Der Wolfsführer. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Der Wolfsführer - Александр Дюма страница 16
Wie man sieht, wandelte Thibault seit dem Morgen offen auf der Bahn der Sünde.
»Ha, verwünschter Edelmann!» rief er, seine Faust gegen die eben verschwindende Jagd ballend, »wenn mich der Teufel diesmal erhört, so bezahle ich Dir Alles, was Du mir heute gethan hast, mit Wucher heim. Wart nur, Kerl!»
»Ei wie möget Ihr Euch so versündigen!» sagte Agnelette, indem sie ihm näher trat. »Der Baron Jean ist ein guter Herr, sehr mildthätig gegen die armen Leute und immer höflich gegen die Frauenzimmer.«
»Am Ende bin ich ihm wohl gar noch Dank schuldig für die Prügel, die er mir aufmessen ließ?«
»Seid aufrichtig, Gevatter,» sagte das junge Mädchen lachend; »gestehet nur, daß Ihr diese Prügel nicht so ganz unverdient bekommen habt.«
»Ha ha!« machte Thibault, »es scheint, daß der Kuß des Herrn Jean Euch ganz den Kopf verrückt hat, schöne Agnelette?»
»Ich hätte nie geglaubt, daß Ihr mir diesen Kuß zum Vorwurf machen würdet; aber ich bleibe bei meiner Behauptung: Herr Jean war in seinem Recht.«
»Indem er mich halb todtprügeln ließ?»
»Ei warum jaget Ihr auf den Besitzungen der vornehmen Herrn?»
»Ist das Wild nicht für Jedermann da, für die Bauern so gut als für die vornehmen Herrn?«
»Nein, denn das Wild lebt in den Wäldern der vornehmen Herrn, es frißt ihr Gras, und Ihr habt kein Recht, Euern Spieß nach einem Damhirsch des Herrn Herzogs von Orleans zu werfen.«
»Wer hat Euch denn gesagt, daß ich meinen Spieß nach seinem Damhirsch geworfen habe?« antwortete Thibault, indem er mit beinahe drohender Geberde auf Agnelette zutrat.
»Wer mir’s gesagt hat? Meine Augen haben mir’s gesagt, und ich versichere Euch, daß die nicht lügen. Ich habe Euch Euern Spieß werfen sehen; Ihr standet dort und hattet Euch hinter dieser Buche versteckt.«
Die Sicherheit, womit das Mädchen ihn seiner Lüge überwies, besänftigte Thibaults Zorn sogleich.
»Ei was wäre es auch gewesen,« sagte er, »wenn ein armer Teufel sich einmal mit dem Ueberfluß eines vornehmen Herrn gütlich gethan hätte? Jungfer Agnelette denket Ihr vielleicht auch wie die Richter, daß ein Mensch um eines elenden Hasen willen den Galgen verdiene? Glaubt Ihr, daß der liebe Gott diesen Damhirsch eher für den Baron Jean erschaffen habe, als für mich?«
»Der liebe Gott, Herr Thibault, hat uns gesagt, daß wir uns nach den Gütern unseres Nächsten nicht gelüsten lassen sollen; befolget die Gebote des lieben Gottes, so wird es Euch wohl ergehen.«
»Ei wie, Ihr kennt mich also, schöne Agnelette da Ihr mich so mir Nichts Dir Nichts bei meinem Namen nennet?«
»Natürlich. Ich erinnere mich noch gut, wie ich Euch einmal bei der Kirchweihe von Boursonne gesehen habe; Ihr galtet für den schönsten Tänzer, und Alles schaarte sich um Euch.«
Dieses Compliment entwaffnete Thibault vollends ganz.
»Ja, ja,« sagte er, »ich erinnere mich jetzt auch, »daß ich Euch gesehen habe. Ei wahrhaftig, wir haben ja damals mit einander getanzt, nur waret Ihr damals noch nicht so groß wie jetzt; deßhalb erkannte ich Euch nicht gleich wieder, aber jetzt erkenne ich Euch ganz gut. Ja, Ihr truget einen rosarothen Rock und ein weißes Mieder; wir haben den Milchtanz mit einander getanzt. Ich wollte Euch küssen, aber Ihr wolltet es nicht leiden und sagtet, daß man blos seine Nachbarin küssen dürfe, aber nicht seine Tänzerin.«
»Ei, Ihr habt ein gutes Gedächtniß, Herr Thibault.«
»Wißt Ihr auch, Agnelette, daß Ihr in diesem Jahr denn es ist jetzt gerade ein Jahr her nicht blos viel größer, sondern auch noch weit schöner geworden seid? Ja, ja, Ihr versteht es, zwei Dinge auf einmal fertig zu bringen.«
Das Mädchen schlug erröthend die Augen nieder.
Ihre Röthe und ihre Verlegenheit gaben ihrem Gesicht erhöhten Reiz.
Thibault betrachtete sie jetzt aufmerksamer denn je.
»Habt Ihr einen Geliebten, Agnelette?« fragte er das Mädchen in einem Ton, der eine gewisse Bewegung verrieth.
»Nein, Herr Thibault,« antwortete sie; »ich habe keinen, und ich kann und will auch keinen haben.«
»Warum das? Ist denn die Liebe etwas so Schlimmes, daß Ihr Angst davor habt?«
»Nein, aber ein Geliebter ist es nicht, was ich brauche.«
»Was brauchet Ihr denn?«
»Einen Mann.«
Thibault machte eine Bewegung, welche Agnelette entweder nicht sah oder wenigstens nicht zu sehen sich den Anschein gab.
»Ja,« wiederholte sie, »einen Mann. Die Großmutter ist alt und krank, und ein Geliebter würde mich nur zerstreuen, so daß ich sie nicht recht verpflegen könnte; ein Mann dagegen, wenn ich einen braven Burschen finde, der mich heirathen will, ein Mann wird mir helfen, sie in ihrem hohen Alter zu unterstützen; er wird die Aufgabe, die mir der liebe Gott auferlegt hat, ihre letzten Tage zu versüßen, mit mir theilen.«
»Aber,« sagte Thibault, »wird dieser Mann Euch erlauben, daß Ihr Eure Großmutter mehr liebet, als ihn selbst, und wird er nicht eifersüchtig auf die Zärtlichkeit sein, die Ihr der alten Frau erzeigen werdet?«
»O,« versetzte Agnelette mit einem anbetungswürdigen Lächeln, »du hat es keine Gefahr; ich werde ihm so viel zukommen lassen, daß er sich nicht zu beklagen braucht; je freundlicher und geduldiger er gegen die gute Frau ist, um so inniger werde ich mich ihm anschließen, um so fleißiger werde ich arbeiten, damit es unserem kleinen Haushalt an Nichts gebricht. Ich sehe elend und schwächlich aus, und Ihr trauet mir nicht viel Stärke zu; aber ich habe Kraft und Muth zur Arbeit, das dürft Ihr glauben. Wenn das Herz sein Wörtchen mitspricht, so kann man Tag und Nacht arbeiten, ohne müde zu werden. Ich werde denjenigen, der die Großmutter lieben wird, recht herzlich lieben. O ich versichere Euch, sie, mein Mann und ich, wir werden alle drei recht glücklich sein.«
»Das heißt, ihr werdet alle drei recht arm sein, Agnelette?«
»Ah bah! Ist denn die Liebe und Freundschaft der Reichen auch nur einen Pfennig mehr werth, als die der armen Leute? Wenn ich meine Großmutter recht gepflegt habe, Herr Thibault, wenn sie mich auf Ihren Schooß nimmt und mit ihren magern zitternden Armen umschlingt, wenn ihr gutmüthiges, altes, runzliges Gesicht sich an das meinige legt, wenn meine Wangen naß werden von den Thränen der Rührung, die aus ihren Augen strömen, da fange ich auch an zu weinen, und diese Tränen, Herr Thibault, sind so leicht und süß, daß ganz gewiß niemals eine Dame oder ein Fräulein, und wäre sie eine Königin oder eines Königs Tochter, in ihren glücklichsten Tagen eine so lebhafte Freude empfunden hat; und doch sind wir beide, meine Großmutter und ich, wahrlich die ärmsten Geschöpfe meilenweit in der Runde.«
Thibault hörte das alles, antwortete aber nicht, sondern blieb in jene nachdenkliche Träumerei versunken, die bei ehrgeizigen Menschen so eigenthürmlich ist.
Und gleichwohl hatte er inmitten seiner ehrgeizigen Pläne Augenblicke der Ermüdung und des Ueberdrusses.
Er,