Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз
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Читать онлайн книгу Die Frau in Weiss - Уилки Коллинз страница 31
Glücklicherweise, um dieser Entschuldigung wenigstens äußerlich den Anschein der Wahrheit zu geben, brachte die Post mir diesen Morgen zwei Briefe von Freunden in London. Ich nahm sie sofort mit auf mein Zimmer, schickte den Diener mit meiner Empfehlung an Mr. Fairlie und ließ ihn fragen, wann ich ihn in einer Geschäftsangelegenheit sprechen dürfte.
Ich erwartete des Mannes Rückkehr, ohne mich im Allergeringsten darüber zu beunruhigen, wie sein Herr möglicherweise mein Ersuchen aufnehmen werde. Ich mußte fort – ob nun mit Mr. Fairlie’s Bewilligung oder ohne dieselbe. Das Bewußtsein, jetzt den ersten Schritt auf diesem öden Wege gethan zu haben, der hinfort mein Leben von Miß Fairlie’s Leben trennen sollte, schien mich gegen Alles Andere, was mich betraf, abgestumpft zu haben. Ich war fertig mit meinem empfindlichen Armenmannesstolz – fertig mit allen kleinen Künstlereitelkeiten. Reine Impertinenz von Mr. Fairlie – falls es ihm gefallen sollte, impertinent zu sein – konnte mich jetzt verletzen.
Der Diener kehrte mit einer Botschaft zurück, auf die ich nicht unvorbereitet war. Mr. Fairlie bedauerte, daß der Zustand seiner Gesundheit gerade an diesem Morgen derart sei, daß er ihn aller Hoffnung beraube, das Vergnügen zu haben, mich zu sehen. Er bitte mich daher, seine Entschuldigungen entgegen zu nehmen und ihm gütigst meine Wünsche brieflich mitzutheilen. Ich hatte während der drei Monate meines Aufenthaltes im Hause in verschiedenen Zwischenräumen ähnliche Botschaften erhalten, während dieser ganzen Zeit war Mr. Fairlie hoch erfreut gewesen, mich zu »besitzen«, aber niemals wohl genug, um mich ein zweites Mal zu sehen. Der Diener trug jedes neue Paket beendeter Zeichnungen mit einer »achtungsvollen Empfehlung« zu seinem Herrn und kehrte mit leeren Händen und Mr. Fairlie’s »bester Empfehlung«, »freundlichem Danke« und »aufrichtigem Bedauern« zurück, daß der Zustand seiner Gesundheit ihn noch immer zum einsamen Gefangenen auf seinem Zimmer mache. Die Sache hätte nicht befriedigender für beide Theile eingerichtet werden können. Es wäre schwer zu entscheiden, wer von uns Beiden Mr. Fairlie’s gefälligen Nerven die größte Dankbarkeit schuldete.
Ich setzte mich sofort und schrieb den Brief, indem ich mich so höflich, deutlich und kurz wie möglich ausdrückte. Mr. Fairlie übereilte sich nicht mit der Antwort. Es verging beinahe eine Stunde, ehe mir dieselbe überbracht wurde. Sie war mit sehr schöner, regelmäßiger und zierlicher Handschrift, mit veilchenfarbener Tinte auf Briefpapier geschrieben, das so glatt wie Elfenbein und beinahe so steif wie Pappe war, und lautete wie folgt:
»Mr. Fairlie’s Empfehlungen an Mr. Hartright.
Mr. Fairlie fühlt sich durch Mr. Hartright’s Anliegen mehr überrascht und getäuscht, als er (in seinem gegenwärtigen Gesundheitszustande) zu beschreiben vermag. Mr. Fairlie ist kein Geschäftsmann, aber er hat seinen Haushofmeister – der ein Geschäftsmann ist – befragt und derselbe bestätigt seine Ansicht, daß Mr. Hartright’s Wunsch, seinen Contract zu brechen, durch keine Art von Notwendigkeit zu rechtfertigen ist, außer etwa in einem Falle von Leben und Tod. Wenn Mr. Fairlie’s hohe Schätzung der Kunst und ihrer Jünger, die ihm in seinem leidenden Dasein Trost und Glück gewähren, leicht zu erschüttern wäre, so würde Mr. Hartright’s gegenwärtiges Verfahren sie erschüttert haben. Doch ist dies nicht der Fall – außer in Bezug auf Mr. Hartright selbst.
Nachdem Mr. Fairlie seine Meinung ausgesprochen – das heißt, insoweit sein heftiges nervöses Leiden ihm erlaubt, überhaupt irgend etwas auszusprechen – bleibt ihm Nichts weiter hinzuzufügen übrig, als seinen Entschluß in Bezug auf das an ihn ergangene höchst irreguläre Ersuchen mitzutheilen. Da Mr. Fairlie’s Zustand die vollkommenste Ruhe des Körpers und Gemüthes fordert, so will er Mr. Hartright nicht erlauben, diese Ruhe dadurch zu stören, daß er unter Verhältnissen in seinem Hause bliebe, welche für beide Theile im höchsten Grade aufregend sein wurden. Demzufolge leistet Mr. Fairlie Verzicht auf sein Recht der Verweigerung, ausschließlich in Rücksicht auf die Erhaltung seiner eigenen Ruhe – und benachrichtigt Mr. Hartright, daß er gehen mag.«
Ich legte den Brief zusammen und zu meinen übrigen Papieren. Es hatte eine Zeit gegeben, wo ich ihn als eine Beleidigung geahndet hatte; jetzt nahm ich ihn als eine geschriebene Entlassung auf. Ich hätte ihn mir aus dem Sinne geschlagen, ja fast aus dem Gedächtnisse verloren, als ich ins Frühstückszimmer hinunter ging, um Miß Halcombe zu sagen, daß ich bereit sei, mit ihr nach dem Gehöfte zu gehen.
»Hat Mr. Fairlie Ihnen eine befriedigende Antwort gegeben?« frug sie, als wir das Haus verließen.
»Er hat mir zu gehen erlaubt, Miß Halcombe.«
Sie schaute schnell zu mir auf und nahm dann zum ersten Male, seit ich sie kannte, von selbst meinen Arm. Keine Worte, die sie hätte sprechen können, hätten mir auf so zartfühlende Weise ihr Verständniß der Manier, wie man mir die erbetene Erlaubniß gestattet, ausgedrückt und zugleich, daß sie mir ihre Theilnahme nicht aus Herablassung, sondern aus Freundschaft bot. Ich hatte des Mannes impertinenten Brief nicht gefühlt, aber des Weibes abbittende Güte fühlte ich tief.
Auf unserem Wege nach dem Gehöfte kamen wir überein, daß Miß Halcombe allein ins Haus gehen und ich in einer Entfernung draußen warten sollte, so daß man mich nöthigenfalls rufen könne. Wir nahmen dies Verfahren aus Besorgniß an, daß meine Gegenwart nach dem, was sich gestern Abend auf dem Kirchhofe ereignet hatte, vielleicht die nervöse Furcht in Anna Catherick wieder erwecken und sie doppelt argwöhnisch gegen das Entgegenkommen einer ihr völlig fremden Dame machen möge.
Miß Halcombe verließ mich in der Absicht, zuerst mit der Frau des Pächters zu sprechen (deren Bereitwilligkeit, ihr auf jede mögliche Weise zu helfen, sie sich versichert hielt), während ich unfern des Hauses auf sie wartete.
Ich war ganz darauf vorbereitet, ziemlich lange warten zu müssen. Zu meinem Erstaunen aber waren kaum fünf Minuten verflossen, als Miß Halcombe schon wieder zurückkehrte.
»Weigert sich Anna Catherick, Sie zu sehen?« frug ich erstaunt.
»Anna Catherick ist fort,« erwiderte Miß Halcombe.
»Fort!«
»Fort mit Mrs. Clements. Beide verließen das Gehöfte heute Morgen um acht Uhr.«
Ich konnte kein Wort sagen – ich konnte nur fühlen, daß unsere letzte Aussicht auf Entdeckung des Geheimnisses mit ihnen geschwunden war.
»Alles, was Mrs. Todd über ihre Gäste weiß, habe ich erfahren,« fuhr Miß Halcombe fort, »und es läßt mich, wie Sie, im Dunkeln. Sie kamen Beide gestern Abend nachdem sie Sie verlassen, wohlbehalten zurück und brachten den ersten Theil des Abends, wie gewöhnlich, mit Mrs. Todd’s Familie zu. Aber gerade vor dem Nachtessen erschreckte Anna Catherick sie alle, indem sie ohnmächtig wurde. Sie hatte an dem Tage ihrer Ankunft auf dem Gehöfte einen Anfall ähnlicher Art gehabt, und Mrs. Todd hatte es damals auf etwas geschoben, was sie in unserer Ortszeitung gelesen, welche sie einen Augenblick vorher vom Tische genommen hatte.«
»Weiß Mrs. Todd, welche besondere Stelle in der Zeitung sie so erregte?« frug ich.
»Nein,« entgegnete Miß Halcombe. »Sie hatte sie durchgesehen und Nichts darin gefunden, was irgend Jemand erregen könnte. Ich bat indessen um die Erlaubniß, die Zeitung ebenfalls zu sehen, und schon auf der ersten Seite sah ich, daß der Redacteur Stoff zu seinen Neuigkeiten aus unseren Familienangelegenheiten geschöpft und unter anderen Tagesneuigkeiten die Verlobung meiner Schwester bekannt gemacht hatte, welche er den Londoner Zeitungen und ›Vermählungen in der vornehmen Welt‹ entlehnte. Ich schloß