Pieśń Lodu i Ognia.. George R.r. Martin

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Pieśń Lodu i Ognia. - George R.r. Martin

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den Raum.

      Esha hob den Hörer des Telefons an der Wand ab und wählte mehrere Nummern, bevor sie eine Aufsicht ans Telefon bekam. Ein Mann kam herein, groß und kräftig wie ein Soldat. Mit seinen ruhigen, halbgeschlossenen Augen beobachtete er die tobenden Schüler, fragte Esha, was sie wünsche. Sie erzählte von dem Zwischenfall, und der Aufseher wandte sich an den fraglichen Schüler, der beim Leben seiner Mutter schwor, nichts gemacht zu haben, was alle seine Brüder bezeugen könnten.

      In der Überzeugung, dass niemand etwas Böses wolle, dass es ihre Art sei und dass man sie nicht vor den Kopf stoßen dürfe, verließ der Aufseher den Raum und schloss ehrfürchtig die Tür hinter sich. Nichts konnte Esha beruhigen. Weder der Bericht, den sie im Anschluss für den Beauftragten für Disziplinarfragen und die Direktion verfasste, noch die Sammelmail, die sie an ihre Kollegen schickte.

      Angespannt ging sie in die zweite Unterrichtsstunde in einer Klasse mit Mädchen, die eine Ausbildung in der Modebranche machten.

      Seit Beginn des Schuljahres hatte sie sich das Vertrauen eines Teils von ihnen erarbeitet, sie thematisierten die Stellung der Frau, trugen T-Shirts mit politischen Slogans, waren stolz auf ihre Tätowierungen und Piercings, lasen in den Pausen. Die anderen folgten allen Modetrends, oder packten sie vielmehr, zermalmten sie mit ihren starken Händen und behielten Fetzen aus Stoff, Metall, Farben und Frisuren zurück. Mit ihren kräftigen Körpern in engen Leggings, ihren Perücken, Extensions, Zöpfen, ihren falschen Wimpern, falschen Nägeln, ihrem Lippenstift waren sie grausam schön und beunruhigend. Diese Kriegerinnen lächelten nie, legten sich ständig mit Esha an, musterten sie und gaben tuschelnd Kommentare ab, mit denen sie ihre Klassenkameradinnen die ganze Stunde lang zum Lachen brachten.

      Für diesen Nachmittag hatte Esha sich vorgenommen, in ihrem Unterricht Simone de Beauvoir zu behandeln. Sobald sie ihnen ihre Biografie ausgeteilt hatte, warf ein Mädchen ihre blauen und schwarzen Zöpfe in den Nacken und sagte laut: »Das ist abartig!«

      »Warum abartig?«

      Esha war überrascht. Sie hatte die beiden unterschiedlichen Gruppen in ihrer Klasse mit einem Thema, das alle interessierte, versöhnen wollen und wurde unruhig.

      »Es ist nicht gut, sowas zu lesen, Madame.«

      »Ja, sie ist … Sie wissen schon … sie hat Frauen geliebt, sie war homo.«

      »Sie hat Männer und Frauen geliebt.«

      »Dann ist sie eine Nutte.«

      Von einem Moment zum nächsten herrschte helle Aufregung. »Das ist haram. Das ist Sünde. Diese Leute machen es von hinten. Für sowas kommen wir nicht zur Schule.« »Das ist eine Sünde, Madame, so steht es in der Bibel.« Diejenigen, die schöne, volle Extensions trugen und diejenigen, die ihre Haare unter einem hübschen blauen oder grauen Kopftuch verbargen, schrien durcheinander, lachten und brachten die drei, vier Mädchen zum Schweigen, die sich auf der anderen Seite des Raumes befanden und die Szenerie verstört beobachteten. Esha sagte nichts, schaute ihnen zu und überlegte. Dann begann sie, das Gesagte in zwei Spalten auf der Tafel zu notieren. Die Mädchen hörten plötzlich auf zu schreien.

      »He, warum schreiben Sie das auf?«

      Esha beruhigte sie, sie wollte nur ihre Meinung zum Thema festhalten, um darüber zu sprechen. Die Spalten wurden immer unausgeglichener, die Reihe der Beleidigungen nahm die ganze Tafel ein, die Mädchen wurden still.

      Am Ende des Schultags sprachen Fadyla und Houria, zwei ihrer Kolleginnen, sie an. »Ignoriere sie einfach! Sie sind dumm und gemein.«

      »Du darfst es ihnen nicht übel nehmen. Du musst sie verstehen, dich auf sie einlassen …«

      Jean war Musiklehrer. Er rückte seine blaue Brille zurecht, die farblich auf seinen Schal aus sorgfältig zerknitterter blauer Biobaumwolle abgestimmt war, und stellte sich zu ihnen. Ein kleines, kaum merkliches Lächeln erstrahlte auf Fadylas Gesicht, sie wirkte wie ein junges, verschmitztes Mädchen. Sie nickte Esha zu und verließ mit Houria den Raum. Jean lief im Lehrerzimmer auf und ab und warf Esha flüchtige Blicke zu, aber sie hatte keine Lust mehr, ihr Gespräch, das zu nichts führen konnte, fortzusetzen.

      Esha rieb ihr Gesicht am Laken, versuchte, den Tag, die Beleidigungen, das Geschrei, das Gelächter auszulöschen. Sie dachte an ihre Jugend, ein Mädchengymnasium in einem einfachen Viertel von Kalkutta, ihre Klassenkameradinnen und sie kommentierten den Werdegang und das Werk der feministischen Philosophin, träumten davon, die Stadt zu erkunden, wo Menschen verschiedener Herkunft, Künstler und Intellektuelle zusammenkamen, die freie Liebe kennenzulernen, den Mann ihres Lebens zu treffen, der zudem ein Mann von Welt, ein Mann seiner Zeit, der Zukunft sein würde. Sie erinnerte sich an den Rasen, wo sie bis lange nach Unterrichtsende saßen, hinter den Mauern wurde es langsam Abend, der nepalesische Hausmeister und seine Frau bereiteten vor ihrer Wohnung in einem Backsteinofen unter freiem Himmel das Abendessen zu, ein Hahn und seine Hühner scharrten in der Nähe. Wenn Esha und ihre Freundinnen wieder aufstanden, hatten ihre weißen Tuniken grüne Flecken, der Duft von frisch gebackenem Brot ließ ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen, manchmal nahmen sie ein Stück oder etwas Gemüse von der Frau des Hausmeisters an, manchmal rannten sie zur Kreuzung, die Schultasche an die Brust gepresst, in Gedanken schon bei der Tracht Prügel, die sie zu Hause erwartete.

      Ihr Lehmkörper

      »Meine Mutter mag dich, meine Schwester hat neulich auch gut von dir gesprochen … Naja … Keine Ahnung, wenn dein Vater einverstanden ist, ich meine, wenn mein Vater einverstanden ist, geht es vielleicht … bekommen wir es vielleicht hin …«

      Sam stockte. Sein trockener Mund verschluckte seine letzten Worte. Mit gesenktem Kopf stand er vor Mina und bearbeitete seine Schuhe von innen mit den Zehen.

      Sie hatten sich auf einer kleinen Brache hinter den Marktständen verabredet, wo der Boden von den Murmellöchern der spielenden Kinder zerfurcht war und die Bananenstauden ringsum die Blicke der Passanten abhielten. Der Nachmittag war reglos, die Händler waren zur Mittagsruhe nach Hause gegangen. An einem Mangobaum, dessen Stamm frische weiße Narben trug, hatte jemand eine Schaukel aus einem einfachen Seil und einem Brett befestigt.

      Wenn er sie angesehen hätte, hätte Sam bemerkt, dass Minas Augen voller schmutziger Tränen mit einem Mal durchsichtig vor Freude und Leben geworden waren. Sie war überwältigt vor Glück. Damit hatte sie nicht gerechnet, sie lächelte zögerlich. Sams Worte hingen in der Luft, und für Mina bedeuteten sie Hoffnung, ein dünner Faden, an den sie sich klammern konnte, um nicht zu fallen, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie war schon dankbar gewesen, dass Sam sich schließlich zu einem Treffen bereiterklärt hatte, und glaubte, dass ihre Gebete vielleicht nicht umsonst gewesen waren. Seit Wochen leugnete sie die Tatsachen, belog sich selbst und ihre Mutter. Sie wurde immer zerstreuter und unruhiger und hatte keine Kraft mehr für den Kampf gegen die Automobilfabrik. Die Bauern von Tajpur hatten sich gewundert und geglaubt, das Treffen mit dem Abgeordneten hätte ihr Angst eingejagt. Dann hatten sie gedacht, dass es der Lauf der Dinge war, dass eben keine Frau die Fahne lange tragen konnte, weil sie zu schwer war.

      Der Abgeordnete hatte ihr, sehr freundlich, eine erste Warnung ausgesprochen. Für einige Tage hatte Mina gedacht, dass es vielleicht besser so war. Wer war sie denn, um den Aufstand von Tajpur anzuführen? War es nicht dringender, dass sie sich um sich selbst und ihren Zustand kümmerte, dass sie Sam anrief, dass sie ihn bat, eine Lösung zu finden? Sie war wie die jungen Frauen aus dem Dorf, die auf die Felder gingen, die Halme mit der Handsichel schnitten, den gebündelten, goldenen Paddy auf einem Holzbrett droschen, um die Spreu vom Korn zu trennen, die im Großen Weiher badeten, die einander bei der Taille nahmen, die Luft anhielten und untertauchten,

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