Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Das schien auch seine Schwester zu empfinden, und darauf wollte sie es denn doch nicht ankommen lassen. Die Hauptsache, sie hatte sich Eintritt ins Schloß verschafft, alles andere kam so peu a peu.
So verabschiedete sie sich denn mit der Bitte, öfter nach ihrem kleinen Bruder sehen zu dürfen. Wohl klang die Zustimmung der Gräfin nicht ermunternd, nichtsdestotrotz erschien sie am übernächsten Tag wieder, wo sie jedoch keinen von der Herrschaft antraf. Wie der Diener erklärte, war die Frau Gräfin ins Dorf gefahren, der Herr Graf befand sich im Gutsbetrieb und der Herr Lutz im Gylthaus.
»Was macht er denn da?« fragte Jella erstaunt.
»Das weiß ich nicht, gnädige Frau.«
Mißgestimmt stieg sie in den Wagen und fuhr nach ihrer Heimatstadt zurück, wo sie sich nach ihres Mannes Tod eine kleine, aber komfortable Wohnung eingerichtet hatte. Die Villa, in der sie mit ihrem Mann gelebt, hatte sie verkauft. Bekam jedoch dafür lange nicht soviel Geld, wie sie annahm; denn das Haus war ziemlich verschuldet.
Das war wieder ein harter Schlag für die geldgierige Jella, die sich nach dem Tod ihres Mannes darauf gefreut hatte, nun endlich im Geld wühlen zu können. Wohl konnte sie mit dem, was er ihr hinterließ, gut auskommen, aber das Leben in den mondänen Orten war teuer.
Zwei Jahre lebte sie dort über ihre Verhältnisse, und das Geld zerrann ihr nur so zwischen den Fingern. Wie gut, daß sie sich in Seestadt die kleine Wohnung eingerichtet hatte, darin konnte sie solange wohnen, sich einschränken und dadurch ihre Finanzen verbessern. Und als sie dann nach Jahren den Grafen Folko wiedersah, da stand ihr Herz in Flammen.
Gut ausgesehen hatte er ja schon damals, aber jetzt, das war ein Mann! Mit dem in der großen Welt glänzen dürfen und sich beneiden lassen.
Den mußte sie haben und würde ihn auch bekommen. Sie kannte doch ihre Macht über die Männer.
Das waren die Zukunftsträume der Frau Jella Kaunz, geborene Briet.
*
Armgard und Lutz saßen im Wohnzimmer des Gylthauses mit heißen Wangen über einer Mathematikarbeit, die es in sich hatte, wie Lutz stöhnte. Es wollte zuerst nicht in seinen Schädel, was da erklärt wurde, bis der Groschen endlich fiel.
»Nun, dämmert es jetzt?« fragte Armgard lachend.
»Endlich«, seufzte er. »Eigentlich ist es ganz einfach, wenn du es mir erklärst. Du weißt aber auch eine ganze Menge.«
»Das wirst du nach dem Abitur genauso wissen«, tröstete sie. »Und was steht noch auf dem Zettel?«
»Kaffee und viel Kuchen.«
»Vielfraß.«
»Und das sagst du mir, wo ich soviel von dir weiß?«
»Ei, und ich erst von dir.«
Sie sahen sich an wie zwei lustige Verschwörer. Frederik von der Gylt, der geruhsam seine Importe rauchte, hatte seine Freude an der frischfröhlichen Neckerei der beiden, die sich so gut verstanden. Das Sie taten sie bald als unbequem ab, und seit dem Geburtstag der Gräfin tauschte Armgard auch mit ihr und Folko das Du. Recht war es ihr wohl nicht gewesen, aber sie konnte sich dem Wunsch der älteren Dame nicht widersetzen, zumal sie zu dem Freundeskreis gehörte. Da war das Du selbstverständlich.
Lutz’ Arm heilte zwar gut, aber so recht gebrauchen konnte er ihn noch immer nicht. Und da er laut ärztlichem Attest von der Schule dispensiert war, ließ er sich von einem Klassenkameraden laufend die Schulaufgaben schicken, die er gewissenhaft erledigte, wobei Armgard ihm half.
So hielt er sich denn im Gylthaus fast mehr auf als im Schloß. Jedenfalls war er nie da, wenn seine Schwester ihn sehen wollte. Bis ihr die Geduld riß und sie zum Gylthaus fuhr, wo sie der Bruder, der sich gerade draußen aufhielt, vor dem Portal abfing.
»Ja, was willst du denn?« fragte er ruppig. »Du hast doch hier nichts zu suchen.«
»Ich bin von Heinz beauftragt, mich um dich zu kümmern.«
»Ach nee, das ist ja ganz was Neues. Da hat er aber rasch umdisponiert. Denn heute früh rief er an und bat die Gräfin, mir noch länger Gastfreundschaft zu gewähren, da er und seine Frau viel unterwegs sein müssen, und was sagst du nun?«
»Daß Heinz anscheinend nicht weiß, was er will. Weiß er, daß du bei den Gylts aus und ein gehst?«
»Natürlich weiß er das und freut sich darüber. Aber weniger wird es ihn freuen, wenn ich ihm erzähle, daß du nun auch noch die Gylts zu belästigen gedenkst.«
»Jetzt habe ich aber genug von deinen Unverschämtheiten!« fauchte sie den freundlich grinsenden Jungen an.
»Es ist höchste Zeit, daß du ins Internat kommst, und dafür werde ich sorgen.«
»Aber dann kannst du mich doch nicht mehr im Schloß besuchen, und das tust du doch so gern. Soll ich dir den Magneten nennen?«
Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn eigentlich hätte in Grund und Boden schmettern müssen. Der Wagen brauste ab, was der Lenkerin schlecht bekam. Denn auf dieser ziemlich schmalen Zufahrtsstraße, die außerdem noch am Hang lag, durfte das Tempo nicht die Dreißig überschreiten, und das Auge des Gesetzes wachte. Höflich wurde der vor Wut fast platzenden Jella von dem Gendarm, dessen Motorrad das Auto fast gerammt hätte, ein Strafzettel überreicht, und ausgerechnet da mußte aus einem Feldweg Graf Björn treten, im kurzen Pelz, mit Jägerhut, den Hund an der Leine und die Flinte über der Schulter.
»Nanu, wen hat die Polizei denn da am Wickel?« fragte er lachend.
»Frau Kaunz«, gab der Gendarm Auskunft. »Leider ist sie viel zu schnell gefahren, und das geht doch hier nicht an.«
»Nein, das geht hier nicht an«, bekräftigte der Graf, der nun neben dem Wagen stand und auf das große Schild zeigte, auf dem deutlich zu lesen war, daß man auf dieser Zufahrtsstraße nicht mehr als dreißig fahren dürfe. »Wer nicht lesen kann, muß zahlen.«
Schmunzelnd verabschiedete sich der Gesetzeshüter, fuhr mit dem Motorrad ab, und die Frau, die bei der Altersgrenze die Dreißig ungestraft überschreiten durfte, zog ein Mäulchen, das diesem Alter nicht mehr gut anstand.
»O Folko, wie konntest du nur«, schmollte sie. »Anstatt mich in Schutz zu nehmen, wie ich das von galanten Männern gewöhnt bin, machst du läppische Bemerkungen. Überhaupt bin ich dir böse, weil du nie zu Hause bist, wenn ich dich besuche.«
»Ich dachte, du wolltest deinen Bruder besuchen…«
»Natürlich«, warf sie rasch ein. »Aber er ist ja auch nie da. Der treibt sich immer bei diesen Gylts herum.«
»Das dürfte wohl nicht die richtige Bezeichnung sein«, unterbrach er sie ruhig, aber mit einem drohenden Unterton. »Herumtreiben tut man sich an üblen Stätten, aber nicht in einem so vornehmen Haus, wie das Gyltsche es ist.«
»Lieber, das ist doch Wortklauberei«, gurrte sie mit schmelzendem Blick. »Komm, steig ein.«
»Mit Flinte und Hund?«
»Nur bis zum Schloß. Dort