Waldröschen X. Erkämpftes Glück. Teil 3. Karl May
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»Ja«, lachte Gerard, »ein Jäger sieht doch etwas mehr als ein Haziendero oder Vaquero. Was ist denn das, Señores?«
Er zog etwas von den Stacheln des Kaktus weg.
»Ein Pferdehaar«, meinte Arbellez. – »Ja, aber von welchem Teil des Pferdes?« – »Es ist ein Schwanzhaar.« – »Welche Farbe hat es?«
Arbellez betrachtete es genau und antwortete dann:
»Schwarz, aber von einem Rappen scheint es dennoch nicht zu sein.« – »Da habt Ihr recht«, meinte Gerard. »Es ist weder von einem Rappen, noch von einem Braunen. Es hat ganz die eigentümliche Melierung, die man nur bei dunklen Rotschimmeln trifft. Das Pferd hat mit dem Schwanz um sich geschlagen, und dabei ist dieses Haar an den Kaktusstacheln hängengeblieben. Das Pferd ist ein Rotschimmel. Es hat hier das Gras niedergetreten, aber eine deutliche Spur ist leider nicht zu sehen.« – »Das ist freilich schade«, meinte Arbellez im Ton des Bedauerns. – »Warum?« – »Rotschimmel gibt es viele, ein Irrtum ist also möglich. Hättet Ihr aber ein so genaues Bild von der Hufspur, wie Ihr sie vom Stiefel des Reiters habt, so wäre ein Erkennen leichter.«
Gerard lächelte in seiner ruhigen und doch überlegenen Weise und antwortete:
»So glaubt Ihr, daß ein solches Bild nicht zu bekommen sei?« – »Woher denn?« – »Am Bach dort. Seht, daß er hier links hinübergeritten ist. Er hat über den Bach gemußt, und dort wird sich wohl ein deutlicher Eindruck der Hufe finden lassen.«
Er hatte recht. Sie folgten ihm nach dem Wasser, und als sie dort ankamen, zeigte der weiche Uferboden ganz deutliche Eindrücke, die eine Papierzeichnung gestatteten.
»So!« meinte Gerard. Jetzt habe ich alles beisammen, und nun darf ich auch nicht säumen, aufzubrechen.«
Er begab sich in sein Zimmer zurück, um seine Waffen zu sich zu nehmen. Dort suchte ihn Resedilla auf, um ihm Lebewohl zu sagen. Sie umschlang und küßte ihn, als ob es gelte, auf ewig von ihm zu scheiden.
»Tröste dich, mein Herz!« bat er sie in beruhigendem Ton. »Wir werden uns ja sehr bald wiedersehen.« – »Kannst du das wirklich behaupten, mein Gerard?« – »Ja, Kind«, antwortete er. – »O nein. Weißt du nicht, daß die anderen nicht wiedergekommen sind, obgleich sie ganz dasselbe glaubten wie du?« – »Sie konnten nicht wissen, was ich weiß. Sie suchten Verlorene, ich aber verfolge Verbrecher.«
Es gelang Gerard wirklich, Resedilla zu beruhigen, und auch die anderen hatten ihn so gut kennengelernt, daß ihn ihr ganzes Vertrauen geleitete, als er endlich mit den zwei Vaqueros aus dem Tor ritt.
Er nahm die Spur da auf, wo sie über den Bach führte, und ließ sie keinen Augenblick lang aus den Augen. Selbst da, wo seine Begleiter nicht das mindeste von ihr merkten, zeigte er eine Sicherheit, die sie in Erstaunen setzte.
So ging es in höchster Eile den ganzen Tag hindurch, bis die Nacht hereinbrach und von einer Fährte nichts mehr zu erkennen war.
»Hier werden wir absitzen und übernachten«, sagte er, auf ein kleines Gebüsch deutend, das am Weg lag. – »Wird das kein Fehler sein?« fragte der eine Vaquero. – »Warum ein Fehler?« – »Hier ganz in der Nähe liegt die Estanzia des Señor Marqueso. Da ist der Mann ganz sicher eingekehrt.« – »Meint Ihr? Hm! Ein Mörder kehrt nicht ein, wenn er von dem Schauplatz seines Verbrechens kommt. Es liegt in seinem Interesse, sich von keinem Menschen sehen zu lassen. Übrigens sind wir ihm sehr nahe gekommen.« – »Wie weit?« – »Ich sah vorhin aus der Spur, daß er kaum noch eine Stunde weit vor uns ist. Sein Pferd ist müde. Morgen früh haben wir ihn sicher und fest.«
In dieser Überzeugung streckte Gerard sich in das Gras, um zu schlafen. Am anderen Morgen, bereits bei Tagesgrauen, wurde der Weg fortgesetzt. Die Pferde hatten ausgeruht und flogen munter über die Ebene hin. Da plötzlich hielt Gerard das seinige an.
»Hier hat er angehalten«, sagte er, auf eine vielfach zertretene Rasenstelle deutend. »Wollen sehen!«
Er sprang ab und untersuchte den Boden im Umkreis.
»Donnerwetter!« rief er dann. »Wo liegt die Estanzia, von der Ihr gestern abend redetet?« – »Da rechts drüben hinter den Büschen.« – »Wie weit hat man hin?« – »Zehn Minuten.« – »Er ist zu Fuß hinüber und zu Pferde wieder zurück. Seht, hier hat er seinen Rotschimmel angepflockt gehabt. Ich will doch nicht hoffen, daß er sich von der Estanzia ein Pferd geholt hat.« – »Das wäre verteufelt!« – »Und doch wird es so sein. Er ist zurückgekehrt, um den Rotschimmel vom Lasso zu befreien und ihn laufenzulassen. Hier habt Ihr die Spur dieses Tieres. Sie führt rückwärts. Der Schimmel ist ledig. Und hier haben wir die Fährte des anderen Pferdes, die nach Süden geht, also in der Richtung, die er ursprünglich eingeschlagen hatte. Reitet auf dieser Fährte langsam weiter. Ich muß nach der Estanzia.«
Sie gehorchten. In zehn Minuten sah Gerard das Haus vor sich liegen. Er sprang vom Pferd und trat in das Zimmer. Ein älterer Mann lag in der Hängematte und rauchte eine Zigarette.
»Seid Ihr der Estanziero Señor Marqueso?« fragte Gerard. – »Ja«, antwortete der Mann. – »Habt Ihr gestern ein Pferd verkauft?«
Da fuhr der Mann aus der Hängematte empor und rief: »Verkauft? Nein, das ist mir nicht eingefallen. Aber mein Fuchs muß sich verlaufen haben. Er war heute morgen fort.« – »Verlaufen? Hm! Könnte er nicht gestohlen worden sein?« – »Das ist allerdings möglich. Ihr seht mich allein, weil alle meine Leute ausgeritten sind, ihn zu suchen.« – »War dieser Fuchs ein schnelles Pferd?« – »Es war mein bester Läufer.« – »Verdammt.« – »Warum?« – »Ich verfolge einen Mörder von der Hacienda del Erina her. Er ritt einen müden Rotschimmel, und ich glaubte, ihn heute vormittag zu erreichen. Nun aber hat er Euch den Fuchs genommen, und ich kann …« – »Donnerwetter! Also doch gestohlen?« unterbrach ihn der Mann. – »Ja. Hatte Euer Fuchs irgendein Zeichen?« – »Ein sehr häßliches. Die rechte Hälfte des Maules ist weiß und die linke schwarz.« – »Danke!«
Damit drehte Gerard sich um.
»Halt!« rief der Mexikaner hinter ihm her. »Wollt Ihr mir nicht wenigstens sagen, wo der Rotschimmel zu suchen ist? Dann hätte ich doch einigermaßen Ersatz.« – »Da drüben bei den Büschen findet Ihr die Spur«, antwortete Gerard, die Richtung mit der Hand bezeichnend.
Zugleich sprang er in den Sattel und galoppierte davon.
Er brauchte nicht weit zu reiten, so erblickte er seine beiden Gefährten, die er schnell einholte. Er teilte ihnen mit, was er erfahren hatte, und machte sie darauf aufmerksam, daß es jetzt gelte, die größte Schnelligkeit zu entfalten. Infolgedessen flogen ihre drei Pferde förmlich dahin, aber die Züge Gerard, der die Spur fest im Auge behielt, blieben finster. Es war ihm anzusehen, daß ihre Schnelligkeit seinen Erwartungen nicht entsprach.
»Dieser Mensch ist klüger, als ich vermutete«, sagte er. – »Er hat wohl gar nicht geschlafen?« fragte einer der Vaqueros. – »Nein. Er hat den Fuchs gestohlen und ist unverzüglich weiter. Heute früh hatte er einen Vorsprung von vier Stunden. Wir sind ihm näher gekommen, aber das genügt nicht, um ihn vor Einbruch der Nacht einzuholen.«
Es zeigte sich, daß seine Berechnung richtig war. Der Mittag ging vorüber, und der Nachmittag verflog auch. Gegen Abend, als es bereits dämmerte, näherten sie sich Santa Jaga.
»Ich hoffe nicht, daß der Kerl durch die Stadt reitet«, meinte der Vaquero. – »Warum nicht?« fragte Gerard. – »Weil wir in der Stadt seine Spur nicht sehen können.« – »Pah. Wir können dann desto besser nach ihm fragen. Übrigens glaube ich nicht, daß er durch