Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli

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Max Havelaar oder  Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft - Multatuli

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Gedanken gekommen wäre, das Jahrhundert nach ihm zu benennen, was er auch gar nicht verlangte.

      Er saß inmitten der Pendoppo an dem Tisch, der mit einem weißen Tuch bedeckt und mit Speisen beladen war. Etwas ungeduldig fragte er von Zeit zu Zeit mit den Worten der Schwester von Frau Blaubart, den »Mandoor«-Aufseher, d. h. das Oberhaupt der Polizei- und Bureaudiener der Adsistent-Residentschaft, ob noch nichts im Anzuge wäre? Dann stand er auf einmal auf, versuchte vergebens seine Sporen auf dem gestampften Lehmboden der Pendoppo klirren zu lassen, zündete zum zwanzigstenmal seine Cigarre an und setzte sich wieder hin. Er sprach wenig.

      Und doch hätte er sprechen können; denn er war nicht allein. Ich meine hiermit nicht, daß er von zwanzig oder dreißig Javanen begleitet war, Bedienten, Mantris und Aufsehern, die am Boden hingekauert in der Pendoppo und draußen saßen, auch nicht von den vielen, die fortwährend aus und ein liefen, auch nicht von der großen Zahl von verschiedenen Rangstufen, die draußen die Pferde hielten oder auf ihnen herumritten;  der Regent von Lebak, Raden Adipati Karta Natta Negara, saß ihm gegenüber.

      Warten ist immer langweilig. Eine Viertelstunde dauert eine Stunde, eine Stunde einen halben Tag, und so geht es weiter. Verbrugge hätte wohl etwas gesprächiger sein können. Der Regent von Lebak war ein gebildeter alter Mann, der über vieles mit Verstand und Urteil zu sprechen wußte. Man brauchte ihn nur anzusehen, um überzeugt zu sein, daß die Mehrzahl der Europäer, die mit ihm in Berührung kamen, mehr von ihm lernen konnten als er von ihnen. Seine lebendigen dunklen Augen widersprachen durch ihr Feuer der Müdigkeit seiner Züge und der weißen Farbe seiner Haare. Was er sagte, war gewöhnlich lange überlegt, was übrigens bei dem gebildeten Orientalen die Regel ist. Wenn man mit ihm sprach, fühlte man, daß man seine Worte wie Briefe anzuhören hatte, deren Original er in seinem Archiv hatte, um nötigenfalls darauf zurückzukommen. Das mag für den, der den Umgang mit javanischen Großen nicht kennt, unangenehm scheinen; es ist indessen sehr leicht, in Gesprächen alle Gegenstände, die Anstoß geben könnten, zu vermeiden, denn sie würden ihrerseits dem Lauf der Unterhaltung niemals auf brüske Weise eine andere Richtung geben. Nach orientalischen Begriffen würde sich das mit dem guten Ton nicht vertragen. Wer also Ursache hat, einen bestimmten Punkt zu vermeiden, braucht bloß über gleichgültige Dinge zu sprechen, und er kann sicher sein, daß ein javanischer Großer ihn nie durch eine unerwünschte Wendung im Gespräch auf ein Gebiet führen wird, das er lieber nicht beträte.

      Über die Art des Umganges mit diesen Großen bestehen übrigens verschiedene Ansichten. Mir scheint, als ob einfache Aufrichtigkeit, ohne Streben nach diplomatischer Vorsicht, den Vorzug verdient.

      Wie das auch sei  Verbrugge begann jetzt mit einer Bemerkung über das Wetter und den Regen.

      »Ja, Herr Kontroleur, es ist der Westmonsun.«

      Das wußte Verbrugge selber auch; es war im Januar. Aber was er über den Regen gesagt hatte, wußte der Regent auch. Darauf folgte wieder einiges Schweigen. Der Regent winkte mit einer kaum sichtbaren Kopfbewegung einem der Bedienten, die an dem Eingang der Pendoppo niedergehockt saßen. Ein kleiner Bursche, allerliebst gekleidet, in blausamtenem Wams und weißen Hosen, mit einem goldenen Gürtel, der seinen kostbaren Sarong um die Lenden festhielt, und auf dem Kopfe den gefälligen »Kain kapala«, unter dem seine schwarzen Augen so träge heraussahen, kroch bis an die Füße des Regenten heran, setzte die goldene Dose nieder, die den Siri, den Kalk, den Pinang, den Gambir und den Tabak enthielt, machte den »Slamat«, indem er die aneinander gedrückten Hände zu der niedergebeugten Stirn erhob, und reichte darauf die kostbare Dose seinem Herrn hin.

      »Der Weg wird schwierig sein, nach so viel Regen«, sagte der Regent, als ob er das lange Warten erklärlich machen wollte, während er ein Betelblatt mit Kalk bestrich.

      »Im Pandeglangschen sind die Wege nicht so schlecht«, antwortete Verbrugge, der, vorausgesetzt, daß er nichts Unangenehmes berühren wollte, die Antwort wohl etwas zu schnell gab; denn sonst hätte er bedenken müssen, daß ein Regent von Lebak nicht gern die Wege von Pandeglang loben hört, und wären sie wirklich besser als im Lebakschen.

      Der Adipati beging den Fehler einer zu schnellen Antwort nicht. Der kleine »Maas« war schon wieder hockend zurückgekrochen, nach dem Eingang der Pendoppo, wo er unter seinen Kameraden Platz nahm, der Regent hatte schon seine Lippen und seine wenigen Zähne mit dem Siri-Speichel rot gefärbt, ehe er sagte:

      »Ja, es ist viel Volk in Pandeglang.«

      Wer den Regenten und den Kontroleur kannte, und wem die Zustände in Lebak kein Geheimnis waren, hätte deutlich gemerkt, daß das Gespräch bereits ein Streit geworden war. Die Anspielung auf den besseren Zustand der Wege in dem Nachbardistrikt schien die Folge zu sein von vergeblichen Anstrengungen, auch im Lebakschen solche besseren Wege anzulegen. Aber darin hatte der Regent recht, daß Pandeglang besser bevölkert war, besonders im Verhältnis zu der ungleich kleineren Oberfläche, und daß daher dort die Arbeit an den großen Wegen durch vereinte Kraft leichter zustande kam als im Lebakschen, einem Distrikt, der auf Hunderte von »Palen« Grundfläche bloß siebzigtausend Einwohner zählte.

      »Das ist wahr«, sagte Verbrugge, »wir haben wenig Volk hier, jedoch …«

      Der Adipati sah ihn an, als erwartete er einen Angriff. Er wußte, daß nach dem »jedoch« etwas folgen konnte, was für ihn, der seit dreißig Jahren Regent von Lebak war, unliebsam zu hören war. Verbrugge wollte abbrechen und fragte wieder den Aufpasser, ob er nichts kommen sähe?

      »Von der Pandeglangschen Seite noch nichts, Herr Kontroleur; aber da drüben auf der anderen Seite reitet jemand … es ist der Kommandant.«

      »Gewiß Dongso« sagte Verbrugge, hinausblickend, »er ist in der Gegend auf Jagd, er ist heute früh ausgegangen … He Duclari, … Duclari …«

      »Er hört Sie, Mijnheer, er kommt her. Sein Bursche reitet hinter ihm mit einem ›Kidang‹ hinter sich auf dem Pferde.«

      »Halte das Pferd des Herrn Kommandanten« gebot Verbrugge einem der Verdienten draußen. »Guten Morgen, Duclari, sind Sie naß geworden? Was haben Sie geschossen? Treten Sie ein«

      Ein kräftiger Mann von dreißig Jahren in militärischer Haltung, wenn auch von Uniform keine Spur war, trat in die Pendoppo. Es war der Leutnant Duclari, Kommandant der kleinen Garnison von Rangkas-Betoeng. Verbrugge und er waren befreundet, und ihre Intimität war noch größer, da Duclari seit einiger Zeit zu Verbrugge gezogen war, bis das neue Fort fertig sein würde. Er drückte diesem die Hand, grüßte den Regenten höflich, und setzte sich mit der Frage: »Was giebt's denn hier?«

      »Wollen Sie Thee, Duclari?«

      »Nein, mir ist warm genug. Habt ihr Sodawasser? Das ist frisch «

      »Das lasse ich Ihnen nicht geben. Wenn man warm ist, halte ich Sodawasser für sehr gefährlich … man wird steif und gichtig davon. Seht die Kulis, die schwere Lasten über die Berge tragen, die halten sich frisch und geschmeidig durch das Trinken von heißem Wasser oder ›Koppi dahun‹ … aber Ingwerthee ist noch besser …«

      »Was …? Koppi dahun? Thee von Kaffeeblättern? Das habe ich noch nie gesehen.«

      »Weil Sie nicht auf Sumatra gedient haben; da ist das gebräuchlich.«

      »Dann lassen Sie mir Thee geben … aber nicht von Kaffeeblättern, auch nicht von Ingwer … ja, Sie sind ja auf Sumatra gewesen  und der neue Adsistent-Resident auch, nicht wahr?«

      Dies Gespräch wurde auf holländisch geführt, was der Regent nicht verstand. Mochte nun Duclari fühlen, daß etwas Unhöfliches darin lag, ihn dadurch von der Unterhaltung auszuschließen, oder mochte er eine andere Absicht damit haben, plötzlich fuhr er, sich an den Regenten wendend, auf malayisch fort:

      »Weiß

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