Winnetou 3. Karl May
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Ich schnallte den Lasso von der Hüfte – Sam tat sofort ein Gleiches.
»Die drei Voyageurs bloß,« flüsterte ich, und dann rief ich laut: »Hallo, auf ihr Leute!«
Im Nu fuhren alle empor, sogar Bob, der Neger, aber ebenso schnell flogen auch die Schlingen unserer Lassos zweien der Voyageurs um die Arme und den Oberleib – eine zweite Schlinge, und die Riemen schlossen so fest, daß sie von den Gefangenen nicht gelöst werden konnten. Bernard Marshal hatte, mehr ahnend als begreifend, sich auf den dritten geworfen und hielt ihn fest, bis ich ihn mit seinem eigenen Lasso gebunden hatte. Und dies war so schnell geschehen, daß wir bereits fertig waren, als sich einer der drei Kaufleute ermannte und rief, zu seiner Büchse greifend:
»Verrat, zu den Waffen!«
Sam lachte laut auf.
»Laß deine Feuerspritze in Ruhe, meine Junge; es möchte dir und auch den Andern der Zünder fehlen, hihihihi!«
Der vorsichtige Kleine hatte während meines Lauschens von den drei Gewehren die Zündhütchen genommen, ein Beweis, wie scharf er mich verstand, ohne daß wir ein Wort gewechselt hatten.
»Seid ohne Sorge, ihr Leute, es wird euch nicht das Geringste geschehen!« beruhigte ich sie. »Diese Männer hier wollten uns und euch ermorden; daher haben wir sie bis auf Weiteres unschädlich gemacht.«
Trotz der Dunkelheit war der Schreck zu bemerken, den meine Worte auf sie hervorbrachten, und auch Bob trat eilig näher.
»Massa, wollen sie morden auch Bob?«
»Auch dich!«
»Dann sie sterben, sie hängen in Estaccad‘, viel hoch an Pfahl!«
Die Gefangenen gaben keinen Laut von sich; sie mochten auf die Hilfe der Wachen rechnen.
»Bob, da drüben liegt Williams, und dort der Andere. Bringe sie herbei!« gebot ich dem Neger.
»Schon tot sie?« fragte er mich.
»Nein, aber ohne Besinnung.«
»Werden holen sie!«
Der riesige Schwarze schleppte Einen nach dem Andern auf seinen breiten Schultern herbei und warf sie zu Boden. Sie wurden augenblicklich gebunden. Nun konnten wir endlich sprechen, und ich klärte die drei Kaufleute über das auf, was wir getan hatten. Sie gerieten in eine außerordentliche Wut und verlangten den augenblicklichen Tod der Voyageurs. Ich mußte ihnen widersprechen.
»Auch die Savanne hat ihr Recht und ihre Gesetze. Ständen sie uns mit den Waffen gegenüber, wo dann unser Leben an einem Augenblick hing, so könnten wir sie niederschießen; wie die Dinge aber jetzt stehen, dürfen wir keinen Mord begehen, sondern müssen eine Jury über sie bilden.«
»Oh, oh, ja, eine Jury,« meinte der Neger, erfreut über ein solches Schauspiel, »und dann Bob aufhängen all‘ ganz‘ Fünf!«
»Jetzt nicht! Es ist Nacht; wir haben kein Feuer und müssen warten, bis der Tag anbricht. Wir sind sieben Männer. Fünf können also ruhig schlafen, während zwei immer wachen; dabei sind uns die Gefangenen vollständig sicher, bis die Sonne kommt.«
Ich hatte Mühe, mit meiner Ansicht durchzudringen, brachte es aber endlich so weit, daß fünf sich wieder zur Ruhe legten, während ich mit einem der Kaufleute die Wache bezog. Nach einer Stunde wurden wir abgelöst. Sam übernahm die letzte Wache allein, da um diese Zeit der Tag bereits zu dämmern begann und zwei Augen also vollständig hinreichten, uns die nötige Sicherheit zu bewahren.
Während der ganzen Nacht hatte keiner der Gefangenen einen Laut von sich gegeben; doch als wir uns erhoben, bemerkte ich, daß Williams und sein Kumpan die Besinnung wieder erlangt hatten. Jetzt wurde zunächst gefrühstückt; unsere Pferde erhielten ihre Portion Körner, und dann ward zur Verhandlung geschritten. Sam winkte nach mir und sagte:
»Das ist unser Sheriff ; er wird zum Beispiel jetzt die Jury beginnen.«
»Nein, Sam, den Vorsitz übernehme ich nicht; das wirst du tun!«
»Ich? Heigh-ho, wo denkst du hin? Sam Hawerfield und Sheriff! Wer Bücher schreibt, paßt besser dazu!«
»Ich bin kein Bürger der Vereinigten Staaten und nicht so lange in der Savanne gewesen wie du. Wenn du nicht willst, so muß Bob es tun!«
»Bob? Ein Schwarzer und Sheriff? Das wäre der dümmste Streich, den wir in diesem Sandloche machen könnten, und so muß ich wohl ja sagen, wenn du zum Beispiel gar nicht anders willst!«
Er setzte sich in Positur und nahm eine Miene an, aus welcher deutlich zu erkennen war, daß bei diesem Savannengerichte wenigstens dieselbe Sorgsamkeit und Gerechtigkeit obwalten solle, wie bei der Jury einer zivilisierten Grafschaft.
»Nehmt Platz im Kreise, Mesch‘schurs; ihr alle seid Schöffen, und Bob, der Neger, bleibt stehen, denn er wird der Constabel sein!«
Bob zog den Gurt seines Säbels fester an und suchte auf seinem Gesichte die möglichste Würde hervorzubringen.
»Constabel, nimm den Gefangenen die Fesseln ab, denn wir sind in einem freien Lande, und in einem solchen stehen selbst die Mörder mit freien Gliedern vor ihrem Richter!«
»Aber wenn ausreißen all‘ fünf, so – — —« wagte der Neger einzuwenden.
»Gehorchen!« donnerte ihn Sans-ear an. »Von diesen Männern wird keiner entfliehen, denn wir haben ihnen die Waffen genommen, und ehe sie zum Beispiel zehn Schritte getan hätten, wären unsere Kugeln schon bei ihnen!«
Die Riemen wurden abgelöst, und die Gefangenen richteten sich, noch immer kein Wort sprechend, in die Höhe. Jeder von uns Anderen hatte seine Büchse zur Hand; an eine Flucht war also wirklich nicht zu denken.
»Du nennst dich Williams,« begann Sam. »Ist dies dein richtiger Name?«
Der Gefragte entgegnete mit grimmiger Miene:
»Ich werde euch nicht antworten. Ihr selbst seid Mörder; ihr selbst habt uns überfallen; ihr selbst gehört vor ein Savannengericht.«
»Tue, was du willst, mein Junge; du hast deinen freien Willen. Aber ich sage dir, daß Schweigen als ein Geständnis gilt. Also – bist du ein wirklicher Voyageur?«
»Ja.«
»Beweise es! Wo hast du deine Briefe?«
»Ich habe keine.«
»Gut, mein Junge, das genügt vollständig, um zu wissen, woran man mit dir ist! Willst du mir wohl sagen, was du gestern abend während deiner Wache mit deinem Kameraden gesprochen und beschlossen hast?«
»Nichts! Kein Wort ist gesprochen worden.«
»Dieser ehrenwerte Mann hier hat euch belauscht und alles deutlich gehört. Ihr seid keine Westmänner, denn ein echter Savannenläufer würde die Sache viel gescheiter angefangen haben.«
»Wir