Anna Karenina, 1. Band. Лев Николаевич Толстой
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Draußen vor der Thür erklangen schlürfende Schritte; eiligst setzte er die Gewichte beiseite.
Der Verwalter trat ein und meldete, daß alles Gott sei Dank gut gegangen sei, berichtete indessen auch, daß der Buchweizen auf der neuen Darre von unten angebrannt wäre.
Diese Nachricht erregte Lewin. Die neue Darre war zum Teil von Lewin selbst erfunden und konstruiert, der Verwalter war stets gegen diese Darre gewesen und er meldete jetzt mit einer gewissen versteckten Genugthuung, daß der Buchweizen angebrannt sei.
Lewin war der festen Überzeugung, daß man, wenn dies geschehen war, lediglich nicht diejenigen Maßnahmen getroffen, welche er zum hundertstenmale wohl angeordnet hatte. Er empfand Verdruß und machte seinem Verwalter Vorwürfe. Dann aber gab es auch ein wichtiges und erfreuliches Ereignis: Pawa, die beste, teuerste Kuh, – sie war auf einer Ausstellung gekauft worden – hatte gekalbt.
„Kusma, gieb mir den Pelz. Bitte, laßt eine Laterne nehmen,“ wandte er sich an den Verwalter, „ich will gehen, um nachzusehen.“
Der Stall für die wertvollen Kühe befand sich gleich hinter dem Wohnhause. Nachdem er über den Hof an dem Schneehaufen bei der Salzpfanne vorübergeschritten war, betrat er den Stall.
Ein warmer Düngergeruch quoll ihm entgegen, als er die angefrorene Thüre aufriß, und die Kühe, verwundert über den ungewohnten Schein der Laterne, raschelten auf dem frischen Stroh.
Hier dämmerte ein glatter, schwarzgefleckter breiter Rücken einer holländischen Kuh hervor, dort lag ein mächtiger Zuchtstier, und wollte aufstehen, besann sich aber eines anderen und schnob nur ein paarmal wütend, als man an ihm vorüberschritt.
Pawa, die Schönheit unter den Prachtexemplaren, groß wie ein Nilpferd, hatte sich, vor den Eintretenden ihr Kalb sichernd, mit dem Hinterteil gedreht, und beschnob es jetzt.
Lewin näherte sich, beschaute die Pawa und hob das rotgefleckte junge Kalb auf die schwachen langen Beine. Erzürnt brummte die alte Kuh auf, beruhigte sich aber, als Lewin ihr das Kalb wieder zuschob; laut schnaufend begann sie dasselbe mit rauher Zunge zu lecken. Das Kalb suchte mit der Schnauze tastend das Euter der Mutter und ringelte den Schwanz.
„Leuchte hierher, Theodor, hierher mit der Laterne,“ sagte Lewin, das Kalb betrachtend. „Nach der Mutter! Es ist gleich, daß das Junge in der Farbe nach dem Vater geraten ist. Das Kalb ist hübsch, nicht so, Wasiliy Fjodorowitsch?“ er wandte sich mit diesen Worten an seinen Verwalter, jetzt völlig versöhnlich gestimmt gegen denselben bezüglich des Buchweizens unter dem Einfluß des freudigen Ereignisses der Geburt des Kalbes.
„Wie sollte es sich auch schlecht befinden können? Übrigens ist der Aufkäufer Semjon seit dem Tage nach Eurer Abreise hier; man wird mit ihm unterhandeln müssen, Konstantin Dmitritsch,“ sagte der Verwalter. „Über die Maschine habe ich Euch schon Meldung gemacht.“
Diese einzige Mitteilung versetzte Lewin wieder in alle Einzelheiten des Gutslebens hinein, welches so groß und so verwickelt war, und so begab er sich sogleich aus dem Kuhstall nach dem Kontor, sprach hier mit dem Inspektor und dem Aufkäufer Semjon, und schritt dann nach dem Wohnhause woselbst er sich geradenwegs in das Gastzimmer hinaufbegab.
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Das Haus war groß und altertümlich und Lewin, obwohl er es allein bewohnte, heizte das ganze Gebäude und hatte alle Räume desselben in Gebrauch. Er wußte, daß dies nicht eben klug war; er wußte, daß es sogar von üblen Folgen und seinen jetzigen neuen Plänen zuwiderlaufe, aber dieses Haus war für ihn die ganze Welt.
Es war die Welt in welcher seine Eltern gelebt hatten und gestorben waren. Sie hatten das nämliche Leben geführt, wie es Lewin als Ideal der höchsten Vollkommenheit erschien und welches er gewähnt hatte mit einer Gattin, mit einer Familie weiterführen zu können.
Lewin hatte seine Mutter kaum gekannt. Der Begriff Mutter war für ihn nur noch ein geheiligter Gedanke, und eine künftige Gattin mußte in seiner Vorstellungskraft nur die Wiederholung jenes reizvollen geheiligten Ideals von Weib sein, als das ihm die Mutter galt.
Die Liebe zu einem Weibe vermochte er sich ohne Ehe nicht nur nicht vorzustellen, er stellte sie sich vielmehr sogar nur als Familie vor. Seine Begriffe von Heirat waren daher den Auffassungen der Mehrzahl seiner Bekannten unähnlich, für welche dieselbe nur eines jener zahlreichen Geschäfte des Lebens im allgemeinen bildete.
Für ihn war sie die Hauptthat des Daseins, von welcher sein ganzes künftiges Glück abhing. Jetzt aber sollte er einem solchen entsagen.
Als er in den kleinen Salon getreten war, wo er den Thee zu trinken pflegte und sich in seinen Lehnstuhl mit einem Buch niedergelassen hatte, während Agathe Michailowna ihm den Thee brachte, und sich mit ihrem gewohnten „darf ich mich setzen, Batjuschka,“ auf den Stuhl am Fenster setzte, da fühlte er, daß er, so seltsam dies auch sein mochte, von seinen Gedanken sich nicht trennen, daß er ohne sie nicht leben konnte.
Ob mit ihr oder mit einer anderen, aber – es mußte sein! Er las in seinem Buche, er dachte nach über das, was er gelesen hatte, und hörte dann damit auf, um den Worten Agathes zu lauschen, welche in einem fort schwatzte, während sich ihm gleichwohl dabei bunte Bilder aus dem Gutsleben und aus einem zukünftigen Familienleben zusammenhangslos vor das geistige Auge drängten. Er fühlte, daß auf dem Grund seiner Seele Etwas ruhte, was noch gefesselt lag.
Er hörte die Erzählung Agathe Michailownas an, wie Prochor Gott vergessen habe und das Geld, welches ihm Lewin gegeben hatte, daß er dafür ein Pferd kaufe, in Saus und Braus verjubelt und obenein sein Weib halbtot geprügelt hätte; er hörte und las dabei in seinem Buche und überdachte den Gang seiner Gedanken, die durch die Lektüre angeregt worden waren.
Es war das Buch von Tyndall über die Wärme. Er erinnerte sich seiner absprechenden Urteile über Tyndall wegen dessen Selbstbewußtsein in der Gewandtheit der Ausführung von Experimenten und darüber, daß Tyndall der philosophische Blick nicht zureiche.
Dann aber fiel ihm plötzlich wieder der erfreuliche Gedanke bei, daß nach Verlauf von zwei Jahren in seinem Stalle wohl zwei holländische Rinder stehen würden und daß da auch noch die Pawa lebendig sein könnte und zwölf andere junge Töchter des großen Zuchtstiers da sein müßten, die ihrerseits wieder mit jenen dreien sich kreuzen konnten.
Er blickte wieder in sein Buch.
„Nun gut; Elektricität und Wärme sind ein und dasselbe, aber ist es denn möglich zur Entscheidung der Frage eine Größe für die andere einsetzen zu können? Nein! Was folgt nun hieraus? Es existiert ein gemeinsames Band unter allen Naturkräften und dieses wird vom Instinkt empfunden. – Es wird übrigens ganz reizend werden wenn das Kälbchen der Pawa erst eine buntgescheckte Kuh sein wird und ich meine ganze Herde mit jenen drei mischen kann.“
Ausgezeichnet!
Wenn man dann so mit der Frau zusammen hinausgeht und den Gästen die uns besuchen, eine solche Herde vorstellen kann. Dann sagt wohl die Hausfrau, „wir haben dieses Kälbchen hier, ich und mein Kostja, zusammen wie ein Kind auferzogen.“
„Wie kann Euch ein Kalb so sehr interessieren?“ würde der Gast sagen.
„Nun, alles was meinen Gatten interessiert,