Die Welt auf Schienen. Fürst Artur

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Welt auf Schienen - Fürst Artur страница 34

Die Welt auf Schienen - Fürst Artur

Скачать книгу

seine Kraft und Tätigkeit erweitert.“

      Er steht nicht an, die Eisenbahn ein Gottesgeschenk zu nennen. Wie er auf ihre Wirkungen für das Große und Allgemeine hinweist, so gedenkt er auch ihrer freundlichen Wirkungen auf die Familien- und die Lebensverhältnisse des einzelnen:

      „Wie vieler Kummer wird nicht erspart, wie viele Freuden werden nicht gewonnen, wenn entfernte Verwandte und Freunde sich mit Blitzesschnelle von ihren Zuständen und Begebnissen Nachricht geben können und ihnen das Wiedersehen um so viel leichter erreichbar ist.

      „Wie viele Schmerzen werden nicht gestillt, wenn auch der minder Bemittelte durch Zerstreuung und Luftveränderung, durch die regelmäßige und sanfte Bewegung der Dampfwagen, durch die Reisen nach einer Heilquelle oder ins Seebad, durch Versetzung in ein milderes Klima oder in die frische Bergluft die verlorene Gesundheit, ohne die er seiner Familie den Lebensunterhalt nicht zu erwerben imstande ist, für eine Reihe von Jahren wieder restaurieren kann, während er bei den jetzigen Transportverhältnissen aus Mangel an Mitteln, oder weil er die Beschwerlichkeiten der Reise, zumal das Nachtfahren, nicht ertragen kann, mit seiner Familie elendiglich verkümmern muß.

      „Wie vieler Sorgen werden nicht die Eltern überhoben, wenn ihnen nun ein so weiter Kreis eröffnet ist, um den Kindern die ihren Vermögensumständen und Wünschen und den Anlagen und Neigungen der Kinder entsprechenden Bestimmungen zu geben.

      „Um wieviel leichter werden diejenigen, die in ihrer Heimat kein zureichendes Auskommen finden und die hier dem gemeinen Wesen zur Last fallen, sich und ihre Familien in andere Gegenden, Länder und Weltteile versetzen, um dort eine neue und glücklichere Existenz zu gründen.“

      Mit einer Sicherheit, die gerade heute für uns verblüffend ist, macht List auf die militärische Bedeutung der Eisenbahnen aufmerksam: „Ein vollständiges Eisenbahnsystem wird das ganze Territorium einer Nation in eine große Festung verwandeln, die von der ganzen streitbaren Mannschaft der angegriffenen Nation mit der größten Leichtigkeit, mit dem geringsten Kostenaufwand und den geringsten Nachteilen für das Land verteidigt werden kann.“

      Von der Schrift über das sächsische Eisenbahnsystem, in der er vorsichtigerweise von der Voraussetzung ausgeht, daß täglich nur 120 Personen zwischen Leipzig und Dresden hin und her reisen würden, ließ List 500 Drucke an alle wichtigen sächsischen Behördestellen, an die Kammern und maßgebenden Persönlichkeiten Sachsens verteilen.

      Die Wirkung war außerordentlich. Mit der Veröffentlichung dieser Listschen Schrift beginnt das Verständnis für den Eisenbahngedanken sich in Deutschland zu verbreiten. Die sächsische Regierung, die beiden Kammern und die Leipziger Stadtverordneten sandten List Danksagungsschreiben.

      Es wurde alsbald die Gründung eines Ausschusses beschlossen, der die Vorbedingungen für den Bau der Strecke Leipzig-Dresden ausarbeiten sollte. Die tätigsten Mitglieder in diesem Ausschuß waren, außer List, die Herren Dufour-Féronce, Lange, Seiffert und Gustav Harkort, ein Bruder Friedrichs, der in Leipzig ein großes Ausfuhrgeschäft betrieb.

      Wiederum entfaltete List eine außerordentliche Tätigkeit, bis alle Punkte geklärt waren. Als dann aber mit Genehmigung der sächsischen Regierung ein endgültiger Arbeitsausschuß von zwölf Männern gewählt wurde, zu denen auch List gehören sollte, da wurde die Gültigkeit seiner Wahl nicht anerkannt, weil er nicht Leipziger Bürger war. Es ist dies der Beginn des Unheils, das fortab List wiederum auf allen seinen Lebenswegen verfolgen sollte.

      Am Tag der Ausschreibung wurde das gesamte Aktienkapital von 112 Millionen Mark sofort voll gezeichnet. Nach vier Tagen zahlte man für die Papiere bereits ein Aufgeld von 2212 vom Hundert. Auch dieser Vorgang verlieh dem weiteren Vordringen der Eisenbahnen in Deutschland einen kräftigen Schwung.

      Obgleich es keinem Zweifel unterliegen konnte, daß Lists Raten und Taten die ausschließliche Ursache dieses glänzenden Erfolgs war, begann man doch von jetzt ab, ihn planmäßig beiseite zu schieben. Die kühne, harte und heißblütige Art des großen Manns behagte den Durchschnittsbürgern im Ausschuß nicht. Es kam in den Versammlungen zu sehr häßlichen Auftritten. Man unterbrach List bei seinen Vorträgen, man lud ihn schließlich zu den Beratungen überhaupt nicht mehr ein und fand es unerklärlich, „daß ein Schwabe, der ohne allen Beruf ins Land gekommen und offenbar nur oberflächliche Kenntnisse über die Sache besitze, sich mehr zutrauen wolle als den Koryphäen des Leipziger Handelsstandes“.

      Es war um so leichter, List aus seiner eigenen Schöpfung hinauszudrängen, als dieser mit der ganzen Sorglosigkeit des schöpferischen Geists und eines von seiner Sache tief durchdrungenen Manns sich kein bestimmtes Entgelt für seine Tätigkeit ausbedungen hatte. Er begnügte sich damit, daß ihm in unverbindlichen Besprechungen in Aussicht gestellt worden war, er werde in späterer Zeit, wenn das Unternehmen schon guten Ertrag abwerfe, zwei vom Hundert der sämtlichen Aktien zum Ausgabekurs zeichnen dürfen. Da es List nur um die Sache und gar nicht um seine Person zu tun war, sah er von einer festen Abmachung um so eher ab, als er fürchten mußte, daß die Öffentlichkeit sonst leicht der Meinung hätte sein können, daß er nur zu seinem eigenen Nutzen so warm für das Eisenbahnunternehmen eingetreten wäre.

      Sein unbedingter Glaube an die Ehrlichkeit der ihm von hervorragenden Bürgern gemachten Zusagen sollte ihn jedoch aufs bitterste enttäuschen. Man glaubte, genug zu tun, wenn man ihm ein Ehrengeschenk von 2000 Talern anbot, im übrigen aber nur leere Dankesworte spendete. Für die persönliche Lage des so Verratenen waren diese Ereignisse um so schlimmer, als er sein in Amerika erworbenes und drüben untergebrachtes Vermögen durch eine Änderung in der Handelspolitik der dortigen Regierung inzwischen wieder verloren hatte.

      Das Ende von Lists aufopfernder und fast beispiellos erfolgreicher Tätigkeit für das Zustandekommen der ersten großen Eisenbahnlinie in Deutschland war, daß er endlich vollkommen verdrängt wurde, daß man einen anderen Streckenzug wählte, als er vorgeschlagen hatte, und daß bei der Eröffnung der Bahn niemand mehr an ihn dachte. Die Auszeichnungen und öffentlichen Belobigungen erhielten andere Ausschußmitglieder; List war schon an diesen Festtagen in Leipzig völlig vergessen.

      Welch eine große Seele man hier schmachvoll mißhandelt hat, zeigt am besten die Tatsache, daß List trotzdem nicht davon abstand, weiter für den Ausbau von Eisenbahnen in Deutschland zu wirken, weil er sie als notwendig für sein Vaterland erachtete. Er ging zunächst nach Berlin, um vom König von Preußen die Genehmigung für eine Bahn von dort nach Magdeburg und nach Leipzig zu erlangen. Es kam zu keinem Ergebnis, insbesondere weil auch in Berlin, wo man List zunächst sehr freundlich aufgenommen hatte, bald eine Erkaltung der Gefühle ihm gegenüber eintrat. Man hatte sich in Leipzig nach seiner Person erkundigt, und Gustav Harkort stand nicht an, den Mann, der ihn bei der Eisenbahngesellschaft doch erst in den Sattel gesetzt hatte, zu verleumden, ihn als phantastisch und unzuverlässig zu bezeichnen, von den „extravaganten Plänen des Herrn List“ zu sprechen.

      Diesen beschäftigte nach dem neuen Mißerfolg die Anlage einer großen Eisenbahnstrecke von Frankfurt nach Basel, wobei er jedoch auch nichts zu erreichen vermochte, da die beteiligten Staaten die Linie selbst anzulegen gedachten.

      All das konnte auch jetzt noch Lists eifrigste Tätigkeit für die Ausbreitung des Eisenbahngedankens nicht hemmen. Im Jahre 1835 gründete er eine eigene Zeitschrift, das „Eisenbahn-Journal“, dessen Zweck er selbst folgendermaßen darstellte:

      „Die Vorbereitung eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems ist ein Hauptzweck des Blattes, und die Redaktion wird sich daher besonders bestreben, richtige Ansichten über den Nutzen der Eisenbahn, über die zweckmäßigste Bauart derselben und über die Richtung der Hauptrouten zu vertreten. Sie wird die Verhältnisse der einzelnen Routen mit Rücksicht auf ihren Verkehr, ihre Lokalität und ihre Anlage- und Transportkosten und folglich ihre Ertragsfähigkeit beleuchten und denen, die sich für dergleichen Unternehmungen interessieren, mit gutem Rat beistehen. Auch wird sie sich angelegen

Скачать книгу