Pauline. Александр Дюма
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Bald erkannte ich denselben, stieg den Berg hinauf und die ersten Strahlen des Mondes zeigten mir die Ruinen der alten Abtei. Ich durchschritt die Vorhalle und befand mich, wie das erste Mal, in der Kapelle.
Auch jetzt schlug mir das Herz heftig, aber mehr vor Erwartung, als Furcht. Ich hatte Zeit gehabt, einen festen Entschluß zu fassen, der nicht auf jene physische Aufregung, welche uns für den Augenblick einen tollkühnen Mut einflößt, sondern auf die moralische Reflexion gestützt war, welche unsern Vorsatz weise, aber auch unwiderruflich macht.
Bei dem Pfeiler angekommen, an dessen Fuße ich geschlafen hatte, stand ich einen Augen blick still, um einen Blick auf meine Umgebung zu werfen. Außer dem fortwährenden Rauschen, welches das Atmen des Meeres zu sein scheint, ließ sich kein Geräusch vernehmen. Ich entschloß mich nun, nach einer gewissen Ordnung fortzuschreiten und vorerst den Ort zu untersuchen, wo der Graf von Beuzeval (denn ich war überzeugt, daß dieser es war) einen Gegenstand verborgen hatte, den ich nicht erkennen konnte. Ich ließ die Fackel und das Brecheisen an dem Pfeiler, nahm meine Flinte von der Schulter, um zur Vertheidigung bereit zu sein, erreichte den Korridor, schritt den dunklen Säulengang entlang, fand den Spaten an einem der Pfeiler lehnend und bemächtigte mich desselben. Nun verhielt ich mich einen Augenblick still und unbeweglich, um mich von meinem Alleinsein zu überzeugen, und eilte dann, den Verwahrungsort zu erreichen. Ich hob den Grabstein auf, wie der Graf gethan hatte, fand die Erde frisch umgestochen, legte meine Flinte auf den Boden und stach nun mit dem Spaten in das bereits aufgelockerte Erdreich. Schon im ersten Wurf Erde sah ich einen Schlüssel glänzen. Ich füllte das. Loch wieder zu, legte den Stein darauf, nahm meine Flinte vom Boden auf und lehnte den Spaten an den Ort, wo ich ihn gefunden hatte. Dann verweilte ich einen Augenblick an der dunkelsten Stelle, um einigermaßen meine Gedanken zu sammeln.
Es unterlag keinem Zweifel, dieser Schlüssel öffnete die Tür, aus welcher ich den Grafen hatten kommen sehen. Demnach hatte ich das Brecheisen nicht nötig und ließ es hinter dem Pfeiler. Ich nahm bloß die Fackel, nahete mich nun der gewölbten Türe, stieg die drei Stufen hinab und versuchte, den Schlüssel in das Schlüsselloch zu stecken. Er paßte. Als ich zum zweiten Male herum drehte, öffnete sich der Riegel und ich trat ein. Im Begriff, die Tür wieder zu verschließen, dachte ich daran, daß mich ein Zufall verhindern könne, dieselbe mit dem Schlüssel wieder zu öffnen. Ich holte deshalb das Brecheisen noch und versteckte dasselbe tief unter der vierten und fünften Stufe dann verschloß ich die Tür wieder und befand mich nun in der tiefsten Finsternis. Nun zündete ich die Fackel an und erhellte so den unterirdischen Raum.
Der Gang, in welchem ich mich befand, glich dem Eingange in einen Keller, war 5 bis 6 Fuß breit und hatte Wände und Gewölbe von Stein. Eine Treppe von 20 Stufen lag vor mir, an deren Fuße eine abhängige Fläche immer tiefer unter der Erde fortlief. Einige Schritte vor mir befand sich eine zweite Tür. Ich ging nach ihr hin, legte mein Ohr an die eichenen Bohlen, hörte aber nichts; ich trat ein, wie durch die erste, ohne sie jedoch hinter mir zu verschließen, und befand mich nun im Grabgewölbe der Äbte. Die Mönche wurden auf dem Friedhof begraben.
Ich blieb einen Augenblick stehen, überzeugt, daß ich mich bald am Ziele befinden werde. Meine Maßregeln waren zwar zu gut genommen, als daß ich etwas zu fürchten gehabt hätte, doch wirst du mir wohl glauben, fuhr Alfred fort, daß die Örtlichkeit nicht ohne Einfluß auf mich war. Ich legte die Hand an meine mit Schweiß bedeckte Stirn Und blieb einen Augenblick ruhig stehen, um mich zu sammeln. Was werde ich finden? Gewiss einen Leichenstein, seit 3 Tagen errichtet! Plötzlich schauderte ich zusammen; ich glaubte einen Seufzer zu hören.
Dieses Geräusch gab mir meinen ganzen Mut zurück, statt ihn zu vermindern. Ich eilte schnell vorwärts. Aber woher war dieser Seufzer gekommen? Während ich noch so um mich schaute, ließ sich ein zweiter vernehmen. Ich stürzte nach der Seite hin, woher er zu kommen schien, suchte mit meinen Augen in jedem Grabgewölbe, ohne etwas zu bemerken als Leichensteine mit Inschriften, die die Namen derjenigen nannten, welche unter ihrem Schutze ruhten. Endlich beim letzten, verborgensten und entferntesten derselben angekommen, bemerkte ich ein weibliches Wesen, in einem Winkel sitzend, die Hände in einander gefaltet, die Augen geschlossen. Neben ihr auf einem Steine lag ein Brief, und daneben standen eine erloschene Lampe und ein leeres Glas. War ich zu spät gekommen? War sie schon tot? Ich suchte das Gitter mit dem Schlüssel zu öffnen, allein er passte nicht; bei dem Geräusch, welches ich machte, öffnete, die Frau die Augen, entfernte unter Zuckungen die Haare, welche ihr Gesicht bedeckten und stand nach einem Augenblick aufrecht vor mir, wie ein Gespenst. Ich stieß einen Schrei aus und den Namen – Pauline!
Da stürzte sie hinter dem Gitter auf die Kniee nieder.
O! schrie sie, mit dem Ausdrucke der fürchterlichsten Todesangst, befreien Sie mich aus diesem Orte! Ich habe nichts gesehen, ich werde nichts sagen, ich schwöre es bei meiner Mutter!
Pauline! Pauline! wiederholte ich, ihre Hände durch das Gitter ergreifend, Sie haben nichts zu fürchten. Ich komme zu Ihrer Hilfe, zu Ihrem Beistand, ich komme, Sie zu retten!
O! sagte sie, sich erhebend, mich zu retten – mich zu retten. . . ja, mich zu retten. Öffnen Sie diese Tür, öffnen Sie dieselbe schnell, denn so lange sie noch verschlossen ist, glaube ich nicht, was Sie mir sagen. Um's Himmels willen, öffnen Sie. – Bei diesen Worten ergriff sie das Gitter und schüttelte es mit einer Kraft, die ich einer Frau nie zugetraut hätte.
Beruhigen Sie sich, beruhigen Sie sich, sagte ich zu ihr, ich habe keinen Schlüssel zu dieser Türe; aber ich besitze Mittel, sie zu öffnen; ich werde sie sogleich holen.
Verlassen Sie mich nicht! schrie Pauline, meinen Arm durch das Gitter mit ungeheurer Kraft ergreifend, verlassen Sie mich nicht, ich würde Sie sonst nicht wiedersehen!
Pauline, erwiderte ich, und beleuchtete mein Gesicht mit der Fackel, erkennen Sie mich nicht? O! betrachten Sie mich und sagen Sie, ob Sie dann noch glauben, daß ich Sie verlassen könnte.
Pauline heftete ihre großen schwarzen Augen auf mich, suchte sich einige Augenblicke zu entsinnen und rief dann plötzlich: Alfred von Nerval!
O, haben Sie Dank! haben Sie Dank! rief ich; Sie haben mich nicht vergessen! Ja, ich bin es, der Sie so innig liebte, der Sie noch liebt! Mir können Sie sich anvertrauen!
, Eine plötzliche Rothe überflog ihr blasses Gesicht, – so verschämt ist das weibliche Herz, – dann ließ sie meinen Arm los.
Werden Sie lange abwesend sein? frug sie mich.
Fünf Minuten.
So gehen Sie, aber lassen Sie mir diese Fackel, die Finsternis tödtet mich.
Ich reichte ihr die Fackel. Sie steckte den Arm durch das Gitter, ergriff dieselbe und lehnte ihr Gesicht zwischen zwei Gitterstangen, um mir mit den Augen so weit wie möglich folgen zu können. Ich eilte nun auf dem Wege zurück, den ich gekommen war. Bei der ersten Türe wandte ich mich um, und sah Paulinen noch in der nämlichen Stellung unbeweglich, wie eine Statue, die eine Fackel in ihrer marmornen Hand hält.
Noch fünf und zwanzig Schritte und ich fand die Treppe und auf der vierten Stufe das Brecheisen, welches ich dort verborgen hatte. Sogleich eilte ich zurück und fand Paulinen noch in derselben Stellung. Sie stieß einen Schrei der Freude aus und ich beeilte mich nun,