Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich страница 9
Der Alkalde erwartete ihn schon, und diesmal fest entschlossen, sich durch den Postmeister nicht wieder das Wort vor dem Mund wegnehmen zu lassen. Er trat auch dem Capitain, sowie dieser an's Land sprang, entgegen und sagte, indem er ihm die Hand reichte und schüttelte:
»Buenos Dias, Señor! – Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen. Können Sie uns vielleicht Aufklärung geben, zu welchen Zweck Sie hier Ihre beiden Schiffe vor unserer Stadt geankert haben?«
Ein leises Lächeln flog über die Züge des Seemannes, als er antwortete:
»Mit weit größerem Rechte, mein verehrter Señor, könnte ich Sie fragen, weshalb Sie auf ein paar Schiffe Ihres eigenen Landes, die einen Hafen ihres eigenen Territoriums besuchen, feuern lassen. – Bitte, unterbrechen Sie mich nicht. Wäre ich Ihnen wirklich feindlich gesinnt, was hinderte mich, furchtbare Rache für die Beleidigung zu nehmen, denn Sie werden mir zugeben, daß eine einzige in diese Bambushäuser gefeuerte Kanone entsetzliche Verwirrung anrichten und viele Menschenleben gefährden würde. Um aber kein Blut treuer Unterthanen unseres theueren Vaterlandes zu vergießen, um den Bürgerkrieg nicht auf dies friedliche Eiland zu tragen, komme ich noch einmal zu Ihnen, um Sie aufzufordern, das zu thun, was Sie doch nicht mehr ändern können: Sr. Excellenz den jetzigen Präsidenten der Republik, Señor Mosquera, anzuerkennen und ihm Treue zu schwören. Ich selber komme nur als der Feind derer, die den Huldigungseid verweigern – im anderen Fall sind wir Freunde und Bundesgenossen, und ich stehe mit meiner Person dafür, daß Sie weder an Ihrer Stadt, noch irgend einem derselben angehörenden loyalen Bürger geschädigt werden sollen.«
»Aber bester Herr,« sagte der Alkalde, durch die freundliche und vernünftige Anrede schon halb gewonnen und nur noch in Verlegenheit, wie er vor den Umstehenden eine vielleicht etwas zu rasche Sinnesänderung beschönigen sollte, »wir – wir wissen hier eigentlich noch gar nichts von Sr. Excellenz, dem neuen Präsidenten. Wir sind friedliebende Menschen, die mit keinem Lande einen Krieg wollen – am allerwenigsten mit dem eigenen, aber wie – wie bekommen wir denn eine Garantie, daß nicht – ohne jedoch das Geringste gegen Ihre eigene Person andeuten zu wollen – daß nicht irgend ein Schiff bei uns anlegen könnte, welches irgend einen neuen Namen als Präsident und Regierung aufstellt und Besitz von der Insel ergreift?«
»Darüber beruhigen Sie sich,« sagte der Seemann; »ich handele nicht nach eigener Machtvollkommenheit, sondern habe einen Regierungs-Commissair an Bord, der, von Buenaventura aus mit allen nöthigen Papieren und Schriftstücken beglaubigt, das Weitere mit Ihnen auf vollkommen gesetzlichem Wege in Ordnung bringen wird. Der Herr ist Ihnen auch, soweit ich erfahren habe, nicht einmal ein Fremder, sondern war früher selber, wie er mich versicherte, ein Einwohner oder wohl gar ein Beamter dieser Insel – «
»In der That? Und sein Name?«
»Señor Fosca.«
»Fosca? Alle Teufel!« platzte der Alkalde etwas erstaunt heraus; »Señor Fosca ist Regierungs-Commissair geworden?« Aber es blieb ihm keine Zeit mehr zum Ueberlegen, denn der Postmeister kam gerade mit einem Theil seiner Leute wenigstens herbei, da ihm keineswegs alle folgten. Die Meisten, indem sie eine Beschießung der Stadt fürchteten, liefen nach ihren Häusern, um dort zu retten, was sie retten konnten. Der Alkalde war aber fest entschlossen, diesmal ohne den Postmeister zu handeln, und sagte deshalb rasch und bestimmt:
»Wenn Sie mir Ihr Wort geben, Señor, daß der Stadt kein Schaden geschehen soll, so glaube ich in Uebereinstimmung mit meinen Mitbürgern zu handeln, wenn ich Ihnen erkläre, daß wir den Präsidenten Mosquera anerkennen wollen.«
»Ja wohl! Gewiß! En verdad – con gusto!« tönte es von allen Seiten, denn das entschlossene Aufsegeln der Kriegsschiffe hatte seine Wirkung auf die Gemüther nicht verfehlt.
»Und das Versprechen gebe ich Ihnen,« sagte der Seemann, dem damit eine wahre Centnerlast von der Seele fiel, denn eine Weigerung hätte ihn in die größte Verlegenheit gebracht.
»Und wissen Sie, welche Verantwortung Sie da auf sich nehmen, Señor Alkalde?« schrie der Postmeister, der eben zur rechten Zeit erschien, um zu spät zu kommen. »Wir sind hier freie Bürger, und wenn irgend ein Präsident – «
»Fosca ist Regierungs-Commissair und an Bord,« flüsterte ihm der Alkalde zu, indem er seinen Arm faßte; »halten Sie das Maul.«
Der Postmeister sah ihn verdutzt an. Es war augenscheinlich, daß er den Sinn der Worte nicht so rasch begriff, aber der Alkalde warf ihm einen warnenden Blick zu, und sich auf dem Absatz herumdrehend nahm er den Hut ab, schwenkte ihn in der Luft und rief mit seiner weit hinaus dröhnenden Stimme:
»Compañeros el viva! Viva Sa Excellencia el praesidente Señor Mosquera! – El viva!«
»El viva! El viva!« jubelten ihm die Leute nach, die ebenfalls ihre Hüte schwenkten, und wie ein Lauffeuer pflanzte sich der Schrei durch die Stadt fort. Galt er ja doch als Friedenszeichen und war den Leuten eine Bürgschaft, daß sie von den Schrecken und Gefahren des Krieges verschont bleiben sollten. Mit der Gewißheit hätten sie irgend einen lebenden oder auch todten Menschen – wer er immer gewesen – leben lassen.
Es war in der That ein Jubel auf der Insel, als ob man diesem Augenblick schon seit Jahren mit der größten Spannung entgegengesehen hätte, und daß der Postmeister gerade, der noch vor wenigen Stunden da unten am Strande Sandschanzen aufgeworfen und selbst eine Kanone auf die nahenden Schiffe abgefeuert, in den Ruf mit einstimmte, fiel keiner Seele mehr auf.
Fünftes Capitel.
Baptista
Der Capitän hatte seine Schuldigkeit gethan und sein Ziel viel rascher und vollkommener erreicht, als er je gehofft. Es drängte ihn deshalb wieder an Bord zurück. Aber so bald kam er noch nicht los, denn von allen Seiten strömten Menschen herbei, um ihm die Hand zu drücken und ihm zu erklären, daß sie gute Freunde bleiben und keinen Krieg miteinander haben wollten. Und nicht allein die Männer thaten das, sondern ganz besondere Energie entwickelten die Negerweiber, von denen die Insel ein außerordentlich starkes Contingent stellte, und wo solch eine alte würdige Dame einmal die Hand des Seemannes erwischte, ließ sie nicht sogleich wieder los. Sie versicherten ihm dabei stets mit ihrer gewöhnlich tiefen Baßstimme, daß sie sich unendlich glücklich schätzen würden, wenn er zu ihnen in das Haus kommen und eine Tasse Chocolade trinken wolle.
Er hatte Mühe sich ihrer zu erwehren, und sein Boot endlich wieder gewinnend, sprang er hinein und ließ sich an Bord zurückrudern.
Still vor sich hin mußte er freilich unterwegs lachen, wenn er sich überlegte, daß Tomaco eigentlich nur dadurch friedlich erobert und Mosquera eine neue Stadt gewonnen sei, daß sich beide Theile vor einander gefürchtet hätten, denn wie die Sachen standen, konnten sie sich gegenseitig keinen großen Schaden thun. Die List war aber gelungen; die Bewohner von Tomaco hatten sich durch eine völlig unausführbare Drohung: die Beschießung der Stadt, einschüchtern lassen, und es lag jetzt an Señor Fosca, das Weitere in Frieden und Freundschaft zu arrangiren und sich mit den Behörden zu verständigen.
Als der Capitän sein kleines Fahrzeug erreicht und den Befehl gegeben hatte, Munition