John Davys Abenteuer eines Midshipman. Александр Дюма
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Als er etwa eine Viertelstunde auf seinem Lieblings- play gesessen, sah er Anna Mary in Begleitung von einer Frau und drei Kindern am Ende der Allee erscheinen.
Es waren die Witwe und die Waisen, welche dem Capitän für die ihnen erwiesene Wohlthat danken wollten.
Sir Edward stand auf, um Anna Mary entgegenzugehen; aber kaum hatte er einige Schritte gemacht, so fing er an zu wanken und mußte sich an einen Baum lehnen. Anna eilte ihm zu Hilfe. Die Witwe und die Kinder fielen ihm zu Füßen und faßten seine Hände, welche sie mit Küssen und Thränen bedeckten. Der Ausdruck dieser offenen ungeheuchelten Dankbarkeit rührte den Capitän zu Thränen.
Er wollte seine Rührung bekämpfen, denn er meinte, es zieme sich nicht für einen Seemann so weichherzig zu sein; aber es schien ihm, daß Thränen seine gepreßte Brust erleichtern würden, und ohne Gewalt über sein Herz, das unter der rauhen Hülle so gut geblieben war, überließ er sich seinen Gefühlen. Er nahm die Kleinen einen nach dem andern auf den Arm und küßte sie und versprach ihrer Mutter sie nicht zu verlassen.
Anna Mary sah mit inniger Freude zu; ihr Gesicht, ihr Auge schien verklärt. Dieses Glück war ja ihr Werk. Man sah wohl, daß ihre Züge solchen oft wiederholten Anblicken den sanften heitern Ausdruck verdankten.
In diesem Augenblicke kam Tom, um seinen Herrn nöthigenfalls mit Gewalt ins Schloß zurückzuführen. Als er den Capitän von mehren Personen umgeben sah, ward er in seinem Entschlusse bestärkt, denn er zweifelte nicht, daß man ihm beistehen würde. Er begann in halb keifendem halb bittendem Tone eine lange Anrede, in welchen er dem Kranken zu beweisen suchte, daß er ihm folgen müsse; aber Sir Edward schenkte der Beredtsamkeit des braven Matrosen nur geringe Beachtung.
Einen um so größern Eindruck machten seine Vorstellungen auf Anna. Sie sah ein, daß Sir Edward’s Gesundheitszustand bedenklich war, daß er sich der feuchten Luft nicht aussehen dürfe. Sie traten ihn zu und sagte mit ihrer sanften, einschmeichelnden Stimme:
»Haben Ew. Herrlichkeit wohl gehört?«
»Was denn?« fragte Sir Edward, wie aus einem Traum erwachend.
»Was dieser brave Mann gesagt hat,« erwiederte Anna.
»Was hat er denn gesagt?« fragte der Capitän.
Tom gab durch einen Wink zu verstehen, daß er seine Anrede wieder anfangen wolle; aber Anna kam ihm zuvor.
»Er hat gesagt,« setzte sie hinzu, »daß es gefährlich für Sie sei, in dieser naßkalten Luft zu bleiben, daß Sie sich ins Schloß begeben müssen.«
»Wollen Sie mir Ihren Arm geben und mich führen?« fragte Sir Edward.
»O ja,« antwortete Anna lächelnd, »wenn Sie mir die Ehre erweisen, meinen Arm anzunehmen.«
Der Capitän nahm ihren Arm und ging zum größten Erstaunen Tom’s auf das Schloß zu.
Unten an der Freitreppe stand Anna Mary still, sprach noch einmal ihren Dank aus, verneigte sich höflich und entfernte sich in Begleitung der armen Familie.
Sir Edward blieb wie festgebannt auf der Stelle, wo sie ihn verlassen hatte, und schaute ihr nach, bis sie verschwunden war. Dann ließ er sich seufzend und folgsam wie ein Kind in sein Zimmer führen.
Abends kamen der Doktor und der Pfarrer zum Whist, und der Capitän hatte mit ziemlicher Aufmerksamkeit zu spielen angefangen, als der Arzt, während Sanders Karten gab, plötzlich sagte:
»Wie ich höre, haben Sie heute Anna Mary gesehen?«
»Sie kennen sie?« fragte Sir Edward.
»Allerdings,« antwortete der Doctor, sie ist ja mein College.«
»Ihr College?«
»Ja wohl, und sie macht mir eine sehr gefährliche Concurrenz: sie heilt mehr Kranke mit ihren sanften Worten und Hausmitteln, als ich mit meiner Wissenschaft. Nehmen Sie sie nur nicht als Hausarzt, Commandant, sie wäre im Stande Sie zu curiren.«
»Und mir,« sagte der Pfarrer, »mir führt sie durch ihr Beispiel mehr Seelen zu, als ich durch meine Predigten bekehre. Wenn sie sich’s angelegen sein ließe, würde sie den verstocktesten Sünder ins Paradies führen.«
Von diesem Augenblicke an war nur noch von Anna Mary die Rede, die Karten blieben Nebensache, der Capitän hörte nicht nur aufmerksam zu, sondern nahm auch an dem Gespräch lebhaften Antheil, kurz, es war eine merkliche Besserung eingetreten. Seine trübe, gedrückte Stimmung schwand so lange, als von Mary die Rede war.
Sobald aber Herr Robinson die in der Morgenzeitung gelesenen wichtigen Nachrichten aus Frankreich mittheilte, stand Sir Edward auf und zog sich in sein Zimmer zurück Sanders und der Doctor sannen dann wohl noch eine Stunde auf Mittel, der französischen Revolution Einhalt zu thun; aber ihre gelehrten und wohlgemeinten Theorien blieben eben nur Theorien, die nicht den Weg über den Aermelcanal fanden.
Die Nacht war gut: der Capitän erwachte in ziemlich heiterer Stimmung; aber er war zerstreut und sah sich bei jedem Geräusch um, als ob er Jemand erwartete.
Endlich, als der Thee genommen wurde, meldete der Kammerdiener Miß Anna Mary. Sie wollte sich nach dem Befinden des Gutsherrn erkundigen und von der Verwendung seiner Gabe Rechnung ablegen.
Aus der Aufnahme, welche Miß Anna bei Sir Edward fand, zog Tom den Schluß, daß sie erwartet worden war. Die gestrige Fügsamkeit fand in der ehrerbietigen Begrüßung, mit der die junge Miß empfangen wurde, eine genügende Erklärung.
Nachdem sich Anna Mary nach dem Befinden des Capitäns erkundigt und dieser versichert hatte, daß er sich seit zwei Tagen merklich besser befinde, brachte sie die Angelegenheit der armen Witwe zur Sprache.
Die Börse, welche ihr Sir Edward gegeben, hatte dreißig Guineen enthalten; zehn Guineen hatte Anna zur Zahlung des rückständigen Miethzinses, fünf zum Ankauf der nothwendigsten Lebensbedürfnisse, zwei als Lehrgeld für den ältesten Sohn bei einem Tischler und zwei als Schulgeld für die Tochter verwendet. Das jüngste Kind, ein Knabe, mußte noch bei der Mutter bleiben.
Es blieben der armen Frau also noch elf Guineen, mit denen sie allerdings einige Zeit leben konnte, aber was sollte sie später anfangen, wenn es ihr nicht gelang einen Dienstplatz zu bekommen?
Einen solchen Dienstplatz hatte Sir Edward gerade zu besetzen: George’s Frau brauchte eine Gehilfin. Er erbot sich, Mistreß Denison zu sich zu nehmen und es ward verabredet, daß sie morgen mit dem kleinen Jack ins Schloß kommen sollte.
Anna Mary blieb beinahe zwei Stunden, welche dem Capitän wie eine Minute vergingen. Endlich stand sie auf und empfahl sich, ohne daß er es wagte sie zurückzuhalten, obgleich er Alles in der Welt gegeben haben würde, die schöne Miß noch länger bei sich zu sehen.
Draußen fand sie Tom, der sie erwartete. Der brave Matrose hatte Wunderdinge von ihren Curen gehört, und er zweifelte nicht, daß sie den Commandanten, dessen Zustand er noch vor drei Tagen als hoffnungslos betrachtet, wieder gesund machen werde.
Anna Mary selbst fand die Krankheit