Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli

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Max Havelaar oder  Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft - Multatuli

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ich nicht gesagt, ich kenne ihn nicht«, rief Verbrugge, auch malayisch; »ich habe ihn nie gesehen, er hat einige Jahre vor mir auf Sumatra gedient. Ich habe nur gesagt, daß ich da viel über ihn habe sprechen hören.«

      »Nun, das kommt auf dasselbe hinaus. Man muß nicht gerade jemand sehen, um ihn zu kennen … wie denken der Herr Adipati darüber?«

      Der Adipati hatte gerade nötig, einen Diener zu rufen. Es verstrich daher einige Zeit, bis er sagen konnte, »er wäre mit dem Kommandanten einer Meinung, aber oftmals wäre es doch nötig jemand zu sehen, ehe man ihn beurteilen könne.«

      »Im allgemeinen ist das vielleicht wahr«, fuhr nun Duclari auf holländisch fort, sei es, daß die Sprache ihm geläufiger war und er für die Höflichkeit genug gethan zu haben glaubte, sei es, daß er von Verbrugge allein verstanden werden wollte  »das könnte im allgemeinen wahr sein; aber was Havelaar betrifft, braucht man die persönliche Bekanntschaft nicht … er ist ein Narr.«

      »Das habe ich nicht gesagt, Duclari.«

      »Nein, Sie haben das nicht gesagt, aber ich sage es, nach allem was Sie mir von ihm erzählt haben. Ich nenne einen Menschen, der ins Wasser springt, um einen Hund vor den Haifischen zu retten, einen Narren.«

      »Ja, verständig ist es nicht … aber …«

      »Und, wissen Sie, das Verschen gegen den General Vandamme  das paßte sich nicht.«

      »Es war witzig …«

      »Ja, aber ein junger Mensch soll nicht witzig sein gegen einen General.«

      »Sie müssen bedenken, daß er noch sehr jung war … es ist vierzehn Jahre her … er war nur zweiundzwanzig Jahre alt.«

      »Und dann der Puter, den er stahl …?«

      »Das that er, um den General zu ärgern.«

      »Richtig. Ein junger Mensch soll keinen General ärgern, der überdies, als Civilgouverneur, sein Chef war … Das andere Verschen finde ich nett … aber das ewige Duellieren …«

      »Er that es gewöhnlich für einen anderen; er nahm stets Partei für den Schwächeren.«

      »Schön, laßt jeden für sich selbst duellieren, wenn man es durchaus thun will. Was mich betrifft, so glaube ich, ein Duell ist selten nötig; wo es nötig ist, würde ich es annehmen, aber daraus ein tägliches Geschäft zu machen … dafür danke ich. Hoffentlich hat er sich darin geändert.«

      »Sicher, daran ist kein Zweifel. Er ist ja so viel älter und verheiratet, und Adsistent-Resident. Überdies, ich habe immer gehört, daß sein Herz gut wäre, und daß er ein warmes Gefühl für Recht und Billigkeit hat.«

      »Das wird ihm in Lebak zu paß kommen. Da ist mir gerade etwas aufgestoßen … Ob der Regent uns versteht?«

      »Ich glaube nicht, indes … zeigen Sie mir etwas aus Ihrer Jagdtasche, dann denkt er, wir sprechen darüber.«

      Duclari nahm seine Jagdtasche, holte ein paar Buschtauben heraus, und indem er diese betastete, als spräche er über die Jagd, teilte er Verbrugge mit, daß ihm soeben im Felde ein Javane nachgelaufen wäre, der ihn gefragt habe, ob er nicht etwas zur Erleichterung des Druckes thun könne, unter dem die Bevölkerung seufze?

      »Und«, fuhr er fort, »das ist sehr stark, Verbrugge Nicht daß ich mich über die Sache selbst wundere; ich bin lange genug im Lebakschen, um zu wissen, wie es hier steht, aber daß der geringe Javane, gewöhnlich so vorsichtig und zurückhaltend, wo es sich um seine Großen handelt, eine solche Frage an jemand stellt, der damit gar nichts zu thun hat,  das befremdet mich«

      »Und was haben Sie geantwortet, Duclari?«

      »Nun, daß es mich nichts anginge. Er solle zu Ihnen gehen oder zu dem neuen Adsistent-Residenten, wenn dieser in Rangkas-Betoeng angekommen wäre, und da seine Klage vorbringen.«

      »Da kommen sie« rief mit einem Male der Aufpasser Dongso, »ich sehe einen Mantri, der seinen Tudung schwenkt.«

      Alle standen auf. Duclari wollte nicht durch seine Anwesenheit in der Pendoppo den Schein erwecken, als wäre er auch zur Bewillkommnung des Adsistent- Residenten an der Grenze, der zwar ein Höhergestellter, aber doch nicht sein Chef und dazu ein Narr war; er stieg zu Pferde und ritt seinen Burschen hinter sich, davon.

      Der Adipati und Verbrugge stellten sich an den Eingang der Pedappo und sahen dem von vier Pferden gezogenen Reisewagen entgegen, der endlich, reichlich mit Schmutz bedeckt, vor dem Bambusgebäude stillhielt.

      Es sollte wohl schwer sein zu raten, was da so alles in dem Wagen steckte, ehe Dongso, mit Hilfe der Läufer und einer Zahl von Dienern aus dem Gefolge des Regenten, alle die Riemen und Knoten gelöst hatte, die das Gefährt mit einem ledernen Futteral eingeschlossen hielten, was etwa an die Sorgfalt erinnerte, mit der man in früheren Jahren, als die zoologischen Gärten noch reisende Menagerien waren, Löwen und Tiger in die Stadt brachte. Löwen und Tiger waren ja in dem Wagen nicht; man hatte das alles bloß so dicht geschlossen, weil der Westmonsun wehte und man sich vor dem Regen schützen wollte. Nun ist das Aussteigen aus einem Reisewagen, in dem man lange über den Weg gerasselt ist, nicht so einfach, wie jemand, der gar nicht oder wenig gereist ist, sich denken könnte. Etwa wie die armen Saurier aus der Vorwelt, die durch langes Warten schließlich ein integrierender Bestandteil des Thons wurden, in den sie anfänglich nicht mit der Absicht gekommen waren, um darin zu bleiben, so findet auch bei Reisenden, die eng zusammengequetscht, in gezwungener Haltung, zu lange in einem Reisewagen gesessen haben, etwas statt, was ich vorschlage »Assimilation« zu nennen. Man weiß schließlich nicht mehr recht, wo das Lederkissen des Wagens aufhört und das liebe Ich anfängt; ja, ich kann mir sogar vorstellen, daß man in so einem Wagen Zahnschmerzen oder Krämpfe haben kann, die man für Staub in der Decke ansieht, und umgekehrt.

      Es giebt wenig Situationen in der materiellen Welt, die dem denkenden Menschen keinen Anlaß geben sollten, um Betrachtungen auf geistigem Gebiete anzustellen. Und so habe ich mich oft gefragt, ob nicht viele Irrungen, die bei uns Gesetzeskraft haben, viele »Schiefheiten«, die wir für »Recht« halten, sich davon herleiten, daß man zu lange mit einer und derselben Gesellschaft in einem und demselben Reisewagen gesessen hat? Das Bein, das du nach links strecken musst, zwischen die Hutschachtel und das Körbchen mit Kirschen,  das Knie, das du gegen die Wagenthür gedrückt hältst, damit die Dame gegenüber nicht denken soll, daß du etwa eine Absicht auf ihre Krinoline oder ihre Tugend hast,  der mit Hühneraugen gesegnete Fuß, der sich so in acht nahm vor den Hacken des Geschäftsreisenden nebenan,  der Hals, den du so lange links drehen mußtest, weil es auf der rechten Seite träufelt,  sieh, das werden zuletzt alles Hälse und Knie und Füße, die etwas Verdrehtes an sich haben. Ich halte es für gut, von Zeit zu Zeit mit Wagen, Sitzplatz und Reisegesellschaft ein bißchen zu wechseln. Man kann dann seinen Hals einmal anders strecken, man bewegt manchmal sein Knie, und vielleicht sitzt auch einmal ein Mädchen mit Tanzschuhen neben dir, oder ein Knäblein, dessen Beinchen nicht bis herunter reichen. Man hat dann auch mehr Aussicht, wieder geradeaus zu sehen und gerade zu laufen, wenn man wieder festen Grund unter die Füße bekommt.

      Ob auch in dem Wagen, der vor der Pendoppo stillhielt, sich etwas gegen die »Auflösung des Zusammenhangs« sträubte, weiß ich nicht; aber sicher ist, daß es lange dauerte, ehe etwas zum Vorschein kam. Es schien ein Wetteifer in Höflichkeit stattzufinden; man hörte sagen: »Bitte sehr, Mevrouw« und »Resident« Wie das auch sei, schließlich stieg ein Herr aus, der in Haltung und Aussehen etwas hatte, was an die Saurier erinnerte, von denen ich gesprochen habe.

      Da wir ihn noch öfter sehen werden, will ich nur sogleich sagen, daß seine Unbeweglichkeit nicht ausschließlich der Assimilation mit dem Reisewagen

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