Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма страница 87
»Mein Herr, ich bin der erste Commis des Hauses Thomson und French in Rom; wir stehen seit zehn Jahren in Verbindung mit dem Hause Morrel und Sohn in Marseille, haben uns hierbei auf etwa hunderttausend Franken eingelassen, und sind nicht ganz ohne Unruhe da man behauptet, dieses Haus sei seinem Ruin nahe. Ich komme daher ausdrücklich von Rom, um mir von Ihnen Auskunft über Morrel und Sohn zu erbitten.«
»Mein Herr,« antwortete der Maire, »ich weiß bestimmt, daß seit Vier bis fünf Jahren das Unglück Herrn Morrel zu Verfolgen scheint: er hat hinter einander vier Schiffe verloren und drei Bankerotte erlitten; aber obgleich ich selbst sein Gläubiger für ein Dutzend tausend Franken bin, geziemt es mir doch nicht, irgend eine Auskunft über den Zustand seines Vermögens zu geben. Fragen Sie mich als Maire, was ich von Herrn Morrel denke, so antworte ich Ihnen, er sei ein streng rechtlicher Mann und habe bis jetzt alle seine Verbindlichkeiten äußerst pünktlich erfüllt. Das ist Alles, was ich Ihnen sagen kann, mein Herr. Wollen Sie mehr wissen, so wenden Sie sich an Herrn von Boville, Inspector der Gefängnisse, Rue de Noailles Nro. 15; er hat, so viel ich weiß, zweimal hunderttausend Franken bei dem Hause Morrel angelegt, und wenn wirklich etwas zu fürchten wäre, so würden Sie ihn, da diese Summe beträchtlicher ist, als die meinige, wahrscheinlich über diesen Punkt besser unterrichtet finden, als ich es bin.«
Der Engländer schien diese Zartheit zu würdigen, grüßte, verließ den Maire, und wanderte mit dem den Söhnen Großbritanniens eigenthümlichen Gange nach der bezeichneten Straße. Herr von Boville war in seinem Cabinet: als ihn der Engländer erblickte, machte er eine Bewegung des Erstaunens, welche anzudeuten schien, daß er nicht zum ersten Male diesem Manne gegenüber stand. Herr von Boville aber war so verzweiflungsvoll, daß, gleichsam Verfehlungen von dem Gedanken, der ihn in diesem Augenblick beschäftigte, die Fähigkeiten seines Geistes weder seinem Gedächtnis, noch seiner Einbildungskraft Muße ließen, sich in die Vergangenheit zu verirren. Der Engländer legte ihm mit dem Phlegma seiner Nation beinahe in denselben Ausdrücken dieselbe Frage vor, die er dem Maire von Marseille vorgelegt hatte.
»Oh! mein Herr,« rief Herr von Boville, »Ihre Befürchtungen sind leider nur zu sehr gegründet, und Sie sehen einen verzweifelnden Mann in mir. Ich hatte zwei mal hunderttausend Franken bei dem Hause Morrel angelegt: diese zwei mal hunderttausend Franken waren die Mitgift meiner Tochter, welche ich in vierzehn Tagen zu verheiraten gedachte: diese zweimal hunderttausend Franken waren rückzahlbar, hunderttausend am 15. dieses Monats, hunderttausend am 15. des nächsten. Ich hatte Herrn Morrel von meinem Wunsche, daß diese Zahlung pünktlich stattfinden möchte, benachrichtigt, und nun ist er vor kaum einer halben Stunde zu mir gekommen. um mir zu sagen, wenn sein Schiff der Pharaon bis am 15. nicht einliefe, wäre er außer Stands, seine Verbindlichkeit zu erfüllen.«
»Aber das gleicht ganz einer Zahlungsfristverlängerung,« sagte der Engländer.
»Sagen Sie, es gleiche einem Bankerotte,« rief Herr von Boville außer sich.
Der Engländer schien einen Augenblick nachzudenken, und sprach sodann:
»Also flößt Ihnen diese Schuldforderung Angst ein?«
»Das heißt, ich betrachte sie als verloren.«
»Wohl, ich kaufe sie Ihnen ab.«
»Sie?«
»Ja, ich.«
»Aber ohne Zweifel zu einem ungeheuren Rabatt?«
»Nein, um zweimal hunderttausend Franken: unser Haus,« fügte der Engländer lachend bei, »macht keine solche Geschäfte.«
»Und Sie bezahlen?«
»Baar.«
Der Engländer zog aus seiner Tasche ein Päckchen Bankbillets, die das Doppelte der Summe betragen mochten, welche Herr von Boville zu verlieren befürchtete. Ein Blitz der Freude zog über das Gesicht von Herrn von Boville hin, doch er suchte sich zu bemeistern und sprach:
»Mein Herr, ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß Sie aller Wahrscheinlichkeit noch nicht sechs Procent von dieser Summe bekommen werden.
»Das geht mich nichts an.« erwiderte der Engländer, »das geht das Haus Thomson und French an..in dessen Namen ich handle. Es liegt vielleicht in seinem Interesse, ein rivales Haus zu Grunde zu richten. Ich weiß nur, daß ich bereit bin, Ihnen diese Summe gegen Übertragung zu bezahlen, wobei ich mir indessen einen Mäklerlohn erbitten werde.«
»Das ist nicht mehr als billig!« rief Herr von Boville. »Die Commission beträgt gewöhnlich anderthalbe wollen Sie zwei? wollen Sie drei? wollen Sie fünf? wollen Sie noch mehr? sprechen Sie!«
»Mein Herr,« antwortete der Engländer lachend, ich bin wie mein Haus« ich mache keine solche Geschäfte; mein Mäklerlohn ist ganz anderer Natur.«
»Reden Sie, mein Herr, ich höre.«
»Sie sind Inspector der Gefängnisse?«
»Seit vierzehn Jahren.«
»Sie halten Eintritts- und Abgangs-Register?«
»Allerdings.«
»Diesen Registern müssen Noten bezüglich auf die Gefangenen beigefügt sein?«
»Jeder Gefangene hat seinen Fascikel.«
»Nun wohl, ich bin in Rom von einem armen Teufel von Abbé erzogen worden, welcher plötzlich von dort verschwunden ist. Seitdem habe ich erfahren, daß man ihn in dem Castell If gefangen gehalten, und ich möchte wohl gern etwas Näheres über seinen Tod wissen.«
»Wie hieß er?«
»Abbé Faria.«
»Oh! ich erinnere mich seiner ganz genau,« rief Herr von Boville, »er war ein Narr.«
»Man sagte es.«
»Oh! er war es ganz gewiss.«
»Es ist möglich; was war seine Narrheit?«
»Er behauptete Kenntnis von einem unermeßlichen Schatze zu haben, und bot der Regierung tolle Summen, wenn man ihn in Freiheit setzen wollte.«
»Armer Teufel! Und er ist tot?«
»Ja, mein Herr, er starb ungefähr vor fünf oder sechs Monaten, im vergangenen Februar.«
»Sie haben ein glückliches Gedächtnis, mein Herr, daß Sie sich so der einzelnen Umstände erinnern.«
»Ich erinnere mich dieser Geschichte, weil der Tod des armen Teufels von einem seltsamen Ereignis begleitet war.«
»Dürfte man dieses Ereignis erfahren?« fragte der Engländer mit einem Ausdrücke von Neugierde, welchen auf seinem phlegmatischen Gesichte zu finden, ein tiefer Beobachter erstaunt gewesen wäre.
»Oh! mein Gott, , ja, mein Herr; das Gefängnis des Abbé war ungefähr fünf und vierzig bis fünfzig Fuß von dem eines ehemaligen bonapartistischen Agenten entfernt, eines sehr entschlossenen und gefährlichen Menschen von der Zahl derjenigen, welche am meisten zu der Rückkehr des Usurpators im Jahre 1815 beigetragen haben.«
»Wirklich!« sagte der Engländer.
»Ja, ich hatte selbst Gelegenheit, diesen Menschen im Jahre 1816 oder 1817 zu sehen; man stieg in seinen Kerker nur mit einem Piquet Soldaten hinab; er machte einen tiefen Eindruck auf mich, und ich werde