Rasputin. Klabund

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Rasputin - Klabund

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die Pfeife wieder zwischen die Lippen.

      »Na, dann schieb man ab, eh's dunkel wird. Es sind reichlich drei Stunden für einen Fettwanst wie du es bist.«

      Jefim Alexandrowitsch setzte sich in Bewegung und schrie dem Kutscher von rückwärts zu:

      »Du Mährenschinder, halt dein ungewaschenes Maul«

      Der Kutscher schimpfte zurück:

      »Du Postfurz, verdufte«

      Jefim Alexandrowitsch stapfte in die Dämmerung. Er kam an einigen Ölfunzeln vorbei. Dann wurde es stockfinstere Nacht. Er ging durch eine schnurgerade Pappelallee, die ihm die Orientierung erleichterte. Er setzte mechanisch einen Fuß vor den andern und dachte mechanisch denselben Gedanken:

      In drei Stunden bin ich zuhause. In drei Stunden bin ich daheim. Ich werde wieder wissen, wo ich hingehöre. Ich werde wieder wissen, was ich zu tun habe. Ich werde die Pferde striegeln. Sie werden heißen Jakob und Anna. Vielleicht auch Pawel und Alexandra. Ich werde wieder den guten Geruch des Pferdestalles atmen. Und meine Hängebacke an die warme dampfende Flanke einer Stute pressen. Oh -

      Im Straßengraben, hinter einer Pappel, lag ein feister, unbeholfener Mensch und spielte mit einem kantigen Stein.

      Jefim Alexandrowitsch konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen.

      Der Mensch dachte: Soll ich? Soll ich nicht? Der erste, der des Weges kommt -

      Jefim Alexandrowitsch war der erste, der des Weges kam.

      Der Mann im Graben schoß wie eine fette, giftige Sandviper auf, gerade auf Jefim Alexandrowitsch zu und schlug ihm mit dem Stein den Schädel ein.

      Jefim Alexandrowitsch dachte noch: In drei Stunden bin ich zuhause – in drei Stunden bin ich daheim.

      Dann brach sein Auge wie ein billiger Jahrmarktsspiegel. Der Mann beugte sich über ihn. Er holte eine kleine Laterne aus der Jacke und leuchtete ihn ab. Er griff in die grüne Joppe. Zwanzig Rubel – und der Paß, lautend auf Jefim Alexandrowitsch, geboren da und da, dann und dann – und die Aufforderung der Postbehörde, sich in der Posthalterei Pokrowskoje als Postknecht zu melden.

      Der Mann pfiff leise die ersten Takte der Zarenhymne. Am nächsten Tag trat der Postknecht Jefim Alexandrowitsch seinen Dienst in der Posthalterei Pokrowskoje an. Es war derselbe Tag, da man die Leiche eines unbekannten, papierlosen Mannes im Straßengraben zwischen Tobolsk und Pokrowskoje fand.

      Da er offensichtlich den niederen Ständen angehörte, nahm die Polizei es mit den Nachforschungen nach seiner Identität und den Ursachen seines Todes nicht so genau. Er wurde in der Selbstmörderecke des Friedhofes von Tobolsk beerdigt.

      Rasputin

      Jefimy, der Vater Grigorys, den man später Rasputin nannte, war Knecht bei der staatlichen Pferdepost, die in einer eisenbahnarmen Gegend des inneren Rußland, im Gouvernement Tobolsk, verkehrte.

      Schnee im Winter, weiße, weite Fläche,

      heißa die Troika,

      Oft von Wölfen bis zu den ersten Häusern verfolgt -

      Graugrüne Steppe, graue, weite Fläche im Sommer -

      Über Stock und Stein trieb Jefimy die rumplige Kalesche,

      und entsetzt sahen die Passagiere oft aus den Fenstern,

      wie der rumplige Kasten mit ihnen durchging.

      Grigory, Bauernschädel wie sein fünfzigjähriger Vater, zwanzigjährig, half dem Vater beim Pferdetränken und Pferdestriegeln, fiel auch wohl der Post in die Zügel, wenn sie gar zu wild daherstürmte.

      Jefimy war einem guten Tropfen Wodka nicht abgeneigt.

      Grigory, der Junge, liebte ebenfalls den Wodka,

      die Pferde,

      den Tanz

      und die Mädchen.

      Er strich um die Bauerndirnen mit den bunten Kopftüchern,

      sie höhnten ihn: Rasputnik: das heißt Wüstling – woher er seinen Namen bekam,

      und sehnsüchtig sah er zuweilen bei vornehmen reisenden Damen in der Postkutsche nach.

      Seine Freunde waren Ossip und Porfiri. Aber sein leichter Sinn hinderte ihn nicht, naiv vor jedem Christusbild sich zu bekreuzen,

      dem Popen die Hände zu küssen,

      und jeden Sonntag geputzt in die Messe zu gehen, wobei er mehr nach den hübschen Mädchen als nach dem Geistlichen sah.

      Grigory war damals ein echter Muschik, ein Bauer, wie es fünfzig Millionen davon in Rußland gab:

      leichtgläubig und leichtsinnig, listig und lustig, verderbt und fromm.

      Er glaubte an Gott.

      Er glaubte an den Teufel.

      Er glaubte an den Zaren, den Mittler zwischen Gott und Mensch.

      Und er glaubte an sich.

      Seit Jahrhunderten geht die Sehnsucht des Muschik nach »Land«, nach eigenem Grund und Boden. Seit Jahrhunderten ist er der Knecht des Großgrundbesitzers, dem das Land gehört.

      Bei dem Dorfe Pokrowskoje, wo Grigory daheim ist, liegt das Gut Pokrowskoje,

      das dem Baron Akim gehört.

      Der Baron hat eine junge, jetzt zehnjährige Tochter, Irina genannt, zu der ihr jetzt zwölfjähriger Vetter Felix Jussow in die Schulferien zu Besuch kommt.

      Sie spielen zusammen.

      Sie sehen einander gern.

      Sie rudern zusammen auf dem Schloßteich. Irina beugt sich aus dem Kahn zu den Wasserrosen -

      Sie beugt sich immer weiter -

      Sie stürzt ins Wasser -

      Grigory, der seine Pferde zur Tränke trieb, bemerkt das mit den Wellen ringende Kind.

      Er wirft sich ins Wasser,

      er rettet die Kleine.

      Er bringt sie auf seinen Armen ins Schloß.

      Er trieft vor Wasser.

      Steht nun triefend im Salon.

      Irinas Mama ist indigniert.

      Betrachtet ihn mit dem Monokel -

      Er ruiniert ihr den ganzen Salon,

      der Muschik.

      Das Kind ist ja gerettet.

      Er kann gehen.

      Ach so – man muß ihm wohl eine gewisse Belohnung geben -

      Sie reicht ihm ein Zehnkopekenstück.

      Grigory sieht erst das Geld – dann sie an -

      wirft

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