Der Kunstreiter, 1. Band. Gerstäcker Friedrich

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kunstreiter, 1. Band - Gerstäcker Friedrich страница 7

Der Kunstreiter, 1. Band - Gerstäcker Friedrich

Скачать книгу

haben recht!« rief Madame Bertrand, aufspringend und rasch ein Fenster öffnend, »es ist hier auch entsetzlich heiß, und Vater hat dabei wieder einmal so gequalmt.«

      »Der Vater!« flüsterte der Rittmeister leise vor sich hin, und fast krampfhaft faßte die Linke den Tisch, an dem er sich emporrichtete.

      »Sie wollen schon wieder fort?« rief da Georgine, mit einem halb erstaunten, halb bittenden Blick.

      »Ich darf Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«

      »Aber Sie stören mich gar nicht, und wenn Sie Geschäfte mit Georg…«

      »Geschäfte nicht, Madame, aber – ich wünschte ihn zu sprechen,« unterbrach sie der Graf, »und – ich sehe auch keinen Grund, weshalb ich Ihnen die Ursache verschweigen sollte. Eine merkwürdige Aehnlichkeit, die er mit einem meiner früheren Freunde hat, läßt mich wünschen, ihn kennen zu lernen – möglich, daß es nur eben eine Aehnlichkeit ist, aber ich würde ihm sehr dankbar sein, wenn er mich vielleicht morgen früh zwischen acht und zehn Uhr besuchen wollte. Meine Karte hier haben Sie wohl die Güte ihm zu überreichen.«

      »Graf Wolf von Geyerstein,« las Georgine, sich leise und lächelnd dabei gegen den jungen Offizier verneigend, »ich werde nicht ermangeln, Ihren Auftrag pünktlich auszurichten, Herr Graf. Aber – wissen Sie wohl, daß das ein recht eigenes Zusammentreffen ist?«

      »Welches, Madame?«

      »Daß Sie Georg einer Aehnlichkeit wegen aufsuchen wollen,« sagte die junge Frau, »während gerade Sie, Herr Graf, auch mir einer Aehnlichkeit wegen von Anfang an aufgefallen sind.«

      »Und wem sah ich ähnlich?« flüsterte der Graf, und seine Blicke hafteten fest und stier auf den Augen des schönen Weibes.

      »Keinem so entsetzlichen Wesen, als Sie zu glauben scheinen,« lächelte schalkhaft Georgine, »nur – einem früheren Geliebten von mir – meinem jetzigen Manne.«

      »Georg Bertrand?«

      »Demselben – wenigstens damals, als er noch nicht einen so furchtbaren Bart trug wie jetzt.«

      »Sie sind schon längere Zeit verheiratet, Madame?«

      »Leider!« seufzte Georgine mit komischem Bedauern.

      »Leider?«

      »Ich weiß nicht, ob Sie vermählt sind, Herr Graf, aber – es ist doch ein anderes Ding um einen Liebhaber, als um einen Ehemann, und Monsieur Bertrand ist, besonders in der letzten Zeit, so ernst – ja, ich möchte fast sagen, finster geworden, als ob er die ganze Lust an seiner Kunst verloren hätte.«

      »Und wenn dem wirklich so wäre?«

      »Wenn dem so wäre?« lachte Georgine. »Sie reden gerade, als ob er von seinen Renten leben könnte! Er hat weiter nichts gelernt, als die sogenannte »brotlose Kunst«, die uns aber doch ein ganz hübsches Brot abwirft, und die Dressur der Pferde, in der er Meister ist. Sollte er aber jetzt, wo er so viele in seinem Dienste gehabt, selber Dienste bei einem Herrn nehmen und Bereiter werden? Er hielte es nicht vierundzwanzig Stunden aus.«

      »Und finden Sie selber Freude an diesem Beruf – an dieser Kunst, wenn Sie wollen?«

      »Ich lebe und atme darin!« rief Georgine, und ihre Augen leuchteten, ihre ganze Gestalt hob sich. »Auf dem Rücken meines Tieres bin ich ein anderes Wesen, gehöre ich dieser Erde kaum mehr an, und was dem Fisch das Wasser, der Pflanze das Licht sein mag, ist mir der jauchzende Beifall der Menge, die buntgeschart mich umgibt. Ich schwimme dann in einem Meer von Glanz und Licht und Wonne, und – erwache erst, wenn diese Wände hier aufs neue mich umgeben – einschließen.«

      »Und das ist doch ein unnatürlich Leben,« sagte der junge Graf, »das Haus ist eigentlich des Weibes schönster Wirkungskreis.«

      »Nicht der meine!« rief Georgine, indem ein trotziges Lächeln ihre schönen Lippen umspielte. »Das Haus? – ja, für die Weiber, die nähen und stricken und Freude an ihrem Wäschschrank finden können. Mein Wirkungskreis liegt draußen in der Bahn; ich tanze, fliege durch das Leben, und so – so möcht' ich enden, wenn es denn einmal geschieden, gestorben sein muß. Aber Sie sind Soldat. Sie können sich am besten, am leichtesten in solche Sehnsucht denken. Und möchten Sie, wie Sie da vor mir stehen, als Mann, das Leben eines Stubenhockers, eines Aktenmenschen, wählen, der über seinen staubigen Papieren brütet und Licht und Luft und Sonnenschein da draußen ungesehen, unbeachtet wirken, schaffen, segnen läßt? Sie nicht, Sie wahrlich nicht, und gerade so denk' auch ich. Von klein auf zu diesem Beruf herangebildet, hab' ich mit der Muttermilch schon die Lust an solchem Leben eingesogen, und wem das nun einmal im Blute liegt, glauben Sie nicht, daß der sich einer geregelten – einer festgeschnürten Existenz möcht' ich es nennen, einem Gang in der Tretmühle des menschlichen Lebens je wieder fügen könne. Zugvögel, die wir sind, müssen wir auch die Freiheit des Zugvogels behalten, wenn wir nicht verkümmern, nicht untergehen sollen.«

      »Und denkt Ihr Gatte ebenso?«

      »Gewiß – er wäre sonst nicht der, der er ist: Bertrand, der kühnste aller Reiter und – mein Mann. Aber ich plaudere und plaudere und denke nicht daran, daß es Sie wenig kümmern wird, welche Gesinnungen über ihr Leben eine Kunstreiterin hegt. Von Ihren Sphären sind wir freilich ausgeschlossen, und doch, – wer weiß, ob nicht so wackere Herzen oft unter dem bunten Tand, mit dem wir uns behängen müssen, wie unter Stern und Ordensbändern schlagen! Doch mein Geschwätz ermüdet Sie; nehmen Sie wieder Platz, Herr Graf, und – wenn Sie es wünschen und etwas Besonderes mit Monsieur Bertrand zu bereden haben, will ich ihn rufen lassen. Der Zirkus ist nur wenige Schritte von hier entfernt.«

      »Ich danke Ihnen, Madame,« unterbrach sie der Rittmeister. »Meine Zeit ist überdies heute beschränkt, wie die seine wahrscheinlich. Morgen früh wird ihm eher Raum bleiben, mir eine halbe Stunde zu gönnen. Meine Wohnung finden Sie auf der Karte angegeben. Ich darf Sie bitten, ihm meinen Wunsch mitzuteilen?«

      »Ihr Auftrag soll pünktlich vollzogen werden,« sagte die Frau, und der Rittmeister, indem er sich dankend verbeugte, grüßte sie achtungsvoll und verließ das Zimmer.

      Georgine blieb, die Unterlippe mit den kleinen, weißen Zähnen gefaßt, wohl mehrere Minuten in derselben Stellung am Fenster. Sie hielt die Karte, die er ihr gegeben, noch in der Hand, und ihre Augen hafteten darauf.

      »Kalt wie Eis,« murmelte sie dann mit einem spöttischen und doch auch wieder verdrießlichen Lächeln vor sich hin, »aber – was er nur von Georg will, denn die Aehnlichkeit war leere Ausrede – Graf Wolf von Geyerstein, Rittmeister – hier – und Adjutant des Fürsten? – Sollte der Fürst – vielleicht wegen des Turmseiles? aber, bah! was hat der mit dem Kunstreiter zu schaffen, daß er einen seiner Adjutanten zu ihm schicken würde? Auch war der Herr Rittmeister nicht in Uniform, sondern in Zivil; er hat sich vielleicht geschämt, in Uniform bei uns gesehen zu werden. Aber er wollte Georg sprechen, nicht mich. – Doch, was zerbreche ich mir den Kopf?« rief sie plötzlich, die Karte neben sich auf den Tisch werfend. »Ob Herr Graf Wolf von Geyerstein Ursache hat den Kunstreiter Bertrand aufzusuchen oder nicht – was kümmert's mich! Georg mag das selber untersuchen. Die ganze Sache läuft doch nur zuletzt auf einen Pferdekauf hinaus.«

      »Ist er fort?« sagte in diesem Augenblicke der Alte, der seinen Kopf wieder zur Türe hereinsteckte.

      »Wie du siehst, ja,« erwiderte gleichgültig die Frau, »dort unten geht er eben über die Straße.«

      »War gerade noch so ein Musjö da, der dich sprechen wollte.«

      »So? – Wer?«

      »Der

Скачать книгу