Anna Karenina, 1. Band. Лев Николаевич Толстой
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„Es sind Flensburger, Ew. Excellenz, keine von Ostende.“
„Also Flensburger und frisch?“
„Erst gestern erhalten.“
„Dann wollen wir also zuerst mit den Austern beginnen, und darauf den ganzen Plan verändern. Nicht so?“
„Mir ganz gleichgültig. Lieber als alles ist mir Schtschi und Kascha,1 aber beides giebt es hier wohl nicht.“
„Kascha à la russe befehlt Ihr?“ frug der Tatar, wie eine Amme über das Kind, sich zu Lewin beugend.
„Nein, ohne Scherz, was du wählst, wird gut sein; ich bin Schlittschuh gefahren und möchte essen; denke nicht“, wandte er sich an Oblonsky, auf dessen Gesicht er einen Ausdruck der Unzufriedenheit bemerkte, „daß ich deine Wahl nicht hochschätzte, ich werde mit Vergnügen etwas Gutes mit speisen.“
„Das wäre auch! Magst du sagen was du willst, das Essen ist einer der Genüsse des Lebens,“ antwortete Stefan Arkadjewitsch. „Also bringe denn, lieber Freund, zwei oder drei Dutzend Austern für uns, und Suppe mit Schwarzwurzel“ —
„Printanière,“ verbesserte der Tatar, aber Stefan Arkadjewitsch wollte demselben doch nicht den Triumph einer französischen Korrektur in der Benennung der Speisen belassen.
„Mit Schwarzwurzel, verstehst du? Hierauf turbot mit steifer Sauce, dann Roastbeef; sieh zu, daß alles gut ist; auch Kapaune mögen kommen und Konserven.“
Der Tatar, welcher die Gepflogenheiten Stefan Arkadjewitschs kannte, die Speisen nach der französischen Karte zu benennen, wiederholte nicht mehr, sondern machte sich nun das Vergnügen, den ganzen Auftrag nach der Karte französisch zu wiederholen: „Soupe printanière, turbot sauce Beaumarchais, poulard à l'estragon, conserves de fruits“ und wie auf Sprungfedern fortgeschnellt holte er, die eingebundene Karte niederlegend, eine andere, die Weinkarte herbei und brachte sie Stefan Arkadjewitsch.
„Was werden wir trinken?“
„Ich trinke was du willst, aber nicht viel; etwas Champagner,“ antwortete Lewin.
„Was? Gleich zum Anfang? Indessen ganz recht so. Ziehst du Weißsiegel vor?“
„Caché blanc“, verbesserte der Tatar.
„Also gieb diese Marke zu den Austern, wir werden ja sehen.“
„Zu Diensten, und ist noch ein Likör gefällig?“
„Ja wohl, bring den klassischen Jablis.“
„Zu Diensten. Ihr befehlt doch Euren gewöhnlichen Käse?“
„Gewiß, Parmesan. Oder liebst du etwa einen anderen mehr?“
„Nein, mir ist alles gleich,“ sagte Lewin, nicht imstande, ein Lächeln unterdrücken zu können.
Der Tatar mit den wehenden Frackschößen eilte davon und in fünf Minuten flog er herbei mit einer Schüssel geöffneter perlmutterglänzender Austern und einer Bouteille.
Stefan Arkadjewitsch entfaltete die gestärkte Serviette und steckte sie an seiner Weste fest, worauf er sich den Austern zu widmen begann.
„Ah, nicht übel,“ sagte er, mit der silbernen Gabel die schlüpfrigen Austern von der Perlmutterschale lösend und sie eine nach der andern verschluckend. „Nicht übel,“ wiederholte er, die feuchtschimmernden Augen bald auf Lewin, bald auf den Tataren richtend.
Lewin nahm gleichfalls Austern zu sich, obwohl ihm Weißbrot und Käse lieber gewesen wäre, aber er richtete sich nach Oblonskiy; der Tatar aber, welcher mittlerweile den Pfropfen gelöst und den moussierenden Wein in die schlanken Gläser eingeschenkt hatte, schaute gleichfalls mit eigenartigem Lächeln, seine weiße Halsbinde in Ordnung bringend, auf Stefan Arkadjewitsch.
„Liebst du nicht Austern sehr?“ sagte Stefan Arkadjewitsch, seinen Kelch leerend, „oder bist du nicht bei Laune?“
Er wünschte, daß Lewin heiterer Laune sein möchte, aber anstatt daß dies der Fall war, empfand derselbe vielmehr eine gewisse Beengtheit. Mit alledem, was er in seinem Innern fühlte, war es ihm seltsam und unbequem im Hotel, innerhalb dieser Kabinette, wo man mit Damen dinierte, unter diesem Laufen und Hasten; diese Bronze ringsum, die Spiegel, das Gas, diese Tataren, all das war ihm lästig und er fürchtete, damit die Empfindung zu beflecken, die seine Seele erfüllte.
„Ich? Ja, ich bin nicht recht in Stimmung; überdies jedoch beengt mich hier die Umgebung,“ antwortete er. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie alles das hier für mich, einem einfachen Landmann, wunderlich ist; ebenso wunderlich, wie die Fingernägel des Herrn, den ich bei dir gesehen habe“ —
„Ja, ja, ich bemerkte wohl, daß die Fingernägel des armen Grinjewitsch dich sehr interessierten,“ meinte Stefan Arkadjewitsch lachend.
„Ich kann nicht anders,“ versetzte Lewin. „Bemühe dich, mir einmal nachzufühlen, stelle dich auf den Gesichtspunkt eines Landmannes. Wir auf dem Dorfe bemühen uns, unsere Hände in einem Zustande zu erhalten, der sie geeignet macht zur Arbeit; zu diesem Zwecke schneiden wir uns die Nägel, streifen wir die Rockärmel empor. Hier aber lassen die Leute ihre Nägel stehen, so lange sie sich nur erhalten können, und haken sich Spangen wie kleine Schüsseln an, nur damit sie mit den Händen nichts zu thun haben.“
Stefan Arkadjewitsch lächelte heiter.
„Dies ist ein Zeichen davon, daß hier grobe Arbeit nicht nötig ist. Hier arbeitet eben nur der Geist.“
„Mag sein. Aber dennoch erscheint mir das seltsam; ebenso, wie es mir jetzt wunderlich vorkommt, daß wir Landbewohner uns bestreben, möglichst schnell zu essen, um wieder in Stand gesetzt zu sein zu arbeiten, während ich jetzt mit dir zusammen so lange als möglich speise, und zu diesem Zwecke noch Austern esse.“
„Läßt sich begreifen,“ sagte Stefan Arkadjewitsch, „aber hierin liegt ja eben der Ausgangspunkt der Kultur: aus allem sich einen Genuß zu verschaffen.“
„Wenn dies das Ziel der Kultur sein soll, dann wünschte ich lieber wild zu bleiben.“
„Bleibe immerhin wild. Ihr Lewins seid alle wild.“
Lewin seufzte. Er gedachte seines Bruders Nikolay und es wurde ihm schwer und traurig zu Mute, so daß er die Stirne runzelte, Oblonskiy aber begann soeben von einem Gegenstand zu sprechen, der ihn sogleich hiervon abzog.
„Also fahren wir denn heute Abend zu unseren Schtscherbazkiys?“ frug Stefan Arkadjewitsch, die leeren, rauhen Schalen beiseite schiebend und den Käse heranziehend, während sein Auge bedeutungsvoll erglänzte.
„Ja, ich werde unfehlbar fahren,“ antwortete Lewin, „obwohl mir schien, als wenn die Fürstin mich nicht gern eingeladen hätte.“
„Was sagst du doch da! Das ist Unsinn, es ist das so ihre Manier – he, Freund, gieb die Suppe jetzt! Es ist das so ihre Manier, als grande dame,“ sagte Stefan Arkadjewitsch. „Ich werde ebenfalls mit hinkommen, doch muß ich auch noch auf eine Weile zur Gräfin Bonina. Du bist aber doch zu seltsam! Wie soll ich es nur erklären, daß du so plötzlich aus Moskau verschwandest? Die Schtscherbazkiy haben mich ununterbrochen nach dir
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Russische Grützbreispeise.