Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May

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Lindsay. »Hinaus! Totschlagen diese Houndcatchers, diese Hundejäger!«

      Er nahm die Büchse bei dem Laufe und wollte sich wirklich auf die Kurden werfen. Ich faßte ihn aber und hielt ihn zurück.

      »Seid Ihr des Teufels, Sir?« rief ich. »Wollt Ihr um Eure schöne Patent-Nase kommen? Bleibt doch, wo Ihr seid!«

      »Warum? Der Augenblick ist gut. Drauf, Master, drauf!«

      »Unsinn! Hier sind wir sicher, draußen aber nicht.«

      »Sicher? Hm! So legt Euch auf das Kanapee und haltet Mittagsruhe, Master! Dummheit, die Kerle laufen zu lassen! Well!«

      »Nur ruhiges Blut! Seht Ihr, daß sie sich zurückziehen? Sie haben eine gute Lehre erhalten, an die sie denken werden.«

      »Schöne Lehre! Kostet sie nur ein paar Pferde!«

      Da legte mir der Bruder des Scheiks die Hand auf den Arm.

      »Emir,« sagte er, »ich danke dir! Du konntest so viele und noch mehr von ihnen töten, als Pferde draußen liegen, und du hast es nicht getan. Du bist ein Christ, aber Allah wird dich schützen!«

      »Siehst du ein, daß unsere Waffen den euren überlegen sind?«

      »Ich sehe es.«

      »So geh hinaus zu den Bebbeh und erzähle es ihnen!«

      »Ich werde es tun. Was wird aber mit dem Scheik?«

      »Er bleibt hier. Ich gebe dir eine ganze Viertelstunde Zeit. Bist du dann noch nicht mit der Botschaft des Friedens zurückgekehrt, so wird der Scheik an dieser Wurzel da oben aufgehängt. Zweifle nicht daran! Ich bin es müde, mit einem unverständigen Feinde zu kämpfen.«

      »Und wenn ich Frieden bringe?«

      »So gebe ich den Scheik frei.«

      »Und was er von dir verlangte?«

      »Gebe ich nicht.«

      »Auch nicht seine Flinte und seine Pistolen?«

      »Nein. Er trägt die Schuld des Angriffes, den wir soeben abgeschlagen haben; er hat nicht die geringste Nachsicht mehr zu erwarten. Wir sind die Sieger. Tue, was du willst!«

      Er ging, und ich hatte nur zunächst darauf Bedacht, meine Gewehre wieder zu laden. Dabei lag mir der Hund zu Füßen und winselte vor Freude, obgleich ihm vor Erschöpfung die Zunge aus dem Maule hing.

      »Was denkst du, Emir,« fragte Amad el Ghandur; »hat er den Wächter der Pferde erbissen, bei dem er zurückgeblieben ist?«

      »Ich hoffe es nicht. Ich will annehmen, daß er den Mann verlassen hat, weil ihm die Zeit zu lang geworden ist. Er hat den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht bei ihm gewacht; das arme Tier ist fürchterlich ermattet. Halef, gib ihm zu fressen! Erst später wird er Wasser lecken dürfen.«

      Der Scheik lag gebunden am Boden und sprach kein Wort; aber seine Augen folgten jeder unserer Bewegungen. Man sah es ihm an, daß er niemals unser Freund sein könne.

      Wir harrten mit Spannung auf den Bescheid, den wir von den Bebbeh erhalten würden. Sie hielten eng beieinander, und wir sahen aus der Lebhaftigkeit ihrer Gestikulationen, daß ihre Beratung eine stürmische sei. Endlich kehrte unser Bote zurück.

      »Ich bringe den Frieden, Herr,« sagte er.

      »Unter welcher Bedingung?«

      »Unter keiner.«

      »Das hatte ich nicht erwartet. Du scheinst sehr eifrig für uns gesprochen zu haben. Ich danke dir!«

      »Verstehe mich wohl, ehe du mir dankest, Herr! Ich bringe dir zwar den Frieden, aber auch die Bebbeh gehen auf keine Bedingung ein.«

      »Ah! Und das nennen sie einen Frieden? Gut, so werde ich mich sicher stellen. Sage ihnen, daß ich den Scheik, deinen Bruder, als Geisel mit mir nehmen werde.«

      »Wie lange wirst du ihn behalten?«

      »So lange als es mir gefällt; so lange, bis ich sicher bin, daß ich nicht verfolgt werde. Dann wird er unbeschädigt entlassen.«

      »Ich glaube dir. Erlaube, daß ich es meinen Brüdern sage!«

      »Gehe hin und gebiete ihnen, sich bis an die Berge zurückzuziehen, welche die Ebene dort begrenzen. Sobald ich merke, daß sie uns folgen, stirbt der Scheik.«

      Er ging, und bald sahen wir, daß alle Bebbeh, beritten und unberitten, langsam nach Norden zogen. Er selbst aber kam wieder, um sein Pferd zu holen.

      »Emir,« sagte er, »ich war dein Gefangener; gibst du mich frei?«

      »Ja. Du bist mein Freund. Hier nimm die Pistolen deines Bruders. Nicht ihm, sondern dir gebe ich sie zurück. Die Flinte aber bleibt das Eigentum des Mannes, dem ich sie geschenkt habe.«

      Er blieb bei uns, bis man den Scheik auf sein Pferd gebunden hatte und wir vollständig marschbereit waren. Dann reichte er mir die Hand.

      »Lebe wohl, Herr! Allah segne deine Hände und deine Füße! Du nimmst einen Mann mit dir, der dein Feind und nun auch der meinige ist, und dennoch empfehle ich ihn deiner Güte; denn er ist der Sohn meines Vaters.«

      Er sah uns lange nach, bis wir verschwunden waren; der Scheik aber hatte keinen Blick für ihn gehabt; es war sicher, daß sie Feinde geworden waren.

      Wir behielten die südliche Richtung bei. Halef und Allo hatten den Scheik zwischen sich genommen, und außer einigen kurzen Bemerkungen, die zuweilen nötig waren, wurde der Weg mit Schweigsamkeit verfolgt. Ich merkte es den Gefährten an, daß mein Verhalten während der letzten Tage nicht ihren Beifall hatte. Es fiel zwar keine Bemerkung darüber, aber es war aus ihren Blicken, aus ihren Mienen und aus ihrem ganzen mürrischen Wesen zu erkennen. Ein offenes Aussprechen wäre mir lieber als diese Verschlossenheit gewesen. Auch die uns umgebende Natur war keine freundliche. Wir ritten über öde Bergkuppen, nackte Hänge, finstere Schluchten; es wurde am Abend so kalt und zugig, wie im Winter, und die Nacht, welche wir zwischen zwei gegeneinander geneigten Felsen zubrachten, vermochte es nicht, eine andere Stimmung in uns zu erwecken.

      Kurz vor Tagesgrauen nahm ich meine Büchse, um irgend ein Wild zu beschleichen. Nach langem Suchen gelang es mir, einen armen Dachs zu schießen, den ich als einzige Beute zum Lager brachte. Die Gefährten waren bereits alle munter. Ein Blick, den Halef mir unbeobachtet zuwarf, sagte mir, daß während meiner Abwesenheit irgend etwas vorgegangen sei. Um zu erfahren, was es sei, brauchte ich gar nicht lange zu warten; denn ich hatte mich kaum niedergelassen, so fragte Mohammed Emin:

      »Emir, wie lange sollen wir diesen Bebbeh noch mit uns schleppen?«

      »Wenn du ein längeres Gespräch beabsichtigst,« antwortete ich, »so entfernt vorher den Gefangenen, der jedenfalls ebenso gut das Arabische versteht, wie sein Bruder.«

      »Allo mag ihn in seine Obhut nehmen.«

      Ich folgte diesem Vorschlage, führte den Scheik an eine entferntere Stelle und ließ ihn da in der Obhut des Köhlers, dem ich bedeutete, daß er die größte Achtsamkeit auf den Gefangenen zu verwenden habe. Dann kehrte ich zu den andern zurück.

      »Jetzt sind wir unbelauscht,« meinte Mohammed Emin, »und ich wiederhole meine Frage, wie lange wir den Bebbeh

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