In der Mondnacht. Hans Wachenhusen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу In der Mondnacht - Hans Wachenhusen страница 2
Aber was sah er durch dieses Fernglas? Fast nichts als Armuth und Elend in den Hütten, Hader und Neid in den Häusern der Reichen, Uebermuth und schändliche Ausschweifungen in den Palästen. Er sah in den Hütten der Armen die Söhne ihre eigenen Eltern hinausstoßen und abgezehrte Kinder an trocknen Knochen und Schuhsohlen nagen; er sah in den Werkstätten der Handwerker die Arbeit ruhen und die Väter und Mütter ihre Hände vergebens nach Brot ringen; er sah an den Schwellen der Reichen den Bettler unbarmherzig verjagen und in den Palästen der Vornehmen das Geld aufgestapelt, das er alljährlich prägen ließ.
– Das ist ein schändlicher Betrüger! rief der König aus und warf das Glas bei Seite. So sieht es in meinem Lande nicht aus, denn mein Land ist das allerglücklichste der Welt!
Und der König schaute nie mehr durch dieses Glas, und setzte einen Preis aus für Denjenigen, welcher ihm den Betrüger zur Stelle schaffen könne, der ihm dieses Fernglas verkauft.
Aber Niemand fand ihn und alle Nachforschungen blieben vergebens.
Wohl ein Jahr war verflossen, da trat der reisende Brillenhändler wieder in das Schloß. Der König fuhr ihn hart an und befahl, ihn zu verhaften und in Ketten zu legen.
– Hoher König, sagte der Brillenhändler, Du befahlst mir ja, Dir ein Fernglas zu geben, durch welches Du Alles sehen könnest, was in Deinem Lande vorgehe!
– Dein Glas lügt aber! rief der König. Mein Land ist das glücklichste der Welt! Gieb mir ein Fernglas, durch welches ich meine Unterthanen glücklich sehen kann, so soll Dir vergeben sein!
Und der Brillenhändler gab dem König ein anderes Fernglas, das war außen ganz weiß und ebenfalls wohl drei Ellen lang. – Dann reiste er wieder ab.
Der König aber stieg auf die höchste Zinne seines Schlosses und schaute in sein Land hinaus. Wohl sah er viel weniger durch dieses, als durch das vorige Glas, aber was er sah, das war Glück und Frieden.
– So sieht mein Land aus! Ich wußte ja, daß es glücklich sei! sagte er und stieg wieder von der Zinne herab und lobte seine Minister dafür, daß sie sein Land so glücklich verwalteten.
Also verging wohl ein Jahr, während dessen der König alle vier Wochen auf die Zinne seines Schlosses stieg und ausschaute.... Er sah mit jedem Male immer weniger durch das Glas, aber was er sah, das war Glück und Frieden.
Endlich konnte er gar nichts mehr durch das Fernglas sehen. Er gab es seinen Dienern, die sollten es putzen, denn der König meinte, es sei von dem langen Gebrauch blind geworden. Aber so viel die Diener auch putzten, das Glas blieb blind. Der König indeß wußte, daß sein Land glücklich sei.
Und wieder verging ein Jahr. Da brach im Lande ein Bürgerkrieg aus; die Paläste der Reichen gingen in Flammen auf und eine Seuche verbreitete sich über alle Provinzen. Die Unruhen ließ der König zwar dämpfen, aber die Seuche wüthete fort und warf den König selbst aufs Krankenlager, der noch immer geglaubt hatte, daß sein Land glücklich sei; denn seine Minister hatten es ihm ja gesagt.
Da lag nun der arme König und mehr als die Krankheit folterte ihn der plötzlich in ihm aufgetauchte Gedanke, daß sein Land doch wohl nicht glücklich sein müsse.
Seine Krankheit wurde immer gefährlicher und die Aerzte meinten, er werde wohl sterben müssen.
Da kam eines Tages ein Fremder vor das Schloß gefahren, der sagte, er sei ein Wunderdoctor aus fernen Landen, er wolle den König wieder herstellen, wenn man ihn allein mit dem Kranken lasse.
Als der König dies vernahm, befahl er seiner ganzen Umgebung, hinaus zu gehen; und als nun der Wunderdoctor an sein Bett trat, da erkannte er den Brillenhändler. Dieser legte dem kranken Könige die Hand auf die Brust; sogleich ward ihm wohler und noch an demselben Tage konnte er das Bett verlassen.
– Auch das zweite Fernglas, welches Du mir gegeben, ist falsch gewesen! sagte der König zu dem Brillenhändler; denn während es mir nur Glück und Frieden im Lande zeigte, brachen Bürgerkrieg und Seuchen aus, und zuletzt wurde es ganz blind. Du hast mich und mein Land sehr unglücklich gemacht!
– Du hast es ja so gewollt, antwortete der Brillenhändler. Als Du ein Fernglas von mir verlangtest, durch welches Du Alles sehen könnest, was in Deinem Lande vorgehe, da gab ich Dir das schwarze und Du sahst durch dasselbe, wie es in Deinem Lande zuging. So sah es aus; aber Du wolltest es nicht glauben. Als ich wiederkehrte, verlangtest Du ein Glas von mir, durch welches Du Deine Unterthanen glücklich sehen könntest. Ich gab Dir ein solches. Du sahst die wenigen Stätten Deines Landes, in welche Hader und Elend noch nicht gedrungen, und als auch diese endlich vom Unglück verheert waren, da sahst Du nichts mehr durch dieses Glas. Du glaubtest, das Glas sei blind, aber Du selbst nur warst blind.
– So gieb mir denn ein drittes, durch welches ich Alles, Alles sehen kann, was in meinem Lande vorgeht, mag es Gutes oder Böses sein!
Und der Brillenhändler gab dem Könige ein drittes Fernrohr.
– Es ist das letzte! sagt er, und verschwand.
Der König aber stieg mit dem Fernglase auf die höchste Zinne seines Schlosses, und diesmal sah er viel Elend, aber auch manches Glück; er sah viel schlechte Thaten, die strafte er auf's härteste; er sah auch gute Thaten, und die belohnte er königlich.
Viele Jahre vergingen, das Land jedoch ward nun blühend und seine Bewohner wurden glücklich. Der König aber war zufrieden und sagte: »jetzt ist nicht nur mein Land glücklich, ich selbst bin es auch!«
Und als er endlich auf dem Sterbebette lag, da erschien ihm der Brillenhändler zum vierten und letzten Male.
– Ach, sagte der König; mein Lieber, dieses Fernglas ist unbezahlbar! Laß es mir, damit es auf meinen Sohn vererbe!
– Es sei! antwortete der Brillenhändler, denn die Blicke eines Königs sollen nicht nur die Glücklichen, sondern noch mehr die Unglücklichen sehen. Nun aber höre noch Eins: Dieses letzte Fernrohr, das ich Dir gab, enthielt gar kein Glas; ich habe Dir nur die Augen geöffnet!«
Etwas Höheres
Eine Stahlfeder und ein Gänsekiel lagen eines schönen Sommermorgens auf dem Pulte eines Dichters. Dieser war verreist, und da das Stubenmädchen nach dem Auskehren des Zimmers das Fenster offen gelassen hatte, so konnten die beiden Federn recht nach Herzenslust die frische Luft genießen. Aber daran dachten sie gar nicht, denn sie hatten viel wichtigere Dinge zu besprechen.
Wie es gewöhnlich geht, daß die Dienerschaft groß spricht, wenn die Herrschaft nicht zu Hause ist, führten auch die Stahlfeder und der Gänsekiel eine gelehrte Unterhaltung über die Dichtkunst und beide strichen ihre Verdienste um dieselbe heraus.
– Ich bin doch eigentlich viel mehr als Du, sagte die Stahlfeder, denn mit mir hat unser Herr sein berühmtes Gedicht »an den Mond« geschrieben; ich bin also im Grunde eine berühmte Stahlfeder. Es ist doch recht beruhigend, wenn man sich sagen kann: Du hast etwas Großes geleistet! Andere Federn freilich können sich dessen nicht rühmen! setzte sie mit einem spöttischen Blick auf den Gänsekiel hinzu.
– O ja, das können sie wohl! sagte der Gänsekiel, sich seine schöne Fahne streichend. Mit mir z. B. hat unser Herr sein berühmtes Gedicht über »die Unsterblichkeit der Seele« geschrieben, und die ist doch etwas viel Höheres als der Mond!
– Das ist nicht wahr! entgegnete die Stahlfeder; der Mond ist etwas viel Höheres als die Seele.
– Nein,