Elim. Александр Дюма
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»Wahrhaftig,« sagte der alte Seemann, »ich glaubte, daß uns das vergessene Zeichen des Kreuzes Unglück bringen würde. Folgen Sie meinem Rath, Herr Lieutenant, machen Sie das Versäumte wieder gut und schlagen Sie jetzt zweimal das Kreuz.
»Einen Augenblick,« sagte Jurko, »schien es mir, als ob mich der verwünschte Ertrunkene an den Füßen zöge. Ich habe ihm auch einen tüchtigen Fußtritt gegeben.«
»Willst Du wissen, Jurko , wo dein Fußtritt ist?« fragte ein Matrose, indem er sein blau unterlaufenes Auge zeigte. »Da sieh nur.«
»Du hast mich also bei den Füßen gezogen ?« fragte Jurko.
»Nun ja; wenn man tief unten im Meere ist und einen Purzelbaum gemacht hat, wie wir, so greift man was man kann.«
Während die sechs Leidensgefährten mit der den Matrosen aller Nationen eigenen Sorglosigkeit über die eben bestandenen Gefahren scherzten, erreichten sie die Deiche.
Die See tobte unter ihnen, aber sie wurden nur noch vom Schaum bespritzt, die Wellen konnten sie nicht mehr erreichen.
»Da sind wir also glücklich aus dem Wasser,« sagte einer der Matrosen; »das ist recht schön, aber wir werden hier erfrieren.«
»Warte nur bis die Kosakensonne1 aufgeht,« erwiederte Jurko, »dann kannst Du Dich an ihren Strahlen trocknen.«
»Brrr!« sagte ein Anderer, sich schüttelnd, »ich möchte eine Pfeife rauchen.«
»Schade daß Dir das nicht früher eingefallen ist,« sagte der Matrose mit dem blauen Auge; »Du hättest deine Pfeife anzünden können an den sechsunddreißig Kerzen, die ich gesehen habe, als mir Jurko auf meine Laterne trat.«
Aber die armen Teufel vermochten die Kälte nicht hinwegzuscherzen, sie standen schlotternd im Winde. Selbst Elim vermochte trotz seines Muthes und seiner kräftigen Jugend der Kälte nicht zu widerstehen.
»Stehet auf, Kinder,« sagte er zu zwei Matrosen, die sich mitten in den Schlamm gelegt hatten. »Geschwind auf! Bedenket, daß Ihr morgen in jener Welt erwachen werdet, wenn Ihr diesen Abend hier einschlafet.«
»Da sind wir, Herr Lieutenant. Was befehlen Sie?« sagten die Matrosen, sich schüttelnd.
»Vor Allem müssen wir ein Obdach suchen, wo wir übernachten können. Vielleicht finden wir brave Leute, die uns nicht verrathen, und morgen Früh können wir in einem Fischerboote zum »Wladimir« zurückkehren.«
Der muthige junge Offizier suchte seinen Matrosen eine Hoffnung zu machen, die er selbst nicht hatte, »Aber wir müssen bei einander bleiben,« setzte er hinzu. »Folget mir und sprechet leise. Bedenkt, daß Ihr russisch sprechet und daß wir in Holland sind.«
»O, ich kann holländisch,« sagte Jurko.
»Wie, Du sprichst holländisch ?« fragte Elim erstaunt.
»Wo in aller Welt hast Du es gelernt?«
»Ich bin ja Süßwassermatrose gewesen, ehe ich Seemann wurde.«
»Aber was hat ein Süßwassermatrose mit den Holländern zu thun?«
»In Casan habe ich tartarisch gelernt.«
»Und mit Holländern willst Du tartarisch sprechen?«
»Reden denn nicht alle Heiden die gleiche Sprache?«
Der junge Schiffslieutenant lachte, trotz der bedenklichen Frage über die Universalsprache, welche nach der naiven Lebensansicht des Matrosen von allen Völkern gesprochen wurde, denen nicht das Glück zu Theil geworden, sich zur griechischen Kirche zu bekennen.
Etwa zehn Minuten gingen die Matrosen, von Elim geführt, auf einem schmalen Fußpfade fort. Es war so finster, daß sie keine zehn Schritte weit sehen konnten. Von Zeit zu Zeit stand der junge Offizier still und lauschte, aber er hörte nichts als das Heulen des Windes und das Brausen der Wellen.
Endlich nachdem die Wanderer etwa eine halbe Stunde gegangen waren, hörten sie ein Getöse, welches, als sie näher kamen, sogar lauter wurde als das Brausen des Meeres. Es mußte ein reißender Strom sein, und bald erblickten sie vor sich eine dunkle Masse.
Es war eine Mühle.
Halt!« sagte Elim.
»Warum denn Halt, Herr Lieutenant?« fragte ein Matrose.
»Weil Franzosen in der Mühle sein können.
»Und wenn der Teufel darin wäre, so weiß ich keinen bessern Rath, als hineinzugehen.«
»Wenn Franzosen darin sind, wird uns schon warm werden,« meinte der Matrose mit dem blauen Auge.
»Warm!« erwiederte Jurko , »das wäre mir eben recht, denn ich bin fast erstarrt.«
»Und ich habe einen wüthenden Hunger,« sagte ein Anderer; »ich wäre im Stande in das Mühlrad zu beißen.«
»Saget eure Meinung, Kinder,« setzte Elim hinzu; »denn in unserer Lage gibt es keinen Vorgesetzten und keine Untergebenen mehr, wir sind Leidensgefährten.«
Die Matrosen beriethen sich.
»Herr Lieutenant,« sagte Jurko nach einer kleinen Weile, »wir Alle sind der Meinung, daß wir lieber alles Andere erdulden, als verhungern und erfrieren wollen.«
»Und wenn die Franzosen in der Mühle sind?«
»Nun, dann müssen wir uns mit ihnen verständigen; fressen werden sie uns nicht. Das Schlimmste was uns geschehen kann, ist Gefangenschaft.«
»Allerdings; aber es wäre noch besser, ein gutes Nachtessen einzunehmen und gut einzuschlafen und morgen an Bord des »Wladimir« zurückzukehren.
Jurko schüttelte den Kopf.
»Das wäre freilich noch besser,« erwiederte er, »aber ich glaube, Herr Lieutenant, daß Sie auf einmal zu viel verlangen.«
»Wer weiß?« sagte der junge Offizier. »Diese Mühle muß ziemlich weit von der Stadt entfernt sein, und der Müller muß uns gutwillig oder gezwungen verbergen, und wenn der Tag anbricht, wird sich finden was zu thun ist. Bewaffnet Euch mit den ersten besten Dingen, die Euch in die Hände fallen; ich habe meinen Dolch. Wir wollen leise eintreten.«
Die Matrosen brachen Stöcke aus einem Zaun. Jurko, der keinen Stock nach seinem Gefallen fand, nahm in jede Hand einen Stein.
Die Hofthür war von innen nur durch einen hölzernen Riegel geschlossen, und dieser gab bei dem ersten Druck nach.
Die Wanderer waren im Hofe. Elim suchte die Hausthür und fand sie bald.
Die nicht verschlossene Thür führte in einen dunklen Gang, aber ein Lichtstrahl drang durch eine Thürspalte.
Der junge Offizier ging auf den Lichtschimmer zu und öffnete entschlossen die Thür.
Er stand auf der Schwelle einer hellerleuchteten Küche. Auf einem großen Herde brannte ein lustiges Feuer, vor welchem eine am Spieß steckende
1
Da die Kosaken ihre Streifzüge hauptsächlich in der Nacht machen, so pflegen die Nordrussen den Mond scherzweise die »Kosakensonne« zu nennen.