Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten. Johann Gottlieb Fichte
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Читать онлайн книгу Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten - Johann Gottlieb Fichte страница 4
Gotthelf ist sein Liebling unter seinen Brüdern, neben dem nur noch Gottlob öfters erwähnt wird; seiner – nächst seinem stets am höchsten verehrten Vater – gedenkt er auch in dem Tagebuche über seine Reise nach Warschau besonders herzlich (I, 119); ihn macht er schon hier sanft auf einen Fehler aufmerksam; ihn sucht er, wie wir später sehen werden, ganz zu sich heran zu bilden. An ihn ist auch der folgende Brief gerichtet, in welchem er mit größter Offenheit über die – an sich wohl ganz erklärlichen, ja von einem beschränkten Standpunkte aus sogar natürlichen – Erwartungen und Zumuthungen von Seiten seiner Familie (an denen namentlich seine Mutter wesentlichen Antheil hatte; vgl. unten den 12. Brief) seinem Herzen Luft macht, welches hier, erfreulicher Weise nur vorübergehend, einen ziemlich hohen Grad von bitterer Gereiztheit zeigt, da er wie Faust »in seinem dunkeln Drange sich seines rechten Weges wohl bewußt« war. Diesem Bruder hatte er auch, wie der Anfang dieses Briefes anzudeuten scheint, seine Vertheidigung gegen jene Anforderungen aufgetragen, welche freilich nicht gelang.
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Erst gestern, mein lieber Bruder, habe ich Deinen Brief erhalten, und heute antworte ich Dir, weil morgen Posttag ist. Schon fing ich an zu glauben, mein lezter Brief sei zu hart gewesen; er reute mich, und ich war im Begrif in einem gelindern Tone mich zu beklagen.
Dank Dir, Bruder, daß Du Deine Aufträge so richtig ausgerichtet hast, daß er mich eben nicht mehr reuen darf. – Doch reut er mich auch noch. Ich habe Worte verlohren.
Ich fragte nicht etwan an, ob man meine Maasregeln billigte? Es scheint, man hat meinen Brief falsch verstanden. Das weiß ich allemal schon vorher, daß nie etwas wird gebilligt werden, was ich thue; und dies ist nun eben auch mein geringster Kummer. Aber wie wäre auch das zu billigen, daß ich schon wieder nicht in meinem Dienste geblieben bin; daß ich wieder keinen Herrn habe? Die Leute haben in ihrer Art ganz Recht. – Ich fragte nur, ob man mir etwan deswegen nicht schriebe, weil man meine Maasregeln nicht billigte? Daß es mich verdroß, daß man that, als ob ich gar nicht mehr in der Welt war, läugne ich nicht. Daß Du selbst, Bruder, so in ganzem Ernste die Nachlässigkeit im Briefschreiben auf mich zurükschieben; daß Du das ohne Erröthen niederschreiben; daß Du Deine Feder dazu leihen konntest, wundert mich doch. »Ich würde nicht geschrieben haben, wenn man mich nicht aufgesucht hätte« – Ei! wer ist denn so klug, daß er weiß, was ich gethan haben würde? Ich kann im Gegentheil versichern, daß ich darum keinen Tag eher, und keinen später geschrieben hatte. Ich schrieb, sobald ich konnte (im eigentlichen Sinne des Wortes konnte) Hätte ich eher gekonnt, so hätte ich es eher gethan: hätte ich auch dann noch nicht gekonnt, so hätte es auch dann bleiben müßen. Wer hat denn aber seitdem auf 3. bis 4. Briefe aus der Schweiz – auf den, den ich sogleich nach meiner Ankunft in Leipzig schrieb, nicht geantwortet? mir nicht einmal einen Empfangsschein zugeschikt? Wüste ich nicht sicher, daß sie richtig abgegeben wären, so müste ich fest glauben, sie seien untergeschlagen.
Denen es so sehr leid thut, daß ich nicht mehr in der Schweiz bin, will ich den Gefallen auch thun. Ich reise Anfangs Aprills wieder in die Schweiz zurük, um nie wieder nach Sachsen zu kommen. – Was will man denn wohl mit diesem Bedauern? mit diesem Verheimlichen? Du hättest mich Dir sehr verbindlich gemacht, wenn Du mir die Ursachen davon geschrieben hättest. Nimmt man vielleicht die Maske, als ob es einem um meine Wohlfahrt sei? O, wer kann denn über meine Wohlfahrt aus seinem engen Gesichtspuncte so dreist urtheilen? Wer weiß denn die Gründe meines Abgehens in der Schweiz? wer weiß denn das, was mich bewogen hat, wieder nach Leipzig zu gehn? wer weiß denn, wie es mir in Leipzig geht? Man muß scharfsinniger sein, als ich bis jetzt gewust habe. – Oder ist es ihnen nur darum zu thun, mich recht weit von sich zu wißen? O! ich mag weit oder nahe sein, so sind sie immer sehr sicher, daß ich mich ihnen nicht nahe. Laß sie glauben, ich bin gar tod; das ist noch weiter als die Schweiz. – Oder ist ihnen nur das zuwider, daß sie nicht mit mir, nach ihrer Art, Staat machen können? Mögen sie doch immer sagen, ich sei irgendwo ein Dorf Pfarrer. Ich werde nicht kommen, und ihnen widersprechen. – Beßer konnte man nicht sagen, daß man sich meiner schäme. Aber laß sie es immer sagen. Ich will mich ihrer nicht schämen.
Daß man mein Glück wünscht, würde mich noch mehr freuen, wenn man mir zugleich, – mir, der ich schon längst mündig bin, der ich wohl etwas von der Welt kennen sollte, der ich wenigstens eben so viel weiß, als sie – erlauben wollte, es nach meiner Art zu suchen.
Dies in Antwort auf Deine Aufträge. Richte es so pünctlich aus, als Du Dich derjenigen an mich erledigt zu haben scheinst. Jezt blos an Dich.
Ich habe in meinem lezten Briefe auf niemand weniger gezielt, als auf Dich. Du bist jung und Dir war eine solche Nachläßigkeit im Briefschreiben eher zu verzeihen. Daß ein Brief an mich entworfen gewesen ist, glaube ich. Aber warum nicht fortgeschickt? Daß ich in Dreßden sei, war ein sehr albernes Gerücht, und es war übereilt ihm zu glauben. Da ich mich nicht scheue, irgend jemand unter die Augen zu gehen, so würde ich von Dreßden aus nicht ermangelt haben, meinen Aufenthalt zu wißen zu thun. Eben so sicher war darauf zu rechnen, daß, wenn ich meinen Aufenthalt auf eine andere Art verändert hätte, ich es eben so richtig würde gemeldet haben, als ich meine Ankunft in Leipzig meldete. Sind also alles dies nicht leere Entschuldigungen, wie ich nicht glauben will, so gründen sich doch alle diese Muthmaaßungen auf eine sehr verkehrte Meinung von meinem Character, und diese freut micht nicht. In Dreßden bin ich vorigen August 2. Tage gewesen. Ich habe nicht geglaubt Ursache zu haben, mich vor irgend jemand zu versteken.
Daß ich Dich, mein Bruder, noch liebe wie sonst, versichere ich Dich mit eben der Offenheit, mit der ich Dir es frei heraussagen würde, wenn Du bei mir verloren hättest. Ich denke der Tage, da ich in Dir die einzige gute Seele fand, die mich liebte, und mit der ich ein Wort reden konnte, wie ichs reden mochte. Gott erhalte Dein Herz unverdorben! und dann erhalte mir Deine Freundschaft auch in der Entfernung; ob es gleich nicht scheint, daß wir einander in diesem Leben wiedersehen werden.
In Absicht des Briefwechsels werde ich es immer halten, wie jezt. So oft Du mir schreibst, erhältst Du den nächsten Posttag