Goethes Briefe an Leipziger Freunde. Johann Wolfgang von Goethe

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Goethes Briefe an Leipziger Freunde - Johann Wolfgang von Goethe

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forsan? Ne rideatis amici.

      Dieß ist das wahre Bild von diesem großen Mann,

      So gut als ich es nur durchs Beyspiel geben kann.

      Nun nimm geliebter Freund die jetzt beschriebnen Stücke

      So zeiget glaub es mir sich Gottsched deinem Blicke.

      Ich sah den großen Mann auf dem Catehder stehn,

      Ich hörte was er sprach und muß es dir gestehn.

      Es ist sein Fürtrag gut, und seine Reden fließen

      So wie ein klarer Bach. Doch steht er gleich den Riesen,

      Auf dem erhabnen Stuhl. Und kennte man ihn nicht

      So wüßte man es gleich weil er steets prahlend spricht.

      Genug er sagte viel von seinem Kabinette

      Wie vieles Geld ihn das und jen's gekostet hätte.

      Und andre Dinge mehr, genug mein Freund Ich muß schließen. Du weißt doch er hat eine Frau. Er hat wieder geheurahtet, der alte Bock! Ganz Leipzig verachtet ihn. Niemand geht mit ihm um.

      Apropos. Hast du nicht gehört? Der Hofraht beklagt sich über den Mangel der Mädgen zu Göttingen.

      Zu was will er ein Mädchen?

      Um die retohrischen Figuren auszuüben

      Und nach der neuesten Art recht hübnerisch38 zu lieben

      Zu sehn ob die Protase ein hartes Herz erweicht.

      Zu sehn ob man durch Reglen der Liebe Zweck erreicht

      Zu sehn ob Mimesis, die Ploce, die Sarkasmen

      So voller Reitzung sind wie Neukirchs39 Pleonasmen

      Und ob er in dem Tohne, wie er den Ulfo singt,

      Mit des Corvinus40 Versen, das Herz der Schönen zwingt.

      Und ob – Mein Blat ist voll ich werde schließen müssen.

      Die Mädgen meiner Stadt und Kehren sollt ihr grüßen.

      d. 6. Nov. 1765.

Goethe.

      III

      Lieber Riese.

      Ich habe euch lange nicht geschrieben. Verzeiht es mir. Fragt nicht nach der Ursache! Die Geschäfte waren es wenigstens nicht. Ihr lebt vergnügt in M. ich lebe hier eben so. Einsam, Einsam, ganz einsam. Bester Riese diese Einsamkeit hat so eine gewisse Traurigkeit in meine Seele gepräget.

      Es ist mein einziges Vergnügen,

      Wenn ich entfernt von jedermann,

      Am Bache, bey den Büschen liegen,

      An meine Lieben denken kann.

      So vergnügt ich aber auch da bin, so fühle ich dennoch allen Mangel des gesellschaftlichen Lebens. Ich seufze nach meinen Freunden und meinen Mädgen, und wenn ich fühle daß ich vergebens seufze

      Da wird mein Herz von Jammer voll,

      Mein Aug wird trüber,

      Der Bach rauscht jetzt im Sturm vorüber,

      Der mir vorher so sanft erscholl.

      Kein Vogel singt in den Gebüschen,

      Der grüne Baum verdorrt

      Der Zephir der mich zu erfrischen

      Sonst wehte, stürmt und wird zum Nord,

      Und trägt entrissne Blüten fort.

      Voll zittern flieh ich dann den Ort,

      Ich flieh und such in öden Mauern

      Einsames Trauern.

      Aber wie froh bin ich, ganz froh. Horn hat mich durch seine Ankunft einem Teil meiner Schwermuht entrissen. Er wundert sich daß ich so verändert bin.

      Er sucht die Ursach zu ergründen,

      Denkt lächlend nach, und sieht mir ins Gesicht.

      Doch wie kann er die Ursach finden,

      Ich weiß sie selbsten nicht.

      Euer Brief redet von Geyern. Glaubt denn der ehrliche Mann, daß hier die Auditores hundert weise säßen. Er war ja ehemals in Leipzig. Aber, nicht wahr, wie leer waren seine Hörsäle.

      Ich muß doch ein wenig von mir selbst reden.

      Ganz andre Wünsche steigen jetzt als sonst

      Geliebter Freund in meiner Brust herauf.

      Du weißt, wie sehr ich mich zur Dichtkunst neigte,

      Wie großer Haß in meinem Bußen schlug,

      Mit dem ich die verfolgte, die sich nur

      Dem Recht und seinem Heiligthume weihten

      Und nicht der Mußen sanften Lockungen

      Ein offnes Ohr und ausgestreckte Hände

      Voll Sehnsucht reichten. Ach du weißt mein Freund,

      Wie sehr ich (und gewiß mit Unrecht) glaubte,

      Die Muße liebte mich und gäb mir oft

      Ein Lied. Es klang von meiner Leyer zwar

      Manch stolzes Lied, das aber nicht die Musen,

      Und nicht Apollo reichten. Zwar mein Stolz

      Der glaubt es, daß so tief zu mir herab

      Sich Götter niederließen, glaubte, daß

      Aus Meisterhänden nichts Vollkommners käme,

      Als es aus meiner Hand gekommen war.

      Ich fühlte nicht, daß keine Schwingen mir

      Gegeben waren, um empor zu rudern.

      Und auch vielleicht, mir von der Götter Hand,

      Niemals gegeben werden würden. Doch

      Glaubt ich, ich hab sie schon und könnte fliegen.

      Allein kaum kam ich her, als schnell der Nebel

      Von meinen Augen sank, als ich den Ruhm

      Der großen Männer sah, und erst vernahm,

      Wie viel dazu gehörte, Ruhm verdienen.

      Da sah ich erst, daß mein erhabner Flug,

      Wie er mir schien, nichts war als das Bemühn

      Des Wurms im Staube, der den Adler sieht

      Zur Sonn sich schwingen, und wie der hinauf

      Sich sehnt. Er sträubt empor, und windet sich,

      Und ängstlich spannt er alle Nerven an

      Und bleibt am Staub. Doch schnell entsteht ein Wind,

      Der hebt den Staub in Wirbeln auf. Den Wurm

      Erhebt er in den Wirbeln auf. Der glaubt

      Sich groß, dem Adler gleich, und jauchzet schon

      Im Taumel. Doch auf einmahl zieht der Wind

      Den Odem ein. Es sinkt der Staub hinab,

      Mit ihm der Wurm. Jetzt kriecht er wie zuvor.

      Werdet nicht über meinen Galimathias böse. Lebt wohl. Horn will meinen Brief einschließen. Grüßt den Kehr. Schreibt. Habt mehr Collegia in Zukunft. Horn soll 5 nehmen. Ich 6. Lebt wohl. Gewöhnt euch keine academistische Sitten an. Liebt mich. Lebt wohl. Lebt wohl.

      Leipzig d. 28 Ap. 1766.

Goethe.

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<p>38</p>

Joh. Hübner, der bekannte Geograph und Historiker, hatte auch „Fragen aus der Oratorie“ (Leipzig 1726-30. 5 Bde.) geschrieben.

<p>39</p>

Benjamin Neukirch, Schlesischer Dichter, st. 1729.

<p>40</p>

Corvinus, Advokat und Poet in Leipzig, st. 1746.