Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil. Theodor Fontane

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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil - Theodor Fontane

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Grundzug der germanischen Rasse gewesen und noch jetzt die Bürgschaft ihres Lebens ist. Die Wenden von damals waren wie die Polen von heute. Ausgerüstet mit liebenswürdigen und blendenden Eigenschaften, an Ritterlichkeit ihren Gegnern mindestens gleich, an Leidenschaft, an Opfermut ihnen vielleicht überlegen, gingen sie dennoch zu Grunde, weil sie jener gestaltenden Kraft entbehrten. Immer voll Neigung, ihre Kräfte nach außen hin schweifen zu lassen, statt sie im Zentrum zu einen, fehlte ihnen das Konzentrische, während sie exzentrisch waren in jedem Sinne. Dazu die individuelle Freiheit höher achtend als die staatliche Festigung – wer erkennte in diesem allen nicht polnischnationale Züge?

      Wir sprechen zuletzt von dem Kultus der Wenden. Weil die religiöse Seite der zu bekehrenden Heiden unsere christlichen Missionäre selbstverständlich am meisten interessieren mußte, so ist es begreiflich, daß wir über diesen Punkt unserer liutizischen Vorbewohner am besten unterrichtet sind. Die Nachrichten, die uns geworden, beziehen sich in ihren Details zwar überwiegend auf jene zwei Haupttempelstätten des Wendenlandes, die nicht innerhalb der Mark, sondern die eine (Rhetra) hart an unserer Grenze, die andere (Arkona) auf Rügen gelegen waren; aber wir dürfen fast mit Bestimmtheit annehmen, daß alle diese Beschreibungen auch auf die Tempelstätten unserer märkischen Wenden passen, wenn gleich dieselben, selbst Brennabor nicht ausgeschlossen, nur zweiten Ranges waren.

      Die wendische Religion kannte drei Arten der Anbetung:

      • Naturanbetung (Stein, Quelle, Baum, Hain).

      • Waffenanbetung (Fahne, Schild, Lanze).

      • Bilderanbetung (eigentlicher Götzendienst).

      Die Natur war der Boden, aus dem der wendische Kultus aufwuchs; die spätere Bilder-Anbetung war nur Natur-Anbetung in anderer Gestalt. Statt Stein, Quelle, Sonne etc., die ursprünglich Gegenstand der Anbetung gewesen waren, wurden nunmehr Gestalten angebetet, die Stein, Quelle, Sonne etc. bildlich darstellten.

      Die Wenden hatten in ihrer Religion einen Dualismus schwarzer und weißer Götter, einer lichten Welt auf der Erde und eines unterirdischen Reiches der Finsternis. Die Einheit lag im Jenseits, im Himmel.

      An und in sich selbst unterschied der Wende Leib und Seele, doch scheint ihm die Menschenseele der Tierseele verwandt erschienen zu sein. Wenigstens glaubte er nicht an persönliche Unsterblichkeit. Die Seele saß im Blut, aber war doch wieder getrennt davon. Strömte das Blut des Sterbenden zu Boden, so flog die Seele aus dem Munde und flatterte zum Schrecken aller Vögel, nur nicht der Eule, so lange von Baum zu Baum, bis die Leiche verbrannt oder begraben war.

      Die alten Chronisten haben uns die Namen von vierzehn wendischen Göttern überliefert. Unter diesen waren die folgenden fünf wohl die berühmtesten: Siwa (das Leben); Gerowit (der Frühlingssieger); Swantewit (der heilige oder helle Sieger); Radegast (die Vernunft, die geistige Kraft); Triglaw (der Dreiköpfige. Ohne bestimmte Bedeutung).

      Vom Siwa haben wir keine Beschreibung. Gerowit, der Frühlingssieger, war mit kriegerischen Attributen geschmückt, mit Lanzen und Fahnen, auch mit einem großen kunstvollen, mit Goldblech beschlagenen Schild. Radegast war reich vergoldet und hatte ein mit Purpur verziertes Bett. Noch im fünfzehnten Jahrhundert hing in einem Fenster der Kirche zu Gadebusch eine aus Erz gegossene Krone, die angeblich von einem Bilde dieses Gottes herstammte. Swantewit hatte vier Köpfe, zwei nach vorn, zwei nach rückwärts gewandt, die wieder abwechselnd nach rechts und links blickten. Bart und Haupthaar war nach Landessitte geschoren. In der rechten Hand hielt der Götze ein Horn, das mit verschiedenen Arten Metall verziert war und jährlich einmal mit Getränk angefüllt wurde; der linke Arm war bogenförmig in die Seite gesetzt; die Kleidung ein Rock, der bis an die Schienbeine reichte. Diese waren von anderem Holz als die übrige Figur und so künstlich mit den Knien verbunden, daß man nur bei genauer Betrachtung die Fugen wahrnehmen konnte. Die Füße standen auf der Erde und hatten unter dem Boden ihr Fußgestell. Das Ganze war riesenhaft, weit über menschliche Größe hinaus. Endlich Triglaw hatte drei Köpfe, die versilbert waren. Ein goldener Bund verhüllte ihm Augen und Lippen.

      Diese Götter hatten überall im Lande ihre Tempel; nicht nur in Städten und Dörfern, sondern auch in unbewohnten Festen, sogenannten „Burgwällen“, und zwar auf Hügeln und Klippen, in Seen und Wäldern. Wahrscheinlich hatte jeder „Gau“, deren es im Lande zwischen Elbe und Oder etwa fünfundvierzig gab, einen Haupttempel, ähnlich wie es in späterer christlicher Zeit in jedem größeren Distrikt eine Bischofskirche, einen Dom, ein Kloster gab. Dieser Haupttempel konnte in einer Stadt sein, aber auch eben so gut in einem „Burgwall“, der dann nur den Tempel umschloß und etwa einem Berge mit einer berühmten Wallfahrtskirche entsprach. In Julin, Wolgast, Gützkow, Stettin, Malchow, Ploen, Jüterbog und Brandenburg werden solche Städte-Tempel eigens erwähnt. Unzweifelhaft aber gab es deren an anderen Orten noch, als an den vorstehend genannten.

      4.

      Rethra. Arkona. „Was ward aus den Wenden?“

      Hier dient der Wende seinen Götzenbildern,

      Hier baut er seiner Städte festes Tor,

      Und drüber blinkt der Tempel Dach hervor:

      Julin, Vineta, Rethra, Brennabor.

Karl Seidel

      Die zwei Haupttempelstätten im ganzen Wendenland waren, wie mehrfach hervorgehoben, Rhetra und Arkona. Stettin und Brennabor, ihnen vielleicht am nächsten stehend, hatten doch überwiegend eine lokale Bedeutung.

      Rethra und Arkona repräsentierten auch die Orakel, bei denen in den großen Landesfragen Rats geholt wurde, und ihr Ansehen war so groß, daß der Besitz dieser Tempel dem ganzen Stamme, dem sie zugehörten, ein gesteigertes Ansehen lieh; die Redarier und die Ranen nahmen eine bevorzugte Stellung ein. Später entspann sich zwischen beiden eine Rivalität, wie zwischen Delphi und Dodona.

      Rethra war unter diesen beiden Orakelstätten die ältere, und wir beginnen mit Wiedergabe dessen, was Thietmar, Bischof von Merseburg, über diese sagt. Thietmar berichtet:

      „So viele Kreise es im Lande der Liutizier gibt, so viele Tempel gibt es auch und so viele einzelne Götzenbilder werden verehrt; die Stadt Rethra aber behauptet einen ausgezeichneten Vorrang vor allen anderen. Nach Rethra schicken die Wendenfürsten, ehe sie in den Kampf eilen, und sorgfältig wird hier vermittelst der Lose und des Rosses nachgeforscht, welch ein Opfer den Göttern darzubringen sei.“

      Stadt und Tempel von Rethra schildert Thietmar nun weiter: „Rethra liegt im Gau der Redarier, ein Ort von dreieckiger Gestalt, den von allen Seiten ein großer, von den Eingeborenen gepflegter und heilig gehaltener Hain umgibt. Der Ort hat drei Tore. Zwei dieser Tore stehen jedem offen; das dritte Tor aber, das kleinste, weist auf das Meer hin und gewährt einen furchtbaren Anblick. An diesem Tore steht nichts als ein künstlich aus Holz gebautes Heiligtum, dessen Dach auf den Hörnern verschiedener Tiere ruht, die es wie Tragsteine emporhalten. Die Außenseiten dieses Heiligtums sind mit verschiedenen Bildern von Göttern und Göttinnen, die, so viel man sehen kann, mit bewundernswerter Kunst in das Holz hineingemeißelt sind, verziert; inwendig aber stehen von Menschenhand gemachte Götzenbilder, mit ihren Namen am Fußgestell, furchtbar anzuschauen. Der vornehmste derselben heißt Radegast oder Zuarasioi und wird von allen Heiden geehrt und angebetet. Hier befinden sich auch ihre Feldzeichen, welche nur, wenn es zum Kampfe geht, von hier fortgenommen und dann von Fußkämpfern getragen werden. Und dies alles sorgfältig zu hüten, sind von den Eingeborenen besondere Priester angestellt, welche, wenn die Leute zusammenkommen, um den Bildern zu opfern und ihren Zorn zu sühnen, allein sitzen bleiben, während die anderen stehen. Indem sie dann heimlich unter einander murmeln, graben sie voll Zornes in die Erde hinein, um vermittelst geworfener Lose nach Gewißheit über zweifelhafte Dinge zu forschen. Nachdem dies beendigt ist, bedecken sie die Lose mit grünem Rasen und führen ein Roß, das als

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