Ingénue. Александр Дюма
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»Alsdann, so wie man sie zeichnet, fesselt man sie zu zwei und zwei an einander, und man führt sie in den Fond des Schiffes, der ihnen für zwei Monate als Gefängniß und häufig als Grab dienen soll.
»Oft, während einer Ueberfahrt, – so gewaltig ist ihr Grauen vor der Sklaverei! – kommen zwei, vier, sechs von diesen Unglücklichen überein, sich ins Meer zu stürzen, führen ihr Vorhaben aus und finden, da sie gefesselt sind, den Tod in den Tiefen des Oceans.
»Bei dem letzten Ankaufe, den der Kapitän Philips in Guinea, beim König von Juida gemacht hat, hat er so zwölf Neger verloren, die sich freiwillig ertränkten.
»Da man sie indessen sehr scharf bewacht, so gelangen gewöhnlich die allermeisten Sklaven ins Schiff. Sogleich bringt man sie in den Raum; hier bleiben dann fünf bis sechshundert Unglückliche unter einander in einer nach der Länge ihres Leibes abgemessenen Reiche aufgehäuft, das Licht nur durch die Oeffnung der Luken erschauend, bei Tag und Nacht nur eine Luft einathmend, welche ungesund und verpestet wird durch den beständigen Aufenthalt der menschlichen Ausdünstungen und der Excremente, welche nicht entfernt werden; dann entspringt aus dem Gemische aller dieser faulen Ausdünstungen eine schmerzliche Infection, welche das Blut verdirbt und eine Menge von Entzündungskrankheiten erzeugt, die dem Viertel und manchmal dem Drittel von allen diesen Sklaven in der kurzen Zeit von zwei bis drittehalb Monaten, welche gewöhnlich die Ueberfahrt dauert, den Tod bringen.
»O Ihr, an die ich mich wende,« rief der Redner, indem er die Hand ausstreckte, als wollte er das ganze Weltall beschwören, »Engländer, Franzosen, Russen, Deutsche, Americaner, Spanier! mag Euch das Schicksal eine Krone auf das Haupt gesetzt oder einen Spaten in die Hand gegeben haben, werft einen Blick auf die Lage, in welche Euch die europäischen Rheder seit so langer Zeit versenken; bedenkt, daß in dem Momente, wo ich spreche, die Kapitäne der Negerschiffe alle die von mir geschilderten Gräuel üben, und daß im Namen Europas und unter dem Regime seiner Gesetze solche Verbuchen ohne Gewissensbisse begangen werden.
»Erleuchtete Europäer, glaubet auch nicht an die Fabeln, welche diese entarteten Menschen Euch kalt in Europa vorschwatzen, um ihre Missethaten zu verbergen; hütet Euch, ihren Verleumdungen Glauben zu schenken, wenn sie behaupten, die unglücklichen Neger seien des Gefühls und der Vernunft beraubte Thiere; erfahret im Gegentheil: es ist nicht Einer unter denjenigen, welche Ihr ihrer Heimath entreißt, der nicht eine zarte Neigung seines Innersten, die Ihr gebrochen, beklagt, – nicht ein Kind, das nicht schmerzlich den Verlust seiner Eltern oder seines Vaters fühlt, – nicht eine Frau, die nicht um einen Gatten, um eine Mutter, um eine Schwester, um eine Freundin weint, – nicht ein Mann, den nicht in der Tiefe seines geschworenen Herzens die Verzweiflung über die zarten Bande verzehrt, die Ihr durch eine gewaltthätige, grausame Trennung vernichtet habt. Ja, ich sage es Euch freimüthig, es ist nicht Einer von Euren Sklaven, der Euch nicht in der Wahrheit seines Herzens als die mörderischen Henker betrachtet, welche die süßesten Gefühle der Natur mit Füßen treten, erwürgen.
»Grausame, unversöhnliche Menschen! wüßtet Ihr im Grunde der Herzen zu lesen, würden ihre gerechten Klagen nicht auf das Strengste zum Stillschweigen gebracht oder mit den entsetzlichsten Strafen geahndet, so könntet Ihr hier einen verscheidenden Vater zu Euch sagen hören: »»Du hast mich von einer Schaar Kinder getrennt, welche meine Arbeit ernährte, und die nun vor Hunger und Elend sterben!«« Dort müßtet Ihr eine Mutter in der Verzweiflung finden, die Ihr aus den Armen eines Gatten oder einer geliebten Tochter gerissen, welche dem Augenblicke ihrer Verheirathung ganz nahe war; anderswo ihren Familien geraubte junge Kinder, welche weinend und schluchzend ausrufen: Pau, pau, bulla! (Vater, Vater, die Hand!) – neben ihnen ein bestürztes Mädchen, das um die Zärtlichkeit einer Mutter oder eines jungen Mannes weint, von dem es aufrichtig geliebt wurde; überall Geschöpfe, welche im tiefsten Jammer darüber, daß sie nicht den traurigen Trost gehabt, ihre Thränen mit denen ihres Vaters oder ihrer Verwandten, dieselben auf immer verlassend, zu vermischen; in allen Herzen würdet Ihr endlich die Schaam und die Entrüstung concentrirt finden, und darum diese Menschen auch fähig zu den Extremitäten, zu denen die Verzweiflung führen kann.«
Das Mitleid der Versammlung zu Gunsten der unglücklichen Neger hatte den höchsten Grad erreicht; nachdem sie den Redner durch ihr Beifallklatschen unterbrochen, brauchte sie auch eine Zeitlang, um sich wieder zu fassen: der Redner benützte diesen Waffenstillstand, um sich die Stirne mit einem Batistsacktuche abzuwischen und ein Glas Zuckerwasser zu trinken.
Während dieses ganzen Plaidoyer, dem wir geflissentlich die oratorische Form der Zeit gelassen haben, betrachtete Danton aufmerksam Marat, dessen Gesicht allmälig den Ausdruck einer mächtigen Ironie annahm.
Malouet fuhr fort:
»Sie haben gebebt, Sie haben geweint. Hören Sie, was mir noch zu sagen bleibt, empfindsame Herzen, liebende Seelen. Als der Kapitän Philips, dessen Namen ich schon ausgesprochen, seine Ladung beendigt hatte, da geschah es, abgesehen von den zwölf Negern, die sich ins Meer gestürzt, daß Viele sich weigerten, zu essen, in der Hoffnung, durch einen rascheren Tod ihren Qualen zu entgehen; nun machten einige Officiere des Schiffes den Vorschlag, den Halsstarrigsten die Füße und die Arme abzuschneiden, um die Andern zu erschrecken; doch menschlicher, als man hoffen durfte, weigerte sich der Commandant und sagte: »»Sie sind schon unglücklich genug, ohne daß man sie noch so grausame Strafen braucht erdulden zu lassen!«« Mit Freuden, meine Herren, lasse ich diesem Manne seinen Edelmuth veröffentlichend Gerechtigkeit widerfahren; doch gegen Einen, welcher so handelt, wie Viele verhalten sich anders! wie Viele brechen auf diese Weigerung, zu essen, mit eisernen Stangen, und zwar an mehreren Stellen, die Arme und die Beine der unglücklichen Widerspänstigen, die durch das entsetzliche Geschrei, das sie ausstoßen, den Schrecken unter ihren Gefährten verbreiten und sie nöthigen, aus Furcht vor derselben Behandlung zu thun, was sie mit eben so viel Stärke als Vernunft zu thun sich weigerten!
»Diese Strafe, meine Herren, kommt dem Rade in Europa gleich, nur mit dem Unterschiede, daß diejenigen, welche man in Europa rädert, Verbrecher sind, während diejenigen, welche man auf den Negerschiffen rädert, Unschuldige sind.
»Warten Sie noch, ich bin nicht zu Ende: ich habe hier einen geschriebenen, veröffentlichten, gedruckten Bericht von John Atkins, Wundarzt an Bord des Admiralschiffes der Ogles-Squadron, mit Negern von Guinea befrachtet; hören Sie, was er Ihnen sagt . . . John Harding, der dieses Schiff befehligte, bemerkte, daß mehrere Sklaven sich ins Ohr sprachen, daß mehrere Weiber das Ansehen hatten, als verbreiteten sie ein Geheimniß; er bildete sich ein, es conspiriren einige Schwarze, um ihre Freiheit wiederzuerlangen; wissen Sie, was sodann, ohne sich zu versichern, ob der Verdacht gegründet war, der Kapitän Harding that? Er verurtheilte auf der Stelle zwei von diesen Unglücklichen, einen Mann und eine Frau, zum Tode, und sprach dieses Urtheil, indem er die Hand gegen den Mann ausstreckte, der zuerst sterben solle: sogleich wurde der Unglückliche vor allen seinen Brüdern umgebracht, dann riß man ihm das Herz, die Leber und die Eingeweide aus, und streute Alles dies auf dem Boden umher, und da dreihundert Sklaven auf dem Schiffe waren, so schnitt man das Herz, die Leber und die Eingeweide in dreihundert Stücke und zwang die Gefährten des Todten, sie roh und blutig zu essen, wobei der Kapitän mit derselben Strafe Jeden bedrohte, der diese gräuliche Nahrung zu verzehren sich weigern würde!«
Ein Gemurmel des Entsetzens durchlief die Versammlung.
Doch die Stimme des Redners beherrschte dieses Gemurmel; er begriff, daß er, nach den Formen der Redekunst, einen zweiten Schlag nach dem ersten thun mußte.
»Hören Sie, hören Sie!« rief er. »Nicht befriedigt durch diese Execution, bezeichnete der grausame Kapitän seinen Henkern auch noch die Frau; die Befehle, wie man bei ihr zu Werke gehen sollte, waren zum Voraus gegeben worden. Die Arme wurde mit Stricken an beiden Daumen gebunden und an einem Maste aufgehängt, bis ihre Füße die Erde verloren hatten. Man zog ihr die Lumpen aus, die sie bedeckten, und peitschte sie zuerst, bis das Blut an ihrem ganzen Leibe herabrieselte; dann