Frankenstein oder Der moderne Prometheus . Мэри Шелли

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Frankenstein oder Der moderne Prometheus  - Мэри Шелли

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seltsam erscheinen, daß so etwas im achtzehnten Jahrhundert noch möglich war; aber während ich in der Schule fleißig meinen Studien oblag, bildete ich mich selbst in meinen Lieblingsfächern weiter. Mein Vater war kein Gelehrter und überließ mich selbst dem Kampfe mit meiner Phantasie. Unter der Leitung meiner neuen Lehrer machte ich mich mit Rieseneifer an die Suche nach dem Stein der Weisen und die Entdeckung des Lebenselixiers, besonders aber das letztere hatte es mir angetan. Reichtum schien mir nur etwas Nebensächliches; aber welcher Ruhm wartete meiner, wenn es mir gelang, die Krankheiten vom menschlichen Geschlechte fernzuhalten und jeden unverletzlich zu machen.

      Aber das waren noch nicht meine einzigen Wünsche! Meine Lieblingsautoren versprachen ihren Schülern die Kunst, Geister und Dämonen zu zitieren, die ich mir mit brennendem Eifer anzueignen strebte. Aber wenn auch meine Beschwörungen immer erfolglos blieben, so schob ich die Schuld lieber auf mich und meine Unerfahrenheit, als daß ich es gewagt hätte, an der Ehrlichkeit meiner Lehrer zu zweifeln. Und so widmete ich mich eine Zeit lang diesen veralteten Systemen, indem ich die widersprechendsten Theorien in meinem Kopfe durcheinanderwarf und in einem Wuste der mannigfaltigsten Wissenschaften watete, angetrieben durch meine glühende Phantasie und meinen kindischen Eigensinn, bis, wieder durch einen Zufall, meine Ideen eine andere Richtung annahmen.

      Als ich fünfzehn Jahre alt war wurde ich von unserem Landhause am Belrive aus Zuschauer bei einem heftigen, schrecklichen Unwetter. Es kam von den Bergriesen des Jura herangebraust und der Donner brüllte furchtbar aus allen Himmelsrichtungen. Mit Neugierde und Entzücken verfolgte ich die verschiedenen Phasen des Gewitters. Ich stand am Tor, als plötzlich eine helle Feuersäule aus der alten, herrlichen Eiche emporschoß, die etwa zwanzig Meter vom Hause entfernt stand. Und als dann das Auge wieder ungeblendet blicken konnte, war die Eiche nicht mehr da und an ihrer Stelle stand ein kurzer, verbrannter Stumpf. Als wir am nächsten Morgen uns die Sache in der Nähe besahen, bemerkten wir, daß der Baum in ganz merkwürdiger Weise zerstört worden war. Nicht in unregelmäßige Trümmer hatte ihn der Blitz auseinander gerissen, sondern ihn regelrecht in schmale Holzbänder zerlegt. Ein Bild der vollendeten Vernichtung.

      Schon vorher waren mir die Gesetze der Elektrizität in ihren allgemeinen Umrissen bekannt gewesen. Ein Herr, der mit uns gegangen war, um das Phänomen zu betrachten, entwickelte bei dieser Gelegenheit eine Theorie über Elektrizität und Magnetismus, die zugleich neu und fesselnd war. Alles, was er sagte, stellte Kornelius Agrippa, Albertus Magnus und Paracelsus, die Helden meines Geistes, sehr in den Schatten. Und diese Niederlage meiner Helden nahm mir alle Lust an den gewohnten Studien. Es schien mir, als würde und könnte man nie etwas wissen. Das, was so lange meinen Geist in Bann gehalten hatte, kam mir auf einmal lächerlich vor. In einer der Launen, denen wir gerade in der Jugend besonders unterworfen sind, warf ich die ganze Naturphilosophie und das, was damit zusammenhing, als unfruchtbar und widersinnig auf die Seite. Ich empfand heftigen Ekel vor dieser Scheinwissenschaft, die nicht einmal imstande war, uns auch nur bis zur Schwelle wahren Wissens zu bringen. In diesem Zustande verlegte ich mich auf die Mathematik, die, auf festen Füßen stehend, allein meiner Beachtung würdig schien.

      Wie seltsam ist doch unsere Seele konstruiert und an wie dünnen Fäden hängt Glück oder Verderben. Wenn ich zurückdenke und mir Rechenschaft gebe über die merkwürdige Änderung meiner Neigung, kommt es mir vor, als habe damals mein Schutzengel noch einen letzten Versuch gemacht, mich dem drohenden Unheil zu entziehen, das sich über mir zusammenballte. Jedenfalls hatte sein Bemühen Erfolg, denn eine ungewohnte Ruhe der Seele und eine tiefe Befriedigung kam über mich, als ich von den in letzter Zeit mich quälenden Studien abließ; ja, ich lernte sie sogar als etwas Böses verachten.

      Mein Schutzengel hatte sein Möglichstes getan, aber auf die Dauer war es doch umsonst. Das Schicksal war mächtiger: das Schicksal, das meinen schrecklichen Untergang beschlossen hatte.

      Kapitel 3

      Als ich siebzehn Jahre alt geworden war entschlossen sich meine Eltern, mich auf die Universität Ingolstadt zu schicken. Ich wäre ganz gern auf der Genfer Hochschule geblieben, aber mein Vater hielt es für nützlicher, wenn ich, um meine Erziehung zu vollenden, auch mit den Sitten und Gebräuchen anderer Länder vertraut würde. Der Tag meiner Abreise wurde festgesetzt; aber ehe dieser herankam traf mich das erste Mißgeschick meines Lebens, das mich ergriff wie ein Omen meines kommenden Unglücks.

      Elisabeth war an Scharlach erkrankt und schwebte in der äußersten Lebensgefahr.

      Wir hatten uns alle Mühe gegeben, meine Mutter zu überzeugen, daß die Pflege der Kranken eine große Gefahr für sie bedeute. Anfangs hatte sie sich unseren Bitten gefügt; als sie aber merkte, daß das Leben ihres Lieblings ernstlich bedroht war, ließ sie sich nicht mehr abhalten. Sie wich nicht vom Krankenbette und ihre Liebe siegte über die tückische Krankheit. Elisabeth war gerettet, aber an ihrer Stelle ergriff das Fieber die treue Pflegerin. Am dritten Tage mußte sich die Mutter legen. Bei den ersten beunruhigenden Symptomen wurde der Arzt beigezogen, aus dessen ernstem Antlitz wir das Schlimmste errieten. Aber selbst auf dem Totenbette blieb diese beste der Frauen tapfer und gütig. Sie legte Elisabeths Hände in die meinen und sagte: »Liebe Kinder! Wie habe ich mich immer gefreut, euch einmal vereinigt zu sehen! Mir ist es ja wohl nicht mehr beschieden, das zu erleben, aber es soll wenigstens der Trost eures Vaters sein. Nun mußt du, liebste Elisabeth, meine Stelle bei meinen kleineren Kindern vertreten. Es tut mir weh, von euch gehen zu müssen, von dem Glück, das mir zuteil wurde. Aber ich will mich nicht diesen Gedanken hingeben; ich will versuchen, dem Tod froh ins Auge zu sehen und mich damit trösten, daß wir uns ja drüben alle wieder sehen werden.«

      Sie starb ruhig und gelassen; selbst der Würger Tod war nicht imstande gewesen, die Liebe aus ihren Zügen zu bannen. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie tief wir alle litten, wie öde es in uns war und welche Traurigkeit auf unseren Gesichtern sich ausdrückte. Lange konnten wir es nicht fassen, daß die Frau, die wir alle Tage sahen, nun von uns gegangen sei auf immer, daß ihre lieben Augen uns nun nicht mehr freundlich anblicken, ihre traute Stimme nicht mehr an unser Ohr tönen sollte. Das sind so die Gedanken der ersten Tage. Wenn dann aber die Zeit in ihrem Laufe uns belehrt, daß wirklich alles so ist, dann beginnt der eigentliche, tiefe Gram. Aber wem hat der grausame Tod nicht schon etwas Liebes entrissen und warum soll ich die Schmerzen beschreiben, die jeden schon getroffen haben oder noch treffen müssen? Schließlich kommt die Zeit, da das Leid stiller wird und da man das Lächeln, das sich auf unsere Lippen schleicht, nicht mehr verbannt, wenn es einem auch vorher undenkbar schien, daß das je noch der Fall sein könnte. Meine Mutter war tot, aber wir hatten Pflichten, die wir erfüllen mußten; wir, die Übriggebliebenen durften uns ja glücklich schätzen, daß der Würger wenigstens von dem einen Opfer seine kalte Hand zurückgezogen hatte.

      Für meine Abreise nach Ingolstadt, die durch die Verhältnisse aufgeschoben war, wurde nun ein neuer Zeitpunkt festgesetzt. Es gelang mir, von meinem Vater einen Aufschub von etlichen Wochen zu erlangen. Es wäre mir wie ein Sakrileg erschienen, so schnell die Ruhe des Trauerhauses mit dem sprudelnden Leben da draußen zu vertauschen. Und dann wollte ich den Anblick derer nicht missen, die mir geblieben waren; vor allem aber war es mir darum zu tun, meine süße Elisabeth einigermaßen getröstet zu sehen.

      Sie verstand es, ihr eigenes Leid zu verbergen und uns alle aufzurichten. Sie nahm das Leben ernst und kam ihren Pflichten tapfer und treu nach. Sie widmete sich ganz denen, die sie als Vater und Geschwister lieben gelernt hatte. Niemals war sie lieblicher, als wenn der Sonnenschein ihres Lächelns uns alle erwärmte und wenn sie, ihren Gram vergessend, uns zur Trösterin wurde.

      Schließlich kam aber doch der Tag meiner Abreise heran. Clerval verbrachte den letzten Abend noch bei uns. Er hatte vergebens versucht, seinen Vater zu bestimmen, daß er ihn mit mir nach Ingolstadt ziehen und dort studieren ließe. Aber sein Vater war eine engherzige Krämerseele und betrachtete diese Wünsche seines Sohnes als unnützen Ehrgeiz. Henry empfand es tief schmerzlich, für immer auf eine höhere Bildung verzichten zu müssen. Er sagte wenig; aber wenn er sprach, las ich in seinen glänzenden Augen den stillen, aber festen Entschluß, sich nicht für ewig an den kleinlichen

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