Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич
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Inzwischen leistete er Christine Gesellschaft, wenn Frau Makowiezka mit Bärbchen zur Frau Kämmerer fuhr. Christine begleitete sie nie bei diesen Besuchen, denn die Frau Kämmerer hatte trotz ihrer Güte Christine nicht gern. Aber oft begab sich auch Sagloba nach Warschau, wo er in artiger Gesellschaft die Zeit hinbrachte. Bisweilen kehrte er erst am folgenden Tage berauscht zurück, und da war Christine ganz allein und brachte die einsamen Stunden in Gedanken hin; bald dachte sie an Wolodyjowski, bald auch daran, was da hätte geschehen können, wenn jenes Schloß nicht ein für allemal in den Riegel gefallen wäre; oft sogar, wie wohl jener unbekannte Nebenbuhler Michaels ausgesehen hätte, der Prinz aus dem Märchenland …
So saß sie einstmals am Fenster und schaute in Gedanken auf die Tür des Zimmers hin, auf welche ein greller Schein der untergehenden Sonne fiel, als plötzlich Schlittengeläut von der anderen Seite des Hauses hörbar wurde. Christine fuhr es durch den Sinn, daß Frau Makowiezka mit Bärbchen heimgekommen sein müsse; aber das brachte sie nicht von ihren Gedanken ab, und sie wandte nicht einmal die Augen von der Tür. Indessen öffnete sich die Tür, und auf dem Grund der dunklen Tiefe erschien den Augen des Mädchens ein unbekannter Mann.
Im ersten Augenblick schien es Christine, als sähe sie ein Bild, oder als sei sie eingeschlummert und träume, so wunderbar war die Erscheinung, die vor ihr stand … Der Unbekannte war ein junger Mann in schwarzem, fremdländischem Gewande mit einem weißen Spitzenkragen, der bis auf die Arme herabfiel. In ihrer Kinderzeit hatte Christine einmal Herrn Arzischewski, General der Artillerie, in ähnlicher Tracht gesehen, und er war ihr wegen dieser Tracht wie auch wegen seiner ungewöhnlichen Schönheit lange im Gedächtnis geblieben. Und ganz so war dieser Jüngling gekleidet, nur, daß er durch seine Schönheit bei weitem Herrn Arzischewski in den Schatten stellte und alle Männer, die auf Erden wandelten. Sein prächtiges Haar, über der Stirn gleichmäßig geschnitten, fiel in hellen Locken zu beiden Seiten seines Antlitzes herab. Seine Augenbrauen waren dunkel und hoben sich deutlich von seiner marmorweißen Stirn ab, seine Augen schwärmerisch traurig, sein Schnurrbart und sein spitzer Kinnbart blond. Es war ein Kopf ohnegleichen, in welchem Edelmut und Tapferkeit vereint waren, der Kopf eines Engels und eines Ritters.
Christine stockte der Atem im Busen, denn sie sah und glaubte ihren Augen nicht, und sie konnte nicht feststellen, ob sie eine Täuschung oder einen wirklichen Menschen vor sich habe. Er stand eine Weile unbeweglich da, erstaunt oder doch aus Höflichkeit Erstaunen heuchelnd über Christinens Schönheit; endlich trat er näher herein, neigte den Hut bis zum Fußboden und begann mit der Feder über die Diele zu fahren. Christine erhob sich; die Füße zitterten unter ihr, und ihre Augen schlossen sich, während ihr Antlitz bald bleich, bald rot wurde.
Da ertönte seine tiefe, samtweiche Stimme:
»Ich heiße Ketling of Elgin und bin Wolodyjowskis Freund und Waffenbruder. Die Dienerschaft hat mir schon gesagt, daß ich das unaussprechliche Glück und die Ehre habe, unter meinem Dache die Schwester und die Verwandten meines Kriegsherrn zu bewirten; aber verzeiht, edles Fräulein, meine Verwirrung, denn die Dienerschaft hat mir nicht gesagt, was meine Augen sehen, und diese Augen können diesen Glanz nicht ertragen …«
Mit einem solchen Kompliment begrüßte sie der ritterliche Ketling; sie aber konnte ihm nicht mit einem gleichen heimzahlen, denn sie war keines Wortes mächtig. Sie vermutete nur, daß er nach dem Schluß dieser Rede ihr eine wiederholte Verbeugung machte, denn sie hörte in der Stille wieder das Rauschen der Feder gegen den Fußboden. Sie fühlte auch, daß sie etwas sagen müsse und die Freundlichkeit mit einer Freundlichkeit zu erwidern habe, da sie sonst für wenig höflich gelten könne; aber der Atem fehlte ihr, die Pulse in den Schläfen und in der Hand pochten, der Busen hob und senkte sich, als wäre sie ermüdet. Sie öffnet die Augenlider, er steht vor ihr mit etwas gesenktem Haupte, mit Bewunderung und Achtung in seinem wunderbaren Gesicht. Mit zitternden Händen griff Christine an ihr Kleid, um wenigstens einen Knix vor ihm zu machen. Zum Glück ertönte in diesem Augenblick hinter der Tür der Ruf »Ketling, Ketling!« und in das Zimmer stürzte mit geöffneten Armen keuchend Herr Sagloba.
Sie fielen sich um den Hals, und in dieser Zeit bemühte sich das Mädchen, zu sich zu kommen und zugleich zwei-, dreimal auf den jungen Ritter hinzublicken. Er hielt Herrn Sagloba in herzlicher Umarmung mit dem außerordentlichen Adel in jeder Bewegung, die er entweder von seinen Ahnen ererbt oder an den vornehmen Höfen der Könige und Magnaten sich angeeignet hatte.
»Wie geht es dir?« rief Sagloba; »ich heiße dich in deinem Hause willkommen wie in meinem eigenen. Laß dich ansehen – ha, du bist heruntergekommen! … Etwa die Liebe? Bei Gott, du bist heruntergekommen! – Weißt du, Michael ist zum Heere abgereist. O, das hast du vortrefflich gemacht, daß du hergekommen bist. Michael denkt gar nicht mehr ans Kloster. Seine Schwester ist hier mit zwei jungen Mädchen – Mädchen wie die Aprikosen. Jesiorkowska heißt die eine, Drohojowska die andere. – Beim Himmel, Fräulein Christine ist hier! – o, ich bitte um Verzeihung, aber die Augen mögen dem aus dem Kopfe springen, der Euch die Schönheit absprechen wollte, und der junge Herr hier muß die Eure schon kennen.«
Ketling verneigte zum drittenmal sein Haupt und sagte lächelnd:
»Ich habe mein Haus verlassen als ein Zeughaus und treffe einen Olymp an, denn ich habe bei meinem Eintritt eine Göttin gesehen.«
»Ketling, wie geht es?« rief Sagloba zum zweitenmal, denn ihm genügte die eine Begrüßung nicht, und er faßte ihn noch einmal in seine Arme.
»Das ist noch gar nichts,« sagte er, »den kleinen Heiducken hast du noch gar nicht gesehen. Die eine ist schön, aber auch die andere ist Honig, – Honig sage ich dir! Wie geht's dir, Ketling? Erhalte dich Gott bei Gesundheit! – Ich werde zu dir »du« sagen! Einverstanden? Mir Altem ist das geschickter … Freust du dich über deine Gäste, was? … Frau Makowiezka ist hierhergekommen, denn während der Zeit des Wahlreichstags war es schwer um eine Herberge, aber jetzt ist es schon leichter, und sie wird wohl ausziehen, denn es ziemt doch nicht, mit jungen Damen in eines Junggesellen Hause zu wohnen, damit die Leute nicht den Mund verziehen und was zum Schwatzen haben.«
»Bei Gott, das gestatte ich nicht! Ich bin nicht Wolodyjowskis Freund, ich bin sein Bruder, darum kann ich Frau Makowiezka als meine Schwester unter meinem Dache aufnehmen. An Euch, mein Fräulein, wende ich mich zuerst um Fürsprache, und wenn es nötig ist, will ich auf meinen Knieen darum bitten.«
Bei diesen Worten kniete er vor Christine nieder, umfaßte ihre Hand, drückte sie an die Lippen und schaute flehend – froh und traurig zugleich – in ihre Augen. Sie aber wurde rot, besonders weil Sagloba ausrief:
»Kaum angekommen, liegt er schon vor ihr auf den Knieen – bei Gott, das sage ich Frau Makowiezka, daß ich Euch so angetroffen habe! Scharf, Ketling! … Erkennt daran seine höfischen Sitten, Fräulein!«
»Ich bin der höfischen Sitten nicht kundig,« flüsterte das Mädchen in größter Verwirrung.
»Kann ich auf Eure Fürsprache rechnen?« fragte Ketling.
»Steht doch auf!«
»Kann ich auf Eure Fürsprache rechnen? Ich bin Michaels Bruder, ihm geschieht ein Unrecht, wenn dieses Haus verödet!«
»Hier hilft mein Wollen nichts,« antwortete Christine, die schon mehr zu sich gekommen war, »wenn ich auch für das Eure dankbar sein muß.«
»Ich danke,« versetzte Ketling und drückte ihre Hand an den Mund.
»Ha, draußen ist's eiskalt, und Cupido ist nackt, aber ich denke, wenn er hierherkommt, in diesem Hause wird er nicht frieren!« rief Sagloba. »Ich sehe schon, vor lauter Seufzern wird es tauen, nur vor Seufzern.«