Ein tiefes Geheimniss. Уилки Коллинз

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Ein tiefes Geheimniss - Уилки Коллинз

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wechselten bei der ersten Begegnung an diesem Tage ein Wort oder nahmen die mindeste Notiz von einander. Shrowl blieb, mit den Händen in den Taschen träg zuschauend, stehen und wartete, bis für ihn Platz am Feuer würde.

      Mr. Treverton trug, als er fertig war, seinen Speck auf den Tisch, schnitt sich eine Rinde Brot ab und begann nun zu frühstücken. Als er den ersten Bissen hinuntergewürgt hatte, ließ er sich herab, zu Shrowl aufzublicken, der in diesem Augenblick sein Taschenmesser öffnete und sich mit schlurfendem Tritt und schläfrig gierigen Augen ebenfalls der Speckseite näherte.

      »Was soll das heißen?« fragte Mr. Treverton, indem er mit Entrüstung und Erstaunen auf Shrowls Brust zeigte. »Ihr dummer Kerl habt ja ein reines Hemd an!«

      »Ich danke Ihnen, Sir, daß Sie Notiz davon nehmen,« sagte Shrowl mit sarkastisch erheuchelter, übertriebener Demut. »Die Veranlassung dazu ist eine sehr freudige. Heute ist ja meines Herrn Geburtstag und da konnte ich unmöglich weniger tun als ein reines Hemd anziehen. Möge Ihnen dieser Tag noch oft wiederkehren, Sir! Vielleicht haben Sie geglaubt, ich würde nicht daran denken, daß heute Ihr Geburtstag sei? Gott segne Ihr gutes liebes Gesicht, ich würde so etwas unter keiner Bedingung vergessen haben. Wie alt werden Sie denn heute, Sir? Es ist nun eine hübsche Zeit her, Sir, seitdem Sie ein kleiner, freundlicher, dicker Junge waren mit einer Krause um den Hals und Marmorkügelchen in der Tasche und eingeknöpften Hosen und Küssen und Geschenken von Papa und Mama und Onkel und Tante an Ihrem Geburtstage. – Fürchten Sie nicht, daß ich dieses Hemd durch allzuhäufiges Waschen abnutzen werde. Ich gedenke es in Lavendelkraut bis zu Ihrem nächsten Geburtstag oder auch zu Ihrem Leichenbegängnis aufzuheben, was in Ihrem Alter ebenso wahrscheinlich ist – meinen Sie nicht auch, Sir?«

      »Verschwendet kein reines Hemd an mein Leichenbegängnis,« entgegnete Mr. Treverton. »Ich habe Euch in meinem Testament kein Geld vermacht, Shrowl! Wenn ich auf dem Wege nach dem Grabe bin, seid Ihr auf dem Wege nach dem Armenhaus.«

      »Haben Sie wirklich einmal Ihr Testament gemacht, Sir?« fragte Shrowl, indem er mit dem Anschein des größten Interesses im Abschneiden seiner Speckschnitte innehielt; »ich bitte gehorsamst um Verzeihung, aber ich glaubte immer, Sie scheuten sich es zu tun.«

      Der Diener hatte augenscheinlich mit Absicht eine der wunden Stellen seines Herrn berührt. Mr. Treverton schlug mit seiner Brotrinde auf den Tisch und sah Shrowl zornig an.

      »Ich sollte mich scheuen, mein Testament zu machen, Ihr Narr !« sagte er. »Ich mache aus Grundsatz keins und werde keins machen.«

      Shrowl sägte langsam sein Stück Speck vollends los und begann eine Melodie zu pfeifen.

      »Aus Grundsatz mache ich keins!« wiederholte Mr. Treverton. »Reiche Leute, welche Geld hinterlassen, sind die Säleute, welche die Saat menschlicher Verruchtheit ausstreuen. Wenn ein Mensch noch einen Funken Edelmut in seinem Gemüt hat und man denselben auszulöschen wünscht, so vermache man ihm etwas. Wenn ein Mensch schlecht ist und man ihn noch schlimmer zu machen wünscht, so setze man ihm ein Vermächtnis aus. Will man eine Anzahl Menschen zu dem Zweck, Schlechtigkeit und Unterdrückung nach großartigem Maßstabe zu befördern, zusammenbringen, so mache man ein Vermächtnis in Form einer milden Stiftung. Wünscht man einem Mädchen die beste Möglichkeit von der Welt zu verschaffen, einen schlechten Mann zu bekommen, so setze man ihr ein Vermächtnis aus. Will man junge Männer ins Verderben stürzen, will man alte Männer zu Magneten machen, welche die niedrigsten Eigenschaften der Menschheit anziehen, wünscht man, daß Eltern und Kinder, Eheleute und Geschwister einander in die Haare fallen, so vermache man ihnen Geld. Ich sollte mein Testament machen? Ich kann die Menschen nicht leiden, Shrowl, das wißt Ihr, aber dennoch hasse ich sie noch nicht so sehr, daß ich ein solches Unheil unter ihnen anrichten möchte.«

      Nachdem Mr. Treverton mit diesen Worten seine Rede beendet, nahm er eine der alten zinnernen Kannen vom Nagel und erfrischte sich durch einen Trunk Bier.

      Shrowl schob den Bratrost an eine reine Stelle im Feuer und kicherte sarkastisch vor sich hin.

      »Wem zum Teufel sollte ich denn auch mein Geld vermachen?« hob Mr. Treverton wieder an. »Meinem Bruder, der mich jetzt für einen Unmenschen hält und mich dann für einen Narren halten und mein ganzes Geld mit Landstreicherinnen und Komödianten durchbringen würde? Oder dem Kinde jener Komödiantin, welches ich mit keinem Auge gesehen, welches erzogen ward, um mich zu hassen und welches sofort zum Heuchler werden würde, indem es des Anstandes wegen sich stellen müßte, als täte mein Tod ihm leid! Oder vielleicht Euch, Ihr menschlicher Pavian – Euch, der Ihr sofort ein Wuchergeschäft eröffnen und Witwen, Waisen und allen Unglücklichen überhaupt das Blut aussaugen würdet? Eure Gesundheit, Mr. Shrowl! Ich kann ebenso gut lachen wie Ihr, besonders da ich weiß, daß ich Euch keinen Sixpence hinterlasse.«

      Shrowl begann seinerseits nun ein wenig ärgerlich zu werden. Die ironische Höflichkeit, welche er bei seinem Eintritt in das Zimmer anzunehmen beliebt, wich seiner gewohnten sauertöpfischen Laune und dem natürlichen mürrischen Ausdruck seiner Stimme.

      »Ich bitte Sie, mich ungeschoren zu lassen,« sagte er, indem er sich mißmutig zu seinem Frühstück niedersetzte. »Ich bin für heute mit dem Spaßmachen fertig und möchte Ihnen vorschlagen, dasselbe zu tun. Was kann es nützen, allerhand Unsinn über Ihr Geld zu schwatzen. Irgend jemandem müssen Sie es doch hinterlassen!«

      »Ja wohl, das werde ich,« sagte Mr. Treverton. »Ich vermache es, wie ich Euch schon so oft gesagt habe, dem ersten besten, den ich finden kann, welcher das Geld herzlich verachtet und deshalb durch den Besitz desselben nicht schlechter gemacht werden kann.«

      »Das heißt niemandem,« grunzte Shrowl.

      »Das weiß ich recht wohl,« entgegnete sein Herr.

      »Aber niemandem können Sie es nicht hinterlassen,« fuhr Shrowl hartnäckig fort. »Sie müssen es jemandem hinterlassen – Sie können gar nicht anders.«

      »Nicht?« sagte Mr. Treverton. »Ich sollte meinen, ich könnte damit tun, was mir beliebt. Ich kann es ja, wenn ich Lust habe, in lauter Banknoten umsetzen und in unserm Brauhause ein Freudenfeuer damit anzünden, ehe ich sterbe. Dann ginge ich aus der Welt mit dem Bewußtsein, daß ich kein Material zurückgelassen, durch welches sie noch schlechter werden könnte, als sie schon ist, und das wäre für mich ein herrlicher Trost, das kann ich Euch sagen.«

      Ehe Shrowl ein Wort der Entgegnung hervorbringen konnte, ward an der Hofpforte des Hauses die Klingel gezogen.

      »Geht hinaus,« sagte Mr. Treverton, »und seht was es gibt. Wenn ein Weib zu uns will, so zeigt ihr, was für eine Vogelscheuche Ihr seid und sie wird schleunigst die Flucht ergreifen; ist es ein Mann –«

      »Wenn es ein Mann ist,« unterbrach Shrowl seinen Herrn, »so gebe ich ihm einen Faustschlag auf den Kopf, weil er mich bei meinem Frühstück unterbricht.«

      Mr. Treverton stopfte während der Abwesenheit seines Dieners sich die Pfeife und zündete sie an. Ehe sie noch recht in Brand war, kehrte Shrowl zurück und meldete, daß ein Mann dagewesen sei.

      »Habt Ihr ihm denn einen Faustschlag auf den Kopf gegeben?« fragte Mr. Treverton.

      »Nein,« sagte Shrowl, »ich habe bloß seinen Brief aufgehoben. Er schob ihn unter dem Pförtchen durch und ging wieder seiner Wege. Hier ist der Brief.«

      Der Brief war auf Kanzleipapier und die Adresse von einer juristischen Geschäftshand geschrieben. Als Mr. Treverton ihn öffnete, fielen zwei aus Zeitungen geschnittene Papierstreifen heraus. Der eine fiel auf den Tisch, an welchem Mr. Treverton saß, der andere flatterte bis auf den Fußboden.

      Diesen letzten Streifen hob Shrowl auf und las den Inhalt durch, ohne sich erst die Mühe zu nehmen, seinen Herrn um

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