Der Zauberberg. Volume 1. Томас Манн

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Zauberberg. Volume 1 - Томас Манн страница 23

Der Zauberberg. Volume 1 - Томас Манн

Скачать книгу

style="font-size:15px;">      "Wir müssen nun aber in die Liegekur", sagte Joachim be-sonnen.

      Der Literat hatte seine Worte mit anmutigen Handbewegungen begleitet. Nun rundete er dies Gestenspiel mit einer Gebär-de ab, die auf Joachim hinwies, und sagte:

      "Unser Leutnant treibt zum Dienst: Gehen wir also. Wir haen den gleichen Weg, – 'rechtshin, welcher zu Dis, des Gewalen, Mauern hinanstrebt'. Ah, Virgil, Virgil! Meine Herren, er ist unübertroffen. Ich glaube an den Fortschritt, gewiß. Aber Virgil verfügt über Beiwörter, wie kein Moderner sie hat …" I lud während sie sich auf den Heimweg machten, fing er an, la-teinische Verse in italienischer Aussprache vorzutragen, unter-brach sich jedoch, als irgendein junges Mädchen, eine Tochter des Städtchens, wie es schien, und durchaus nicht sonderlich hübsch, ihnen entgegenkam, und verlegte sich auf ein schwere-nöterhaftes Lächeln und Trällern. "T, t, t", schnalzte er. "Ei, ei, ei! La, la la! Du süßes Käferchen, willst du die Meine sein? Seht doch, 'es funkelt ihr Auge in schlüpfrigem Licht'", zitierte er – Gott wußte, was es war – und sandte dem verlegenen Rücken des Mädchens eine Kußhand nach.

      Das ist ja ein rechter Windbeutel, dachte Hans Castorp, und dabei blieb er auch, als Settembrini nach seiner galanten An-wandlung wieder zu medisieren begann. Hauptsächlich hatte er es auf Hofrat Behrens abgesehen, stichelte auf den Umfang seiner Füße und hielt sich bei seinem Titel auf, den er von einem an Gehirntuberkulose leidenden Prinzen erhalten habe. Von dem skandalösen Lebenswandel dieses Prinzen spreche noch heute die ganze Gegend, aber Rhadamanth habe ein Auge zuge drückt, beide Augen, jeder Zoll ein Hofrat. Ob die Herren übri-gens wüßten, daß er der Erfinder der Sommersaison sei? Ja, er und kein anderer. Dem Verdienste seine Krone. Früher hätten im Sommer nur die Treuesten der Treuen in diesem Tale ausge-harrt. Da habe "unser Humorist" mit unbestechlichem Scharf-blick erkannt, daß dieser Mißstand nichts als die Frucht eines Vorurteils sei. Er habe die Lehre aufgestellt, daß, wenigstens so-weit sein Institut in Frage komme, die sommerliche Kur nicht nur nicht weniger empfehlenswert, sondern sogar besonders wirksam und geradezu unentbehrlich sei. Und er habe dieses Theorem unter die Leute zu bringen gewußt, habe populäre Ar-tikel darüber verfaßt und sie in die Presse lanciert. Seitdem gehe das Geschäft im Sommer so flott wie im Winter. "Genie!" sagte Settembrini. "In-tu-i-tion!" sagte er. Und dann hechelte er die übrigen Heilanstalten des Platzes durch und lobte auf beißende Art den Erwerbssinn ihrer Inhaber. Da sei Professor Kafka … Alljährlich, zur kritischen Zeit der Schneeschmelze, wenn viele Patienten abzureisen verlangten, finde Professor Kafka sich ge-zwungen, rasch noch auf acht Tage zu verreisen, wobei er ver-spreche, nach seiner Rückkehr die Entlassung vorzunehmen. Dann aber bleibe er sechs Wochen aus, und die Ärmsten warte-ten, wobei sich, am Rande bemerkt, ihre Rechnungen vergrößerten. Bis nach Fiume lasse man Kafka kommen, bevor man fünftausend gute Schweizer Franken sichergestellt, worüber vierzehn Tage vergingen. Einen Tag nach der Ankunft des Cele-brissimo sterbe alsdann der Kranke. Was Doktor Salzmann be-treffe, so sage er dem Professor Kafka nach, daß er seine Sprit-zen nicht rein genug halte und den Kranken Mischinfektionen beibringe. Er fahre auf Gummi, sagte Salzmann, damit seine To-ten ihn nicht hörten, – wogegen wiederum Kafka behaupte, bei Salzmann werde den Patienten "des Rebstocks erheiternde Ga-be" in solchen Mengen aufgenötigt – nämlich ebenfalls behufs Abrundung ihrer Rechnungen – , daß die Leute wie die Fliegen stürben, und zwar nicht an Phthise, sondern an Trinkerleber …

      So ging es weiter, und Hans Castorp lachte herzlich und gut-mütig über diesen Sturzbach zungenfertiger Lästerungen. Die Suade des Italieners lautete eigentümlich angenehm in ihrer un-bedingten, von jeder Mundart freien Reinheit und Richtigkeit. Die Worte kamen prall, nett und wie neugeschaffen von seinen beweglichen Lippen, er genoß die gebildeten, bissig behenden Wendungen und Formen, deren er sich bediente, ja selbst die grammatische Beugung und Abwandlung der Wörter mit einem offensichtlichen, sich mitteilenden und heiter stimmenden Be- agen und schien viel zu klaren und gegenwärtigen Geistes, um sich auch nur ein einziges Mal zu versprechen.

      "Sie sprechen so drollig, Herr Settembrini", sagte Hans Castorp, "so lebhaft, – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll."

      "Plastisch, wie?" entgegnete der Italiener und fächelte sich mit dem Taschentuch, obgleich es ja eher kühl war. "Das wird das Wort sein, das Sie suchen. Ich habe eine plastische Art zu sprechen, wollen Sie sagen. Aber halt!" rief er. "Was sehe ich! Dort wandeln unsere Höllenrichter! Welch ein An-blick!"

      Die Spaziergänger hatten die Wegbiegung schon wieder zu-rückgelegt. War es den Reden Settembrinis, dem Gefälle der Straße zu danken, oder hatten sie sich in Wahrheit weniger weit vom Sanatorium entfernt, als Hans Castorp geglaubt hatte, – denn ein Weg, den wir zum ersten Male gehen, ist bedeutend länger als derselbe, wenn wir ihn schon kennen –: jedenfalls war der Rückmarsch überraschend geschwind vonstatten gegan-gen. Settembrini hatte recht, es war das Ärztepaar, das dort un-len auf dem freien Platz die Rückseite des Sanatoriums entlang-strebte, voran der Hofrat im weißen Kittel, mit heraustretendem Genick und die Hände wie Ruder bewegend, auf seiner Fährte Dr. Krokowski im schwarzen Oberhemd und desto selbstbe-wußter um sich blickend, als der klinische Brauch ihn nötigte, sich auf Dienstgängen hinter dem Chef zu halten.

      "Ah, Krokowski!" rief Settembrini. "Dort geht er und weiß alle Geheimnisse unserer Damen. Man bittet, die feine Symbolik seiner Kleidung zu beachten. Er trägt sich schwarz, um anzu-deuten, daß sein eigenstes Studiengebiet die Nacht ist. Dieser Mann hat in seinem Kopf nur einen Gedanken, und der ist schmutzig. Ingenieur, wie kommt es, daß wir von ihm noch gar nicht gesprochen haben! Sie haben seine Bekanntschaft ge-macht?"

      Hans Castorp bejahte.

      "Nun, und? Ich fange an zu vermuten, daß auch er Ihnen ge-fallen hat?"

      "Ich weiß wirklich nicht, Herr Settembrini. Ich bin ihm nur erst flüchtig begegnet. Und dann bin ich auch nicht sehr rasch von Urteil. Ich sehe mir die Leute an und denke: So bist du also? Nun gut."

      "Das ist Dumpfsinn!" antwortete der Italiener. "Urteilen Sie! Dafür hat die Natur Ihnen Augen und Verstand gegeben. Sie fanden, ich spräche boshaft; aber wenn ich es tat, so geschah es vielleicht nicht ohne pädagogische Absicht. Wir Humanisten haben alle eine pädagogische Ader … Meine Herren, der histo-rische Zusammenhang von Humanismus und Pädagogik be-weist ihren psychologischen. Man soll dem Humanisten das Amt der Erziehung nicht nehmen, – man kann es ihm nicht nehmen, denn nur bei ihm ist die Überlieferung von der Wür-de und Schönheit des Menschen. Einst löste er den Priester ab, der sich in trüben und menschenfeindlichen Zeiten die Führung der Jugend anmaßen durfte. Seitdem, meine Herren, ist schlechterdings kein neuer Erziehertyp mehr entstanden. Das humanistische Gymnasium, – nennen Sie mich rückschrittlich, Ingenieur, aber grundsätzlich, in abstracto, ich bitte, mich wohl zu verstehen, bleibe ich sein Anhänger …"

      Noch im Lift führte er dies weiter aus und verstummte erst, als die Vettern im zweiten Stockwerk den Aufzug verließen. Er selber fuhr bis zum dritten weiter, wo er, wie Joachim erzählte, ein kleines Zimmer nach hinten hinaus bewohnte.

      "Er hat wohl kein Geld?" fragte Hans Castorp, der Joachim begleitete. Es sah bei Joachim genau so aus wie drüben bei ihm.

      "Nein", sagte Joachim, "das hat er wohl nicht. Oder doch nur gerade so viel, um den Aufenthalt hier bestreiten zu können. Sein Vater war auch schon Literat, weißt du, und ich glaube, der Großvater auch."

      "Ja, dann", sagte Hans Castorp. "Ist er denn eigentlich ernst-haft krank?"

      "Es ist nicht gefährlich, soviel ich weiß, aber hartnäckig und kommt immer wieder. Er hat es schon seit Jahren und war zwi-schendurch mal fort, mußte aber bald wieder einrücken."

      "Armer Kerl! Wo er doch so fürs Arbeiten zu schwärmen scheint. Riesig gesprächig ist er dabei, so leicht kommt er von einem aufs andere. Mit dem Mädchen war er ja etwas frech, es genierte mich momentan. Aber was er nachher von der mensch-lichen Würde sagte, klang doch famos, ganz wie bei einem Festakt. Bist du denn öfter mit ihm zusammen?",

Скачать книгу