Aus meinem Leben. Zweiter Teil. Bebel August

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Aus meinem Leben.  Zweiter Teil - Bebel August

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daß auch sozialdemokratische Kronprinzen, wo solche vorhanden, liberaler sind, denn später als regierende Herren.

* * * * *

      Am 14. Februar verkündete Schweitzer das Wahlresultat; er war wieder mit rund 5000 Stimmen gegen 54 zum Präsidenten gewählt. Die Wahl war ein moralisches Mißtrauensvotum, wenn man bedenkt, daß einige Wochen später auf der Generalversammlung in Barmen-Elberfeld 12000 Mitglieder vertreten waren; 40 Orte hatten gar keine Stimme abgegeben. Nachdem so der politische Urlaub Schweitzers seinen Zweck erreicht hatte, ging er am 18. Februar wieder ins Gefängnis, er wurde aber bereits am 4. März, dem Tage vor dem Zusammentritt des Reichstags, aus der Haft entlassen.

      Diese Haftentlassung bewies aufs neue die intimen Beziehungen Schweitzers zur Regierung. Solange ein Reichstag besteht, also von 1867 bis heute, ist es nie vorgekommen, daß ein Reichstagsabgeordneter, auch kein bürgerlicher, während des Reichstags aus der Strafhaft entlassen wurde, um an den Verhandlungen desselben teilzunehmen. Sogar mitten in der Session von 1909 bis 1910 mußte ein elsässischer Abgeordneter seine zweimonatige Strafhaft antreten. Die Regierungen, die preußische voran, wie die Mehrheit des Reichstags, haben stets die Ansicht vertreten, daß der Artikel 31 der Verfassung, der von der Immunität der Abgeordneten handelt, die Strafhaft nicht umfaßt. Im Gegensatz zu dieser jahrzehntelangen Uebung, die Preußen auch schon früher handhabte, wurde jetzt Schweitzer aus der Strafhaft beurlaubt, was nicht ohne Einwilligung des zuständigen Ministers geschehen konnte, der dieses nicht ohne die Zustimmung Bismarcks gewagt hätte.

      Wie letzterer im übrigen in diesen Dingen dachte, zeigte plastisch die Verhandlung, die der Reichstag am 28. April – also wenige Wochen nach Schweitzers Beurlaubung aus der Strafhaft – hatte. Mende hatte in München-Gladbach eine Versammlung abgehalten, nach der es zu tumultuarischen Auftritten gekommen war, wobei er verhaftet wurde, weil er angeblich diese Auftritte verursacht habe, was nicht der Fall war. Schweitzer stellte einen Antrag auf Haftentlassung Mendes. In der Debatte nahm auch Bismarck das Wort und erklärte sich in seiner peremptorischen Art gegen die Haftentlassung. Der Reichstag mußte aber auf Grund der vorliegenden Tatsachen gegen Bismarck entscheiden. Darauf rächte sich dieser dadurch, daß er den Beamten, die die Verhaftung Mendes angeordnet und vorgenommen hatten, Ordensauszeichnungen zustellte. Und im Falle Mende handelte es sich um keine rechtskräftig gewordene Strafhaft wie im Falle Schweitzer, sondern um eine Untersuchungshaft.

      Kurze Zeit vor jenem Vorgang war ich unfreiwilliger Zeuge einer Begegnung zwischen Schweitzer und dem Prinzen Albrecht, Bruder des Königs, der Mitglied des Reichstags war. Ich kam einen Korridor entlang und sah am Ende desselben den Prinzen Albrecht in Gesellschaft einiger konservativer Abgeordneter stehen. Aus einem Seitenkorridor trat Schweitzer. Sobald der Prinz seiner ansichtig wurde, winkte er Schweitzer heran, reichte ihm die Hand, die er kräftig schüttelte und fragte sehr leutselig: Mein lieber Schweitzer, wie geht es Ihnen? Schweitzer: Danke, Königliche Hoheit! Der Prinz: Warum waren Sie gestern nicht in der Sitzung? Schweitzer: Doch, Königliche Hoheit, ich war zugegen! Der Prinz: Warum haben Sie denn nicht das Wort ergriffen? Man hatte dieses erwartet…. Ich trat rasch in den Sitzungssaal, um nicht als Horcher zu erscheinen. Die Unterhaltung zeigte, daß Schweitzer mit dem Prinzen schon öfter verkehrt hatte, und sie zeigte weiter, daß „man“ auf der rechten Seite des Reichstags genau wußte, was selbst die radikalsten Reden Schweitzers bedeuteten.

      Die Generalversammlung in Barmen-Elberfeld

      Als wir am 27. März gegen Abend in Barmen-Elberfeld ankamen, empfingen uns eine Anzahl Gesinnungsgenossen, die sämtlich der Internationale angehörten. Ueber unsere Verhandlungen an jenem Abend schrieb ich noch in der Nacht an Marx:

      „Liebknecht und ich sitzen eben hier in Elberfeld in einem kleinen Kreise von Gesinnungsgenossen, um den Feldzugsplan für die morgige Schlacht vorzubereiten. Wir haben hier eine solche Fülle von Schuftereien Schweitzers zu hören bekommen, daß uns die Haare zu Berge stehen. Ebenso stellt sich zur Evidenz heraus, daß Schweitzer das Programm der Internationale nur zu dem Zwecke vorschlägt, um einen Hauptcoup gegen uns zu führen und ein gut Teil oppositioneller Elemente niederzuschlagen respektive zu sich herüberzuziehen. Ich bitte Sie deshalb, zugleich im Namen Liebknechts und sämtlicher hiesiger Freunde, eine etwaige Ratifikation des betreffenden Beschlusses der Generalversammlung durch Schweitzer vorläufig unberücksichtigt zu lassen oder wenigstens nur sehr vorsichtig zu beantworten.

      Nähere Mitteilungen folgen bald nach.

      Ueber den Ausgang der morgigen Disputation läßt sich noch gar nichts sagen, nur das eine kann ich mitteilen, daß Schweitzer mit allen Mitteln der Perfidie und Intrige gegen uns wühlt, auf einen durchschlagenden Erfolg hoffen wir auf keinen Fall. Die Organisation, um jede Opposition aus der Mitte seines eigenen Vereins totzuschlagen, ist hier schon seit Wochen mit großem Geschick getroffen worden. Gestern abend beispielsweise hat Schweitzer bei seiner Ankunft einen wahren Triumphzug durch Elberfeld-Barmen gehabt. (In einer mit Schimmeln bespannten Equipage.) Damit schließe ich für heute.“

      Schweitzer hatte im „Sozialdemokrat“ angekündigt, daß die Feinde schon bis in die Nähe des Präsidenten (also der allerhöchsten Person) gedrungen seien und die Generalversammlung wohl strenger und entschiedener als bisher alle Angriffe auf die Organisation, das heißt auf die von ihm oktroyierte, zurückweisen müsse.

      In der Vorversammlung war gegen die Ansicht Schweitzers – der die Begegnung mit uns hinausschieben, wenn nicht ganz verhindern wollte – mit 30 gegen 27 Stimmen unsere sofortige Zulassung beschlossen worden. Am nächsten Nachmittag traten wir in den überfüllten Saal, von wütenden Blicken der fanatisierten Anhänger Schweitzers empfangen. Liebknecht sprach zuerst, etwa anderthalb Stunden, ich folgte und sprach wesentlich kürzer. Unsere Anklagen enthielten zusammengedrängt, was ich bisher hier gegen Schweitzer vorgebracht habe. Mehrere Male erfolgten heftige Unterbrechungen, namentlich als ich Schweitzer als Regierungsagent bezeichnete. Ich solle das Wort zurücknehmen. Dessen weigerte ich mich. Ich glaubte, das Recht zu haben, meine Meinung frei aussprechen zu dürfen, sie, die Zuhörer, brauchten mir ja nicht zu glauben.

      Der „Sozialdemokrat“ brachte einen sehr verstümmelten, zum Teil gefälschten Bericht unserer Reden, der irreführend wirkte. Liebknecht übertrieb die Loyalität. Er unterließ jede Berichterstattung und begnügte sich, im „Demokratischen Wochenblatt“ mitzuteilen, daß wir auf der Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins gewesen und unsere Anklagen gegen Schweitzer vorgebracht hätten. Schweitzer habe mit 6500 Stimmen gegen 4500, deren Vertreter sich der Abstimmung enthalten hätten, ein Vertrauensvotum erhalten. Doch da wir begründete Aussicht auf Verständigung, wenn auch nicht auf Vereinigung der vermiedenen sozialdemokratischen Fraktionen hätten, werde das „Demokratische Wochenblatt“ keine Angriffe auf Schweitzer mehr veröffentlichen, wobei wir voraussetzten, daß von der Gegenseite dieselbe Taktik innegehalten werde. Das geschah aber nicht, vielmehr setzte der „Sozialdemokrat“ seine Angriffe auf uns fort.

      Schweitzer, der während unserer Reden auf dem Podium hinter uns saß, erwiderte kein Wort. So verließen wir den Saal, wobei einige Delegierte vor und hinter uns gingen, um uns vor Tätlichkeiten der fanatisierten Anhänger Schweitzers zu schützen. Aber Schmeichelworte wie Schufte, Verräter, Lumpe, euch sollte man die Knochen im Leibe zerschlagen usw., bekamen wir bei dem Gange durch das lebende Spalier in Menge zu hören. Auch machte einer der Anwesenden den Versuch, mich beim Heruntersteigen vom Podium durch einen Stoß in die Kniekehle zu Fall zu bringen. Vor der Tür nahmen uns unsere Freunde in Empfang, um uns als Schutzgarde nach unserem Hotel zu geleiten.

      Schweitzer verlangte von den Delegierten ein Vertrauensvotum. Nach erregter Debatte wurde ihm dasselbe mit der oben mitgeteilten Stimmenzahl erteilt. Die Delegierten, die sich der Abstimmung enthielten, waren: Bracke, Bräuer, Rudolph-Hannover, v. Daake, Geib, Hirsch, Perl, Raspe-Essen, Schrader, Louis Schumann-Berlin, Spier, Heinrich Vogel, Wilke und York.

      Die Genannten mußten schwer büßen, daß sie das Vertrauensvotum verweigert hatten; im „Sozialdemokrat“ fielen

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