winnetou sprang vom Pferde, nickte uns grüßend zu und setzte sich neben mich. Wir wechselten die Blicke und wußten nun ohne Worte, woran wir waren: er hatte seine Warnung glücklich nach Fenners Farm gebracht, und hier bei uns war nichts Erwähnenswertes vorgekommen; dies hatten wir uns durch diesen Wechselblick gesagt, und Worte waren also unnötig. Treskow, Hammerdull und Holbers freilich sahen ihn erwartungsvoll an; sie waren enttäuscht, daß er nichts sagte, wagten aber doch nicht, ihn mit Fragen zu belästigen.

      Wenn er über seinen soeben beendeten Ritt jedes Wort für überflüssig hielt, so kannte ich ihn doch gut genug, um zu wissen, daß in anderer Beziehung sein Schweigen nicht lange dauern würde. Wir mußten wissen, wie es mit den am »Regenwasser« lagernden Osagen stand, doch lag dieser Ort nicht in der Richtung, welche wir auf dem Wege nach Colorado einzuschlagen hatten. Auch konnten wir, wenn wir die Osagen beschleichen wollten, die beiden Gefangenen nicht mit bis in die Nähe dieser Roten nehmen, wo wir mit der Möglichkeit zu rechnen hatten, daß sie uns wieder abgenommen wurden. Diese Angelegenheit mußte Winnetou ebenso beschäftigen wie mich, und so war ich überzeugt, recht bald darüber eine Aeußerung von ihm zu hören. Ich hatte mich da auch nicht geirrt, denn er saß noch keine fünf Minuten neben mir, so fragte er mich:

      »Mein Bruder Scharlih hat gut ausgeruht. Ist er bereit, jetzt gleich nach dem Wara-tu zu reiten?«

      »Ja,« antwortete ich natürlich.

      »Wir nehmen die Gefangenen bis an die Grenze von Colorado mit, müssen aber wissen, wie es hinter uns mit den Kriegern der Osagen steht. Das wird mein Bruder zu erfahren wissen.«

      »Reitet mein Bruder Winnetou mit ihnen von hier aus auf geradem Wege fort?«

      »Ja.«

      »Wann?«

      »Sobald das hungrige Pferd des Osagen Gras gefressen hat.«

      »Will Winnetou nicht lieber warten bis morgen früh? Er hat die ganze Nacht nicht schlafen können, und wir wissen nicht, ob die nächste Nacht

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