Waldröschen V. Ein Gardeleutnant. Karl May
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Waldröschen V. Ein Gardeleutnant - Karl May страница 8
»Wer sind Sie?« fragte der Major schroff. – »Leutnant Helmers, Herr Major. Ich hörte, daß Ihr Diener Ihnen diesen Namen bereits nannte.«
Mit diesen Worten parierte Kurt den ersten Hieb. Der Major schien dies nicht zu beachten und fuhr fort:
»Sie waren bereits beim Oberst?« – »Zu dienen!« – »Haben Sie Ihre Instruktionen wegen Ihres Eintrittes von ihm empfangen?« – »Allerdings.« – »So habe ich nichts hinzuzufügen. Sie mögen abtreten!«
Er hatte nicht die geringste Miene gemacht, sich zu erheben, der Rittmeister ebensowenig; nur Leutnant Platen war aufgestanden und hatte Kurt mit kameradschaftlicher Freundlichkeit zugenickt. Dieser wandte sich nicht, um das Zimmer zu verlassen, wie erwartet worden war, sondern er ließ seinen Blick über die Herren schweifen und sagte höflich, aber ernst:
»Ich bemerke hier die Abzeichen meiner Schwadron, Herr Major, und bitte um die Güte, mich den Herren vorzustellen. Dann werde ich Ihrem Befehl, ›abzutreten‹, sofort Folge leisten.« – »Die Herren haben Ihren Namen bereits gehört, er ist ja kurz genug, um nicht so schnell vergessen zu werden«, antwortete der Major geringschätzig. »Rittmeister von Codmer und Leutnant von Platen.« – »Danke!« sagte Kurt gleichmütig. »Jetzt kann ich ›abtreten‹, obgleich man sich dieses Ausdruckes nur bei Rekruten, nicht aber bei Offizieren zu bedienen pflegt.«
Im nächsten Augenblick hatte er das Zimmer verlassen. Der Rittmeister sah den Major an und sagte:
»Ein frecher Mensch, auf Ehre!« – »Mir das zu bieten!« rief der Angeredete zornig. – »Pack, bürgerliches Pack! Ohne Anstand und Bildung, wie es ja auch nicht anders zu erwarten war!« beklagte sich eine der Damen. – »Hm, der Herr Kamerad scheint Schneid zu haben«, wagte der Leutnant zu bemerken. »Man muß vorsichtig mit ihm sein. Ich finde ihn gar nicht übel – elegant, schöne Haltung, famoses Gesicht. Wenn er mit dem Säbel ebenso schlagfertig ist wie mit der Zunge, so wird er bald von sich reden machen.« – »Das soll ihm wohl nicht einfallen!« rief der Major. »Man wird ihn darauf aufmerksam machen, daß Duellanten auf die Festung geschickt werden. Ich hoffe, Ihr gutes Herz wird Ihnen keinen Streich spielen, bester Platen.« – »Mein gutes Herz wird nie etwas von mir fordern, was sich nicht mit meiner Ehre verträgt«, antwortete der Leutnant etwas zweideutig.
Die Erscheinung und das ganze Auftreten Kurts hatten ihn sympathisch berührt, und er fühlte, daß er diesem neuen Kameraden nicht in ungerechter Feindseligkeit gegenübertreten könne.
4. Kapitel
Kurt kehrte nach Hause zurück, wo er dem Herzog erzählen mußte, wie er von den Herren empfangen worden war. Als er seinen Bericht beendet hatte, zuckte Olsunna die Achsel und meinte lächelnd:
»Ich habe dies so ziemlich erwartet. Die Garde ist in jedem Land das stolzeste Korps, und hier im Norden soll es ja ein Junkertum geben, das seine alten Traditionen mit außerordentlicher Peinlichkeit verteidigt. Dich darf das nicht beunruhigen, mein lieber Kurt. Während deiner Abwesenheit erhielt ich einige Zeilen vom Großherzog von Hessen, der sich in Berlin befindet, und …« – »Der Großherzog in Berlin?« unterbrach ihn Kurt schnell. »Wie kommt er nach hier? Ich habe ihn ja erst vorgestern in Darmstadt gesprochen.« – »Er ist per Telegraf zum König von Preußen gebeten worden. Ich ersehe aus den Zeilen, daß es sich um irgendeine diplomatische, sehr dringende Angelegenheit handelt. Vielleicht bezieht sie sich auf die Neustellung Hessens zu Preußen, dem es ja im beendeten Krieg feindlich gegenübergestanden hat; vielleicht aber handelt es sich auch um weitläufigere Dinge. Dieser Herr von Bismarck ist ein außerordentlicher Kopf und rechnet mit ungewöhnlichen, kühnen Zahlen. Daß die Gegenwart des Großherzogs so verzugslos gewünscht wird, läßt auf wichtige Dinge schließen. Man gibt ihm dadurch den Charakter eines bedeutenden Mannes, und darum wird sein Einfluß eine größere Tiefe erhalten. Dies freut mich auch um deinetwillen. Der Großherzog bittet mich, zu ihm zu kommen, und ich werde diese Gelegenheit benutzen, ihm zu erzählen, wie man dich, seinen Schützling, den er so warm empfohlen hat, hier empfängt. Ich bin überzeugt, daß er dir zu einer glänzenden Genugtuung verhelfen wird.«
Der Herzog hielt in seiner Rede inne, horchte und trat an das Fenster. Es hielt unten am Tor ein Wagen, doch waren die Insassen desselben bereits ausgestiegen, so daß man sie nicht mehr sehen konnte. Dann ließen sich draußen im Vorzimmer laute, muntere Stimmen vernehmen, und ohne eine Anmeldung durch den Diener wurde die Tür geöffnet. In derselben erschien Rosa Sternau, die einstige Gräfin Rosa de Rodriganda. Hinter ihr erblickte man eine schöne, obgleich nicht mehr ganz junge Dame und einen alten Herrn von sehr distinguiertem Aussehen.
»Ah, gefunden, obgleich ich noch nie in Berlin gewesen bin!« rief Rosa, indem sie näher trat. – »Meine liebe Tochter!« jubelte der Herzog voll freudiger Überraschung. »Wie ist es möglich, Sie hier zu sehen, so sehr bald nach unserer Trennung?«
Sie eilte auf ihn zu, umarmte und küßte ihn und antwortete:
»Ich komme, Ihnen zwei sehr liebe und hochwillkommene Gäste zuzuführen, lieber Papa. Sehen Sie und raten Sie!«
Sie deutete auf die anderen beiden Personen, die hinter ihr eingetreten waren, und der Herzog warf infolgedessen einen forschenden Blick auf dieselben. Sie hatten das Aussehen sehr vornehmer, aber schnell gereister, ermüdeter Touristen. Dieser Ausdruck der Ermüdung war besonders auf dem schönen Angesicht der Dame zu bemerken, denn er wurde bei ihr hervorgehoben durch einen Zug stillen, entsagungsvollen Leidens, welcher in ebendemselben Grad sich auch in den Zügen Rosas de Rodriganda bemerken ließ.
Obgleich der Herzog in dem Herrn sofort einen Engländer erkannte, schüttelte er doch den Kopf und sagte:
»Lassen Sie mich nicht raten, liebe Tochter, sondern erfreuen Sie mich sofort durch die Bezeichnung der Freude, die Sie mir bereiten wollen!« – »Nun wohl!« sagte sie. »Dieser Herr ist der von uns so lange Zeit vergeblich gesuchte und verschollen gewesene Sir Henry Lindsay, Graf von Nothingwell, und diese Dame ist …« – »Miß Amy, die Tochter des verehrten Grafen?« fiel Olsunna schnell ein. – »Allerdings, Papa!«
Da schritt der Herzog auf die beiden zu, streckte ihnen die Hände entgegen und meinte mit vor Freude strahlendem Angesicht:
»Willkommen, von ganzem Herzen willkommen! Wir haben nach Ihnen gesucht und geforscht eine ganze Reihe von Jahren, leider vergeblich. Darum ist es für uns fast wunderbar, Sie so unerwartet bei uns zu sehen.«
Sir Lindsay nickte langsam und bedeutungsvoll mit dem Kopf und erwiderte:
»Wir haben gehört, wie fleißige und sorgfältige Nachforschungen Sie hielten, um uns zu finden. Ich werde Ihnen erzählen, warum diese Nachforschungen ohne Erfolg blieben. Einstweilen will ich bemerken, daß ich aus Mexiko komme, um diplomatische Aufgaben zu lösen. Das letzte Lebenszeichen, das in unsere Hände kam, belehrte uns, daß Gräfin Rosa de Rodriganda in Rheinswalden zu finden sei, und ich konnte meiner Tochter den Wunsch nicht abschlagen, diesen Ort aufzusuchen, bevor ich an meine Geschäfte trete. Wir fanden die Gräfin und hörten, daß Sie, Herzogliche Durchlaucht, hier zu finden seien; darum reisten wir sofort ab, um uns Ihnen vorzustellen.« – »Daran haben Sie wohlgetan, Sir. Es sollte mich freuen, Ihnen in Beziehung Ihrer diplomatischen Sendung von Nutzen sein zu können. Gestatten Sie mir, Ihnen hier meinen jungen Freund, den Leutnant Kurt Helmers, vorzustellen?« —»Helmers? Diesen Namen kenne ich. So hieß ein Steuermann, dessen Bruder ein berühmter Präriejäger war.« – »Der Steuermann war mein Vater«, fiel Kurt ein. – »Ah, Herr Leutnant, so bin ich imstande, Ihnen von Ihrem Vater zu erzählen«, sagte der Engländer. »Leider aber kenne ich sein