Winnetou 4. Karl May

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Winnetou 4 - Karl May

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keinen Anklang fänden, so würden wir eben darauf verzichten, sie zu drucken. Das versteht sich doch wohl von selbst!«

      »Ist das Euer Ernst?«

      »Ja.«

      »Sagt, hat Eure Reise nach Deutschland noch andere Zwecke?«

      »Nein. Ich habe keinen Grund, Euch zu verheimlichen, daß ich nur dieser Eurer drei Bücher wegen herübergekommen bin.«

      »So tut es mir leid, daß Ihr diese Reise so ganz umsonst gemacht habt. Ihr bekommt die Bücher nicht.«

      Ich war wahrend dieser Worte aufgestanden. Auch er erhob sich von seinem Stuhl. Er war nicht imstande, die völlig unerwartete, große Enttäuschung zu verbergen, die ihn ergriff. Sein Blick wurde ängstlich, und seine Stimme vibrierte, als er fragte:

      »Verstehe ich Euch da recht, Sir? Ihr wollt den ,Winnetou‘ nicht verkaufen?«

      » Wenigstens nicht an Euch. Ich gebe meine Bücher nicht einzeln zur Uebersetzung. Wer eins oder nur einige wünscht, der ist gezwungen, sie alle zu nehmen.«

      »Aber wenn ich Euch nun für diese drei Bände so viel zahle, wie Ihr für alle verlangt?!«

      »Auch dann nicht.«

      »Seid Ihr denn gar so reich, Mr. May?«

      »Nein, keineswegs. Von Reichtum ist bei mir keine Rede. Ich habe nichts als mein gutes, für mich und meine Zwecke grad so zureichendes Auskommen, mehr nicht. Aber das genügt mir vollständig. Und wenn Ihr meine Erzählung ,Winnetou‘ wirklich kennt, so wißt Ihr, daß ich überhaupt nicht nach Reichtum trachte, sondern nach höherstehenden, wertvolleren Gütern, mit denen ich meine Leser erfreuen und segnen will. Dazu ist notwendig, daß meine Bücher den richtigen Verleger finden, und daß Ihr der nicht sein könnt, davon habt Ihr mich soeben überzeugt.«

      Meine Frau sah und hörte es mir an, daß an diesem meinem Entschluß nicht zu rütteln war. Der Yankee tat ihr leid. Er stand mit einer Miene und in einer Haltung vor uns da, als ob ein nicht wieder gut zumachendes Unheil über ihn hereingebrochen sei. Er zögerte, meinen Bescheid als mein letztes Wort zu betrachten. Er machte Einwendungen. Er brachte Gründe. Er gab Versprechungen, doch vergeblich. Schließlich, als gar nichts helfen wollte, sagte er:

      »Ich gebe die Hoffnung trotz alledem nicht auf, daß ich den ,Winnetou‘ doch noch von Euch bekomme. Ich sehe, daß Mrs. May dieser Sache viel weniger abgeneigt ist, wie Ihr. Beratet Euch mit ihr, und gebt mir Zeit, inzwischen mit meinem Bruder, der doch mein Kompagnon ist, zu reden.«

      »Wollt Ihr dann etwa wieder herüberkommen? Das würde ebenso nutzlos sein wie Eure jetzige Reise,« erklärte ich.

      »Herüber zu kommen, habe ich nicht nötig, weil Ihr ja, wie ich höre, baldigst hinübergeht. Gebt mir irgendeine Adresse da drüben an, und bestimmt mir einen Tag, an dem Ihr dort zu treffen seid, so stelle ich mich ein.«

      »Auch das hätte keinen Erfolg!« versicherte ich.

      »Könnt Ihr das jetzt schon wissen? Ist es nicht möglich, daß ich nach der Besprechung mit meinem Bruder Euch ein Anerbieten machen kann, welches Euern Zwecken und Wünschen besser entspricht als das heutige?«

      Ich fühlte, daß er innerlich davor zitterte, auch noch hiermit abgewiesen zu werden. Auch ich hatte Mitleid, aber ich durfte diesem Gefühl nicht die Herrschaft über meine Entschlüsse einräumen. Das Herzle bombardierte mich mit bittenden Blicken, und als dies nicht schnell genug wirken wollte, ergriff sie gar meine Hand. Da sagte ich:

      »Gut, so mag es sein. Geben wir uns Zeit zum überlegen! Meine Frau war noch niemals mit da drüben. Sie erwartet ganz besonders, den Niagarafall zu sehen. Wir werden also von New York aus mit dem Hudsondampfer nach Albany fahren und von da mit der Bahn nach Buffalo, von wo aus es bis zu den Fällen nur noch eine Stunde ist. In Niagara-Falls wohnen wir auf der kanadischen Seite, und zwar im Clifton-Hotel, wo ich – — —«

      »Das kenne ich; das kenne ich sehr gut!« unterbrach er mich. »Da ist man sehr gut aufgehoben. Ein Hotel allerersten Ranges, still, vornehm, mit allen Errungenschaften der Neuzeit ausgestattet und – — —«

      » Well!« fiel nun ich ihm in die Rede, um ihm dieses Lob, mit dem er nur sich selbst in das Licht stellen wollte, abzuschneiden. »Wenn Ihr es kennt, so ist es ja gut. Also dort sind wir zu finden.«

      »Wann?«

      »Das weiß ich jetzt noch nicht. Am besten ist es, Ihr setzt Euch mit der Verwaltung dieses Hauses in Verbindung, daß sie Euch von unserer Ankunft sofortige Nachricht gibt.«

      »Richtig! Das ist das beste, und das werde ich tun!«

      Dabei blieb es. Es gab hüben und drüben noch einige höfliche Abschiedsworte, dann war dieser Besuch, der viel größere Wichtigkeit besaß, als selbst ich jetzt dachte, beendet.

      Das Herzle konnte nicht ganz mit mir zufrieden sein. Sie ist so sehr zum Mitleid und Erbarmen geneigt, und der ängstliche, gequälte Blick dieses Mannes wollte ihr noch tagelang nicht aus dem Sinn kommen.

      Sie meinte, daß ich nicht höflich genug und zu abweisend mit ihm verfahren sei.

      »Warum tatest du das?« fragte sie.

      »Weil er mich belog«, antwortete ich. »Weil er nicht offen und ehrlich war. Weißt du, wer er ist?«

      »Ja.«

      »Nun, wer?«

      »Einer der beiden übriggebliebenen Söhne jener unglücklichen Familie, deren Glieder alle durch Selbstmord sterben.«

      »Ja, das ist er allerdings, aber zugleich auch etwas anderes. Er heißt nicht Enters.«

      »Du glaubst, er führt einen falschen Namen?«

      »Ja.«

      »Hältst ihn also für einen Schwindler, einen Hochstapler?«

      »Nein. Grad weil er ein ehrlicher Mann ist, trägt er nicht seinen eigentlichen, richtigen Namen. Er schämt sich desselben. Ich vermute sogar, daß er nur infolge meiner drei Bände ,Winnetou‘ auf diesen Namen verzichtete.«

      Sie war so erstaunt hierüber, daß sie mich weiterzufragen vergaß. Darum fuhr ich unveranlaßt fort:

      »Hältst du es für möglich, daß ich überzeugt bin, seinen wirklichen Namen zu wissen?«

      »Sage ihn!« forderte sie mich auf.

      »Dieser Mann heißt nicht anders als Sander.«

      Da warf sie mir im höchsten Erstaunen die atemlose Frage hin:

      »Welchen Sander meinst du? Den Mörder von Winnetous Vater und Schwester?«

      »Ja. Der Mann, der bei uns war, ist sein Sohn.«

      »Unmöglich, unmöglich!«

      »Gewiß, gewiß!«

      »Beweise es!«

      »Das ist eigentlich gar nicht nötig. Du müßtest es ebenso schnell und leicht erraten haben wie ich.«

      »Wirklich? Bis jetzt erkenne ich nur das Eine, daß du ihn für einen Lügner hältst, weil er sich Enters anstatt Sander nennt.«

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