Herz und Wissen. Уилки Коллинз

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style="font-size:15px;">      Beide sahen einander an. War es nun infolge der im Saale herrschenden Hitze, oder hatte sich Carmina vielleicht noch nicht vollständig von der vorhergegangenen Nervenerschütterung erholt? – ihr Kopf sank auf die Schulter der alten Teresa; sie war ohnmächtig geworden.

      Capitel V

      Darf ich um eine Tasse Thee bitten, Miß Minerva?«

      »Mit Vergnügen, Mr. Le Frank.«

      »War denn Mrs. Gallilee von dem Concerte befriedigt?«

      »Ganz entzückt. Es war vollkommen.«

      »Nein, Miß Minerva – vollkommen war es nicht. Sie vergessen den Zwischenfall mit der Dame, die ohnmächtig wurde, was ebenso aufregend für das Publikum als unangenehm für die Künstler war.«

      »Vorsichtig, Mr. Le Frank! Diese neuen Häuser haben so dünne Wände und Decken, und man könnte Sie vielleicht oben hören. Die ohnmächtig Gewordene ist dort und mit ihr alle Elemente zu einem Roman. Ist Ihnen der Thee so recht?«

      In dieser scherzhaft reizenden Weise spielte Miß Minerva, die Gouvernante Mrs. Gallilee’s, mit der Neugier des Musiklehrers, der ein höfliches Interesse an der bevorstehenden Enthüllung bekundete, die tiefliegenden Augen aufriß und die zart gezeichneten Brauen in die Höhe zog. Derselbe war nach dem Concerte im Gallilee’schen Hause vorgesprochen, um eine Tasse Thee (mit möglichst viel Lob versüßet) im Schulzimmer einzunehmen, und befand sich nun einem auffallenden persönlichen Contrast im Gesicht der Gouvernante gegenüber, die, an der andern Seite des Tisches sitzend, zuvorkommend die Wirthin machte.

      Mr. Le Franks volle Wangen strotzten von Farbe, die Ueberreste gelben Haares, die noch die Seiten seines Hauptes zierten, erschienen so seidenartig gebrechlich wie gesponnenes Glas, und die edle Fülle des von zartem Parfüm duftenden wohlgepflegten Bartes, in dem auch das schärfste Auge nicht ein Härchen hätte entdecken können, das nicht an seinem Platze gewesen wäre, wogen die vorzeitige Glatze gewissermaßen auf. Miß Minerva’s bleiches Gesicht, so mager, herb und lang, nahm sich dem gegenüber aus, als ob es danach verlangte, stellenweise von einer discreten Hülle Verdeckt zu werden. Ihr grobes schwarzes Haar überragte wie ein Schutzdach die buschigen schwarzen Brauen und harten schwarzen Augen. »Die bekommt nie einen Mann«, so hieß es in den Domestikenräumen – »sie ist viel zu gelb und gelehrt, viel zu häßlich und arm.« Und doch, wenn das Geheimnißvolle wirklich interessant ist, so war sie ein interessantes Wesen. Die Leute, die mit ihr zu thun hatten, hatten die Empfindung von etwas Geheimnisvollem – etwas unheilverkündendem Geheimnißvollen in ihrer Natur, das jeder Entdeckung trotzte. Wäre die Wissenschaft im Stande, moralische Verderbtheit durch Analyse des Blutes zu entdecken oder die Willensfestigkeit zu seciren, so hätte Miß Minerva’s innere Natur vielleicht offenbart werden mögen; so aber enthüllte sich dem prüfenden Blicke nichts Auffälligeres als ein eigenthümlich reizbares Temperament, das möglichenfalls einer explosiven Kraft als Sicherheitsventil diente, die unter Umständen – wenn die Versuchung stark genug und die Gelegenheit günstig sein sollte – dennoch hervorbrechen mochte.

      »Sachte, Mr. Le Frank! Der Thee ist heiß und Sie möchten sich den Mund verbrennen. Wie soll ich Ihnen berichten, was geschehen ist?« Mit unendlichem Takte ließ Miß Minerva gerade im richtigen Momente den scherzhaft herausfordernden Ton fallen. »Denken Sie sich eben«, begann sie wieder, »eine Szene von der Bühne im Privatleben vorgehen. Die in Ihrem Concerte ohnmächtig Gewordene entpuppt sich als keine Geringere denn Mrs. Gallilee’s Nichte!«

      Der allgemeinen Thorheit, die nur einen günstigen Prospekt zu lesen braucht, um blindlings in Actien zu spekulieren, paart sich gleichförmig vertheilt die Beschränktheit, die nicht im Stande ist zu entdecken, daß zwischen Fiction und Wahrheit, sei es auf der Bühne oder draußen, irgend eine mögliche Beziehung existieren könne. Wie man ein Narr sein müßte, wenn man das, was in einer Zeitung steht, bezweifeln würde, so müßte man gleichfalls ein Narr sein, wenn man das, was in einer Novelle steht, glauben wollte. Mr. Le Frank folgte bei dieser Gelegenheit dem allgemeinen Beispiele etwas zu rückhaltlos, indem er wegen des eben Berichteten Zweifel aussprach, obgleich es sich dabei um etwas handelte, das nach dem Zeugnisse einer Dame ein Vorfall des wirklichen Lebens war. Weit entfernt indeß, dadurch verletzt zu sein, sympathisierte Miß Minerva herzlich mit ihm.

      »Ja, es ist wirklich zu theatralisch, um es zu glauben«, gab sie zu; »aber die junge iu Ohnmacht Gefallene ist thatsächlich mit der interessanten, aus Italien erwarteten Fremden eine und dieselbe Person. Sie kennen Mrs. Gallilee und wissen, wie sie ist – immer sympathetisch, für alle Nothfälle bereit. Sie hatte das erste Riechfläschchen zur Hand; sie war es, die die Geistesgegenwart besaß, die Ohnmächtige in eine horizontale Lage bringen zu lassen. »Man muß dem Herzen Luft machen«. sagte sie, damit die ganze Theorie der Ohnmachtsanfälle in sechs Worte zusammenfassend. Im nächsten Augenblicke, fuhr die Gouvernante fort, einen theatralischen Coup machend, ohne es zu wissen, »im nächsten Augenblicke bedurfte Mrs. Gallilee selbst des Riechfläschchens.«

      »Sie wollen doch nicht sagen, daß sie ohnmächtig geworden sei!« bemerkte Mr. Le Frank, der noch. immer nicht recht gläubig war.

      Miß Minerva hob den Zeigefinger, mit dem sie, wenn ihre Schülerinnen einer Aufmunterung bedurften, ihren Lectionen Nachdruck zu geben pflegte. »Mrs. Gallilee’s Seelenstärke widerstand dem Anfall wie ich Ihnen sagen wollte, als Sie mich unterbrachen, und Sie werden sofort verstehen, was sie das gekostet haben muß. Unsere interessante junge Dame war von einer abscheulichen alten Ausländerin begleitet, die vollständig den Kopf verlor, wie wahnsinnig die Hände rang und alle Heiligen anrief, was freilich nicht die geringste Wirkung hatte – dieselbe brachte aber einen Namen dazwischen, der selbst in Italien bemerkenswerth ist; und das war das Ernste bei der Sache. Versetzen Sie sich in Mrs. Gallilee’s Stelle —«

      »Wie vermöchte ich das!« unterbrach sie Mr. Le Frank bescheiden.

      Miß Minerva sah ihn mit einem momentanen Durchleuchten von Argwohn in den schwarzen Augen an. Es bestand das stillschweigende, keinerseits je offen anerkannte Uebereinkommen unter diesen beiden Unterweisern der Jugend, jedes mal, wenn sich das Gespräch um Mrs. Gallilee drehte, dieselbe ergebene Bewunderung zu bekunden, einerlei was sie in ihrer Privatmeinung wirklich von ihr halten mochten. Mit der Heiterkeit der Unschuld hielt Mr. Le Frank den forschen Blick Miß Minerva’s aus, die dann fortfuhr:

      »Der Taufname der jungen Dame – ich sagte Ihnen ja wohl, daß sie eine Italienerin sei – ist Carmina. Mrs. Gallilee schien ein Schlag zu treffen, als sie ihn hörte. Mit wundervollem Takte klärte sie die Alte auf und trat sofort in ihre Rechte als Mrs. Carmina’s Tante ein. »Ich bin Mrs. Gallilee«, war Alles, was sie sagte; und das Resultat« – Miß Minerva machte eine Pause und deutete nach der Decke – »das Resultat finden Sie dort oben. Als ich die Ehre hatte, unseren reizenden Gast zu sehen, lag sie auf dem Sopha und wurde von der abscheulichen Alten angefächelt. Nein, Mr. Le Frank, ich bin noch nicht zu Ende – ein Act dieses Dramas aus dem Privatleben bleibt noch zu berichten. Unter den Concertbesuchern befand sich ein Arzt, der sich beeilte, seine Dienste anzubieten, um die Ohnmächtige wieder in’s Leben zurückzurufen, er hat die interessante Patientin jetzt in Behandlung. Können Sie errathen, wer ist?«

      Mr. Le Frank, der bei dem Hausarzt der Familie ein Billet zu seinem Concerte untergebracht hatte, schien ein vorsichtiges Rathen nach dieser Richtung die meiste Aussicht auf Erfolg zu Versprechen.

      »Derselbe ist ein Verehrer der Musik«, begann er.

      »Im Gegentheil, ein Feind derselben«, warf die Gouvernante ein.

      »Ich meine den Hausarzt«, beharrte der Pianist.

      »Und ich meine« – Miß Minerva pausierte wieder – »ich meine Mr. Ovid Vere.«

      Es mag

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