Verbergen und Suchen. Уилки Коллинз
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Nachdem der freigebige alte Herr so viel gesagt hatte, fügte er noch hinzu: wenn sein Sohn wirklich willens wäre, ein solches Glück wegzuwerfen, so sollten ihm die Mittel zur Fortsetzung seiner Studien nicht kärglicher zugemessen werden. Die Zinsen seiner zukünftigen Erbschaft sollten ihm schon bei Lebzeiten seines Vaters vierteljährlich ausgezahlt werden, so dass die dem jungen Maler hierdurch unter allen Umständen sicher gestellte Rente sich auf etwas mehr als vier hundert Pfund jährlich belief.
Valentin dankte seinem Vater mit Tränen in den Augen, blieb aber bei seinem ersten Entschlusse, indem er die jetzige Gewissheit, ein reicher Mann zu werden, freudig für die Aussicht, einst ein großer Maler zu werden, opferte.
Wenn er wirklich Talent besessen hätte, so würde so weit nichts Merkwürdiges in diesem Teile seiner Geschichte gewesen sein, da er aber nicht den geringsten Funken des großen schöpferischen Genies in seinem ganzen geistigen Wesen hatte, so liegt gewiss etwas Ungewöhnliches und Unerklärliches darin, trotz aller ungünstigen häuslichen Umstände und verlockenden Versuchungen einen Mann standhaft entschlossen zu sehen, alle jene Lebenspfade zu verlassen, auf welchen er mit seinen Gefährten tüchtig gleichen Schritt hätte halten können, um jenen einen andern einzuschlagen, auf welchem ihm von der Natur vorher bestimmt war, immer zurückzubleiben. Für diese Opfer, welche beim ersten Anblick dem verhängnisvollsten Wahne der Sterblichen geweiht zu sein scheinen, gibt es sogar, wenn auch nur auf kurze Zeit, angenehme Ruheplätze auf ihrem dornigen Wege, ja selbst dann und wann Sonnenstrahlen, um die umwölkte Aussicht zu verschönern. Für den Mann, welcher geistig eines großen intellektuellen Berufs unwürdig ist, ist nicht alles Unglück und Täuschung, so lange er dessen moralisch würdig ist, und so lange er ihn ehrlich, geduldig und liebevoll, um seiner selbst willen ausüben kann. Wenn er auch noch so unbekannt in diesem Geiste sein Werk fördert, wird er in der Arbeit selbst seine größte Belohnung finden. In dieser Belohnung lebt der immer besänftigende und ewig wahre Trost, welcher heilendes Öl auf alle Wunden träufelt und ihn sanft und liebevoll an das Ende der mühevollen Reise führt, obgleich der Ruhm sich von ihm abwendet und der Überfluss mitleidlos auf der andern Seite des Weges schreitet.
So war es mit Valentin; er hatte seiner Kunst sein Glück geopfert und seine Kunst hatte ihm, wenigstens in den Augen der Welt, nichts dafür zurückgegeben. Dennoch hätte er sie nicht inniger lieben, sie nicht hoffnungsvoller pflegen, nicht stolzer und treuer an sie glauben können, wenn die königliche Akademie ihn zu ihrem Präsidenten gewählt, oder die Königin ihn zum Ritter geschlagen hätte. Durch seine Rente war er vor Armut bewahrt und folglich wurde ihm jenes bitterste Elend erspart, welches früher oder später jeden andern Mann, der weniger von den Umständen begünstigt war und einen so niedrigen Rang als er in der Kunst einnahm, niedergebeugt hätte. Dieser glücklichen Lage des Herrn Blyth wurde von einem sie begleitenden Nachteil lange und drückend das Gegengewicht gehalten.
Er arbeitete geduldig weiter, niemals den Glauben oder die Hoffnung verlierend, weil er niemals die Liebe zu seiner Kunst verlor, oder den Genuss sie zu pflegen, wie entmutigend auch immer die erzielten Resultate waren. Wie bei den meisten andern Menschen, die mit geringer Intelligenz begabt sind, waren seine Worte doch mannichfaltig. Er versuchte den überladenen und den strengen Stil, er war abwechselnd religiös, allegorisch, historisch, sentimental und humoristisch. Einmal ging er vom Portrait zur Landschaft über, bald steife Studien nach der Natur anfertigend und dann bald wieder in poetischen Auffassungen schwärmend, welche unentdeckt in mancher Sammlung als unechte Bilder von Berghem oder Claude hätten hängen können.
In welchem Kunstgenre sich Valentin aber auch abmühte, um sich auszuzeichnen, immer schien dasselbe Missgeschick über seinen Bemühungen zu schweben. Jahr um Jahr baten seine Bilder um Aufnahme in der Akademie und unabänderlich wurden ihnen, und das nicht mit Unrecht, die schlechtesten Plätze an den Wänden der Ausstellung verweigert. Von einer Ausstellung bis zur andern arbeitete er wacker weiter, niemals mutlos, niemals hoffnungslos, wenn er vor seiner Staffelei saß, bis endlich der Tag der Belohnung erschien, für den er so lange und mühevoll gestrebt hatte. Ein kleines Bild von sehr unbedeutendem Vorwurf, das Innere einer Küche mit einer listigen Katze, welche, während der Abwesenheit der Köchin die Milch vom Teebrett stiehlt, darstellend, wurde wohlwollend von dem entscheidenden Ausschusse als »zweifelhaft« bezeichnet, – im Fall es an irgend einem vergessenen Platze in der Nähe des Eingangs der Thür passen würde – passte für einen solchen Platz und wurde wirklich als Herrn Blyths kleiner Beitrag zu den tausenden von Gemälden, die in jenem Jahre von der königlichen Akademie für das Publikum ausgestellt wurden, aufgehängt. Valentins Triumph fand hier aber sein Ende noch nicht. Sein Bild wurde wirklich an den Aktionär eines Kunstvereins verkauft. Dieser aufgeklärte Kunstmäzen war der Inhaber einer Kneipe. Er hatte zehn Pfund in der großen Lotterie gewonnen, und da er sich haushälterisch entschlossen hatte, das größte Werk, welches er finden konnte, für sein Geld zu kaufen, ging er mit dem Zollstab eines Zimmermannes umher, alle Bilder, welche um zehn Pfund verkauft werden sollten, auszumessen. Der »Jesuit in der Familie,« wie Blyths Bild genannt wurde, bot in dieser Hinsicht einen köstlichen Kauf dar und wurde folglich von jenem Beschützer der schönen Künste angekauft. Einmal mit einer Zehnpfundnote versehen, welche er mit seinem eigenen Pinsel verdient hatte, trotzte er heiter allen schmähenden Meinungen und allen ihm mit Unverschämtheit ihren Rat erteilenden Freunden. Er schwärmte in der übertriebensten Weise von künftiger Berühmtheit und künftigem Reichtum und bewies, sorglos genug, dass er so fest als irgend ein anderer Phantast an die ausschweifendsten Träume seiner Phantasie glaubte, dadurch, dass er heiratete und sich in großem Stil einrichtete, gestützt auf den glänzenden Erfolg, welchen er durch seinen »Jesuiten in der Familie« davongetragen hatte.
Er war seit einiger Zeit mit der Dame verlobt gewesen, die jetzt Madame Blyth geworden war. Sie war die jüngste von acht Schwestern, welche einen Teil der Familie eines armen Kupferstechers bildeten, die zwar arm an Geld, aber an prächtig tönenden Vornamen sehr reich waren. Madame Blyth hieß Lavinia-Ada, und dies war der bescheidenste Name unter den Schwestern. Valentins Verwandte widersetzten sich nachdrücklich dieser Partie, nicht bloß wegen der Armut der Braut, sondern aus einem andern und sehr ernstem Grunde, welcher sich durch die Ereignisse bald als nur zu. wohlbegründet herausstellte. Lavinia hatte als Kind lange und schmerzhaft an einer Rückenmarkskrankheit gelitten. Beständige Aufmerksamkeit und ein ärztlicher Beistand, wie ihn ihr Vater schaffen konnte, hatten, scheinbar erfolgreich die Krankheit bekämpft; das Mädchen wuchs hübscher als alle ihre Schwestern heran und anscheinend fast ebenso stark wie die gesündeste von ihnen. Als der alte Blyth jedoch hörte, dass sein Sohn jetzt gerade so entschlossen war, zu heiraten, als er es früher gewesen war, ein Maler zu werden, hielt er es für ratsam, gewisse Erkundigungen über die Konstitution der jungen Dame einzuziehen, und wandte sich mit der ihm eigenen Vorsicht in geheimer Unterredung an den Hausarzt der Familie. Das Resultat dieser Konferenz war durchaus nicht zufriedenstellend. Der Doktor hütete sich sorgfältig, sich irgendwie zu kompromittieren; er sagte, hoffentlich sei keine Gefahr für das Rückenmark mehr vorhanden, aber er könne nicht mit gutem Gewissen seine Meinung dahin abgeben, dass er davon vollkommen überzeugt sei. Nachdem der alte Herr Blyth seinem Sohne diese trostlosen Worte wiederholt hatte, fragte er ihn zartfühlend und bedächtig, aber geradeheraus, ob er nach einem solchen Ausspruche des Arztes noch ehrlich glaube, seine eigene Glückseligkeit oder diejenige der jungen Dame in Betracht zu ziehen, wenn er sie überhaupt heirate?
Valentin wollte wie gewöhnlich zuerst nur ausschließlich die gute Seite der Frage betrachten und legte auf des Doktors Autorität wenig Gewicht. Da er aber von seinem Vater gedrängt wurde, die Sache ebensowohl von der schlechtesten als von der besten Seite zu betrachten, antwortete er entschlossen, dass er, was immer sich ereignen möge, entschlossen sei, sein Lavinia gegebenes Versprechen zu der Zeit, welche sie schon für ihre Hochzeit bestimmt, zu erfüllen.
»Lavinia