Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich страница 3
Die Leute exercirten allerdings den ganzen Vormittag und als die Seebrise mit dem nahenden Abend das Land bestrich, begannen sie noch einmal, und die Meisten hatten sich schon gemerkt, was Links und Rechts war. Als indeß der ganze Tag verlief, ohne daß sich ein feindliches Segel blicken ließ, und am nächsten und nächstfolgenden Mosquera's Flotte immer noch auf sich warten ließ, erkaltete der Eifer, und man fing an, seinen gewohnten Beschäftigungen wieder nachzugehen. Sie mußten das ja auch, wenn sie überhaupt leben wollten, denn wer denkt in diesem Klima daran, sich Vorräthe von dem anzulegen, was er gerade braucht! An der Insel lagen ein kleiner Schooner und zwei Wallfischboote, die angelaufen waren, um Früchte zu kaufen; diese mußten ihre Ladung bekommen, und die Fischer durften ebenfalls nicht länger müßig liegen, denn Alles murrte, daß kein einziger frischer Fisch im ganzen Orte zu finden war.
Man tröstete sich sogar damit, daß die ganze Flottengeschichte nicht wahr sei. Der liebe Gott wüßte, welches Märchen man den Leuten von der Anna in Buenaventura aufgebunden hatte. Mosquera dachte wahrscheinlich gar nicht daran, sie in ihrem abgelegenen Fischerdorf zu belästigen, und ihre Vorsichtsmaßregeln waren unnütz gewesen – hatten aber freilich nur jenen leichtsinnigen Menschen Schaden gethan, die sich verleiten ließen, so Hals über Kopf Schießwaffen und Munition zu kaufen. Was sollten sie jetzt mit den alten Schießeisen anfangen?
In einem neugebauten Haus, das sich durch die noch nicht wettergebräunten Tragestämme und das helle, frische Dach deutlich von den anderen unterschied, auch auffallend sauberer gehalten war und oben, statt der sonst gewöhnlich halb oder ganz fehlenden Seitenwände, neue Bambusseiten zeigte, deren regelmäßig eingeschnittene Fenster mit einer dort gebräuchlichen Art von Bambusjalousien verhangen waren, wohnte ein Señor Ramos mit seiner Familie, der vor etwa drei Monaten mit seiner Frau, einem Kinde und zwei schwarzen Dienstleuten hierher übersiedelte, gleich nach seiner Ankunft den Platz kaufte und das Haus darauf baute.
In jenen glücklichen Ländern nämlich braucht man zu einem Hausbau keine Maurer, Zimmerleute, Tischler, Dachdecker, Tüncher, Glaser, Schlosser, Tapezierer und wie die schrecklichen Menschen alle heißen, die einem Bauherrn das Leben bis in das innerste Herzblut hinein vergiften, so daß er tagtäglich das Bauen auf ewige Zeiten verschwört. Wer sich ein »Haus« bauen will, accordirt dasselbe mit einem Eingeborenen, der sich entweder von seiner eigenen Familie helfen läßt, oder ein paar Nachbarn zur Arbeit nimmt, dann werden die dazu nöthigen Stämme im Walde frisch gefällt, Einer spaltet die jungen Palmen, die zu Boden oder Wänden benutzt werden sollen, indem man sie einhackt und ausbreitet, ein Anderer holt das Schilf oder die Palmenblätter zum Dach und schnürt sie mit Bast in Büschel zusammen. Wenn einmal die Löcher gegraben sind, in welche die Pfähle zu stehen kommen, die den oberen und einzigen Stock tragen sollen, so ist auch das Haus in einer einzigen Woche fertig, und kann bezogen werden. Die Häuser stehen dort alle auf Pfählen. Es ist das viel gesünder und luftiger und auch des vielen Ungeziefers wegen nöthig, das sich unten auf dem Boden weit zahlreicher einfinden würde. Nur in den kleinen Städten haben die Kaufleute ihre Läden unten, indem sie einen Palmen- oder Bambusverschlag um die unteren Stämme machen, aber auch sie wohnen oben. Ueberhaupt würde es Niemandem einfallen, auf der feuchten Erde zu schlafen, wenn er sich nicht gerade draußen im Wald befindet, und dazu gezwungen ist.
Señor Ramos muthete das nicht einmal seinen Dienstleuten zu, sondern setzte noch ein kleines Nebenhaus für diese an, das zwar seine besondere Leiter hatte, mit dem Hauptgebäude aber im ersten Stock durch einen schmalen und schwanken Bambussteg verbunden war, der Abends durch eine vorgebundene und mit einer Matte bedeckte Gitterthür von dem nämlichen Material abgesperrt wurde.
Señor Ramos mußte – wenn die Vermuthung der Leute von Tomaco richtig war – ein sehr reicher Mann sein, denn er arbeitete nicht allein Nichts – das thaten sehr Viele in Tomaco – er verkaufte auch Nichts, und bezahlte Alles, was er brauchte – wenn das auch nicht viel war – baar und in blankem Silber. Er verließ auch sein Haus nur sehr selten, schrieb aber dort fleißig, und nur, wenn der englische Dampfer kam, fuhr er mit dem Capitän an Bord zurück, blieb dort, bis das kleine Fahrzeug wieder zu arbeiten anfing, und kehrte nachher in seinem eigenen Canoe, das sein Neger ruderte, an Land und in sein Haus zurück.
Er war, wie man recht gut wußte, ein Feind Mosquera's und ein getreuer Anhänger der Regierung von Panama, denn er hatte, als er hierher zog, kein Hehl daraus gemacht. Trotzdem kaufte er sich weder bei Señor Renard eine von dessen alten Musketen, noch exercirte er mit in der Sonne am Strand, und als ihn der Postmeister direct dazu aufforderte, sich an der Nationalvertheidigung zu betheiligen, meinte er, er könne schon exerciren, und wenn es wirklich zum Kampf käme, würde er neben dem Postmeister fechten, – eine Sache, die der Postmeister – allerdings aber nur im Stillen – für sehr unwahrscheinlich fand, denn er selber war noch gar nicht mit sich einig, ob er es soweit würde kommen lassen.
Zweites Capitel.
Die erste Crinoline
Jetzt herrschte wieder Ruhe auf Tomaco. Fünf Tage waren vergangen, seit Capitän King von der Anna die Nachricht gebracht hatte, daß die Mosqueraflotte unterwegs sei. Sie fand aber durch Nichts eine Bestätigung, im Gegentheil war sogar eben ein Canoe von Irapiche eingelaufen, das Gummi geladen hatte, und dafür Aguaardiente mitnehmen wollte, und dessen Leute aussagten, an der ganzen nördlichen Küste wisse man Nichts von einem Einbruch der Mosquera-Truppen. Bonaventura sollten sie allerdings besetzt haben, von dort aber seien die Schiffe wieder nach Norden gegangen, um zuerst Panama zu nehmen, und dadurch die Regierung des ganzen Landes in die Hand zu bekommen.
Der leichte, sorglose Sinn der Bevölkerung verlangte nicht mehr, denn schon die gehabte Aufregung war ihnen unbequem gewesen. Die Fischer schaukelten schon lange wieder draußen in ihren Canoes, während die Landeigenthümer hinaus in ihre Platanare gingen, um die schweren Fruchttrauben derselben an den Strand zu tragen, oder hinauf in die Cocospalmen zu steigen, um die erst halbreifen, aber mit erquickendem Wasser gefüllten Früchte abzupflücken und mit einer geschickten Schwingung der Hand so hinabzuwerfen, daß sie sich in der Luft drehten und dann mit ihrer Spitze in den Sand fielen. Schlugen sie breit auf, so platzten sie leicht durch ihr Gewicht, denn die Nuß ist so mit Milch angefüllt, daß diese herausspritzt, sowie man nur mit einem Messer hineinsticht.
In dem kleinen Städtchen herrschte wieder ganz das alte Leben. Nur die Frauen waren in einer etwas ungewöhnlichen Bewegung, denn »Señor Renard« hatte mit dem Dampfer von Panama einen Gegenstand bekommen und eben ausgepackt, der ihr Interesse wunderbar fesselte, und zu den lebhaftesten Debatten Veranlassung gab.
Der Gegenstand war in der That von großer Wichtigkeit, nämlich nichts Geringeres als – eine Crinoline, und zwar die erste, die in diesem entlegenen Theil der Welt je gesehen worden.
In einem Ort, wo es so viel müßige Leute gab, wie in Tomaco, verstand es sich von selbst, daß die wenigen Kaufleute beim Auspacken ihrer eben angekommenen Waaren immer eine Menge von Zuschauern hatten. Es lag das ja auch mit in ihrem eigenen Interesse, denn es machte eine Ankündigung derselben unnöthig, sobald das schöne Geschlecht Stück für Stück derselben in Augenschein nahm, und dann sicherlich schon an dem nämlichen Abend Stück für Stück einzeln besprach und kritisirte. Selbst schon beim Auspacken wurde manches Stück verkauft, denn darin bleiben sich die Menschen überall in der ganzen Welt gleich, ob sie nun in einer braunen oder weißen Haut herumgehen: daß sie nämlich gern das Neueste haben und sich besonders bei der Auswahl solcher Dinge zu dem hingezogen fühlen, was ihnen aus fremden Ländern gebracht wird.
Auch diesmal hatte sich ein Theil Neugieriger eingefunden, als Renard seine neuen Waaren öffentlich – wie er es stets that – auspackte, und allerdings