Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis. Max Bernhard Weinstein

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Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis - Max Bernhard Weinstein

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bei ihnen Wahrsagekunst, Traumdeuterei, Zauber- und Beschwörungswesen, Magie jeder Art, Astrologie in höchster Blüte standen, weiß man sicher. Sie hatten Geister und Dämonen in reicher Zahl, wie die sieben Hauptdämonen, von denen es in einer Legende heißt (Greßmann, Altorientalische Texte):

      Anstürmende Wetter, böse Götter sind sie,

      Schonungslose Dämonen, die auf dem Himmelsdamm geboren wurden, sind sie usf.

      Der Himmelsdamm soll der Tierkreis sein. Vielleicht ist es aber der Horizont, wohin es, wie überall, zur Unterwelt geht. Jene Dämonen sind Sturm-, Finsternis- und Wettergeister, sie verschlingen auch Sin, den Mond. Andere Dämonen in besonders großer Menge bringen Pest, Not und alle Krankheiten. Ihre Darstellung ist tierisch und oft grotesk-furchtbar; Drachen und Greife spielen eine Hauptrolle, aber auch Hunde, Skorpionen, Schlangen, Panther, Wölfe usf. Soviel ich jedoch sehen kann, findet sich keine Angabe, die auf eine Beziehung zu Seelen Abgeschiedener deutete, wiewohl Hexen und Verhexungen sehr bekannt und gefürchtet sind; schon das zweite Gesetz Hammurabis behandelt Zauberer und solche, die der Zauberei bezichtigt werden. Ein Gottesurteil, Werfen in den Strom, entscheidet. Ein Leben nach dem Tode wird durchaus angenommen, und zwar wie bei Naturmenschen mit den Bedürfnissen des Diesseits. Gilgames (Jzdubar), der Held des gleichbenannten Epos, hat seinen Freund Eabani durch Tod verloren. Er denkt nun voll Furcht auch an seinen Tod, und nachdem ihm sich unsterblich zu machen oder wenigstens das Jenseits zu schauen mißlungen, muß Nergal, der Totengott, auf Eas Befehl ein Loch in der Erde öffnen, durch das Eabanis Geist emporsteigen kann. Gilgames befragt ihn nun. Wir besitzen nur den Schluß, aber er entscheidet. Eabani sagt:

      Wer den Tod des Eisens starb – sahst du einen solchen? – Ich sah ihn —

      Auf dem Ruhebett liegt er und trinkt klares Wasser.

      Wer in der Schlacht getötet ist – sahst du (einen solchen)? – Ich sah (ihn) —

      Sein Vater und seine Mutter halten sein Haupt und sein Weib (beugt sich) über ihn.

      Dessen Leichnam aufs Feld geworfen ist – sahst du (einen solchen)? – Ich sah (ihn).

      Sein Geist findet keine Ruhe in der Erde.

      Dessen Geist keinen Pfleger hat – sahst du (einen solchen)? – Ich sah (ihn) —

      Im Topf Zurückgebliebenes, Bissen, die auf die Straße geworfen, ißt er.

      Das entspricht völlig uns schon bekannten Ansichten. In dem furchtbaren Fluch, den Hammurabi auf denjenigen herabbeschwört, der seine Gesetze mißachten sollte, findet sich auch: „Unten in der Unterwelt möge er (Samas, „der große Richter Himmels und der Erde“) seinen Totengeist nach Wasser schmachten lassen!“ Vielleicht ist dieses Wasser das Wasser des Lebens, das die Richter der Unterwelt, die Anunnaki, in Verwahrung hielten (S. 197). Daß die Geister auch einen Kult hatten, sieht man aus den vier letzten Versen des angeführten Textes. Daß die Götter Fetische waren, möchte ich nicht behaupten, trotz solcher Ausdrücke wie im zweiten Gesetz Hammurabis: „Er (der bezichtigte Zauberer) soll zum Stromgott gehen und in den Stromgott eintauchen.“ Lippert aber ist naturgemäß dieser Ansicht und erklärt den Gestirndienst für Fetischdienst. Es spricht einstweilen dagegen der Mangel von Seelengeistern. Die Sitten, mögen sie zum Teil noch so sehr „afrikanisch“ sein, haben damit nichts zu schaffen. Was es aber mit dem auf assyrisch-babylonischen Denkmälern so oft wiederkehrenden heiligen Baum naturmenschlich für eine Bewandtnis hat, kann ich nicht sagen. In den Mythen ist der Baum hinreichend bekannt und als Weltgegenstand auf der ganzen Erde verbreitet. Als das möchte ich den assyrisch-babylonischen nicht ansehen, wegen der Anbetungen und Opfer, die ihm sogar von Göttern und Genien dargebracht werden. Doch sei auf das schöne Buch des Pfarrers Alfred Jeremias „Das Alte Testament im Lichte des alten Orients“ verwiesen.

      Sehen wir von dem eigentlichen Zoroastrismus der Eranier ab, der einer anderen Betrachtung angehört, so wissen wir nicht viel von den sonstigen Anschauungen dieser Völker, um mehr behaupten zu können, als daß Seelen- und Fetischglauben bei ihnen wahrscheinlich bekannt und gehegt worden ist. Reste finden wir in den Zarathustrischen Lehrwerken. Als der Urstier starb, heißt es im Bundehesh: „Gosurun, das ist die Seele des einzigerschaffenen Stieres, ging aus dem Leibe des Stieres hervor und stand vor dem Stiere. So stark wie tausend Menschen, wenn sie zugleich ihr Geschrei erheben, klagte Gosurun dem Ahura.“ Die Klage bezieht sich auf durch Ganamino (Ahriman) in die Welt gebrachte Übel. Von Ahura auf die Zukunft verwiesen, klagt die Stierseele weiter dem Sternenkreis, dem Mondkreis, dem Sonnenkreis. Nun zeigt ihm Ahura den Frohar des Zarathustra. Dieser Frohar ist aber allgemein die Seele, die also präformiert besteht (von Ahura geschaffen, Kap. II) und selbständig lebt. An einer anderen Stelle (Kap. VI) treten die „Frohars der Krieger und Reinen“ beim Kampf Ahuras gegen Ahriman mit Keulen und Lanzen in der Hand auf, also wie die Menschen selbst (S. 43). Und so sind überhaupt anscheinend alle Frohars (Seelen) zuvor schon in Ahuras Reich vorhanden, etwa wie Platons Ideen. Und selbst die Welt hat einen solchen Frohar; lange bevor sie Welt wird, besteht sie schon im Himmel. Und auch die höchsten Götter besitzen Frohars. Ahura sagt ausdrücklich (Kap. XV): „Die Seele ist zuerst geschaffen und der Leib wurde hernach für sie geschaffen, und sie wurde in den Leib gelegt“ (ähnlich Kap. XVII). Die Seele wird auch das „Selbsttätige“ genannt.

      Weiter wissen wir von wunderbaren Vögeln; wie Karsapt, der dem Urmenschen und Paradiesherrscher Yima die mazdaijaçnische Lehre von Ahura überbrachte, von Varaghna der demselben Yima, da er die Unwahrheit gesagt hatte, die drei Gnaden entnahm, von dem auch aus Märchen bekannten Simorg und vielen anderen. Manche von ihnen kämpfen gegen die bösen Nachtgebilde, wie, ganz naturgemäß, der Hahn. Auch sind Dämonen, Geister, Gespenster usf. in unendlicher Zahl bekannt, gute (Yazatas) und böse (Dêvs), menschlich und tierisch geformte, wie der furchtbare Dahâka, dem Yima erliegt, und der teuflische Vernichter Aesna daeva, den man mit dem Asmodeus verglichen hat. Die Vorbedingungen für Seelen- und Fetischkult sind hiernach allerdings gegeben. Gleichwohl kann ich nicht ersehen, daß ein solcher Kult in der historischen Zeit stattgefunden hat. Zwei Stellen finde ich in Windischmanns „Zoroastrische Studien“, die unmittelbar auf Berg- und Baumkult sich beziehen, und beide betreffen das unsterblichmachende Haoma: „Anrufen will ich den Berg Hukairya, den ganz reinen, goldenen, von welchem herabfließt Ardviçura Anâhita, tausend Männer hoch besitzt sie Majestät wie alle Wasser, die auf der Erde hervorfließen.“ Die Ardviçura Anâhita ist das Lebenswasser, in ihm wächst der (weiße) Haoma-Baum Gaskerena (S. 175 f.). Und es heißt: „Wir rufen Gaskerena, den starken, von Mazda geschaffenen, an.“ Selbst dieses als Fetischismus anzusehen, möchte ich zaudern; es fehlt das Charakteristische, da ja die Gegenstände nur vorgestellt sind, nicht in Körperlichkeit angebetet werden. Außerdem sind es Lebensspender. Auf das irdische Homa, das bei Opfern dienende gelbe Homa, bezieht sich die Anbetung nicht. Lippert schreibt dem Fetischismus unter den Eraniern eine viel größere Bedeutung zu und rechnet hierher auch die Anbetung des Feuers. Der Zarathustrismus verleiht dem Feuer an sich keine göttliche Bedeutung; die Erklärungen, die ich darüber im Bundehesh aufgesucht habe (von den fünf und den drei Feuern) sind rein physisch. Gleichwohl findet eine wirkliche Feuerverehrung bekanntlich in so ausgedehntem Maße statt, daß sie vielfach als das Wesentliche der „Religion der Magier“ angesehen wurde. Möglich, daß dabei auch an einen Geist gedacht ist. Strabo erzählt, die Götter nähmen von den Opfern nur die Seele, alles Körperliche werde von den Priestern und Opfernden verzehrt. Aber dem Feuer wird Fett und Öl unmittelbar gespendet, das eben das Feuer anfacht, wie wenn es einen von der Spende sich ernährenden Geist enthielte. Auch dem Wasser wird geopfert, hier aber nach Strabos Bericht in der Weise, daß alles neben dem Wasser geschieht, dieses selbst nichts erhält, damit es nicht verunreinigt werde. Etwas Bestimmtes läßt sich für die historische Zeit nicht behaupten; diese ist zu spät, in Anbetracht der langen Vergangenheit, die das Volk schon vor seinem Eintritt in die Geschichte gehabt hat. In dieser Vergangenheit aber wird es wohl viel Naturmenschliches gedacht und gewirkt haben.

      Wir suchen das am besten bei den Indiern auf, deren Anschauungen sich vielfach mit denen der Eranier

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