Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe). Оскар Уайльд

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Weihnachtsgeschichten, Märchen  & Sagen (Über 100 Titel  in einem Buch - Illustrierte Ausgabe) - Оскар Уайльд

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sind jetzt wieder besser«, sagte Cratchits Frau. »Es ist nicht gut, bei Kerzenlicht zu arbeiten, und ich möchte den Vater, wenn er heimkommt, nicht sehen lassen, daß ich schwache Augen habe. Er muß bald da sein.«

      »Er müßte längst da sein«, erwiderte Peter, das Buch zuklappend. »Aber ich glaube, er geht jetzt ein wenig langsamer als sonst, Mutter.«

      Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer sicheren, heitern Stimme, die nur ein einziges Mal bebte: »Ich bin sicher, daß er mit – ich bin sicher, daß er mit Tiny Tim auf der Schulter wirklich sehr schnell ging.«

      »Und ich auch«, rief Peter. »Oft.«

      »Und ich auch«, riefen die andern. Sie wußten es alle ebenso.

      »Aber er war sehr leicht zu tragen«, fing sie wieder an, fest auf ihre Arbeit sehend, »und der Vater liebte ihn so, daß ihm es keine Mühe machte; keine Mühe. Aber da ist ja der Vater schon an der Tür.«

      Sie eilte auf ihn zu, und Bob mit dem Schal – er hatte ihn nötig, der arme Kerl – trat herein. Sein Tee war bereit, und sie drängten sich alle herbei, wer ihn am raschesten bedienen konnte. Dann kletterten die beiden kleinen Crachits auf seine Knie, und jedes Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wollten sie sagen: »Denk nicht so viel daran, Vater, gräme dich nicht!«

      Bob war sehr liebevoll mit ihnen und sprach sehr munter mit der ganzen Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tisch und lobte den Fleiß und den Eifer seiner Frau und Töchter. »Sie würden lange vor Sonntag fertig sein«, sagte er.

      »Sonntag! Du warst also heute dort, Robert!« fragte seine Gattin.

      »Ja, meine Liebe«, antwortete Bob. »Ich wollte, du hättest mitkommen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen, wie grün der Platz ist. Aber du wirst es oft sehen. Ich versprach ihm, Sonntags hinzugehen. Mein liebes, liebes Kind!« weinte Bob. »Mein liebes Kind!«

      Er brach auf einmal zusammen. Er konnte sich nicht helfen. Wenn er es gekonnt hätte, so wären er und sein Kind sich nicht so innig nahe gewesen.

      Er verließ das Zimmer und ging die Treppe hinauf in die obere Stube, die hell erleuchtet und weihnachtlich geschmückt war. Ein Stuhl stand dicht neben dem toten Kind, und man sah, daß kurz zuvor jemand dagewesen war. Der arme Bob setzte sich nieder, und als er ein wenig geträumt und sich wieder zusammengerafft hatte, küßte er das kleine Gesicht. Er war mit dem Schicksal ausgesöhnt und ging wieder hinunter, ganz glücklich.

      Sie setzten sich um den Kamin und unterhielten sich; die Mädchen und die Mutter arbeiteten weiter. Bob erzählte ihnen von der außerordentlichen Freundlichkeit von Scrooges Neffen, den er kaum einmal sonst gesehen habe. Er wäre ihm heute auf der Straße begegnet, und da dieser bemerkt, daß er ein wenig niedergeschlagen sei, habe er ihn nach der Ursache seines Kummers befragt. »Worauf«, sagte Bob, »denn er ist der liebenswürdigste junge Herr, den ich nur kenne, ich es ihm sagte. Ich bedauere Sie herzlich, Mr. Cratchit, erwiderte er, und auch Ihre gute Frau. Übrigens, wieso er das wissen kann, möchte ich wissen.«

      »Was kann er wissen, mein Lieber?«

      »Nun, daß du eine gute Frau bist«, versetzte Bob.

      »Jedermann weiß das«, sagte Peter.

      »Sehr gut bemerkt, mein Junge«, rief Bob. »Ich hoffe, daß es der Fall ist. Herzlich bedaure ich, sagte er, Ihre gute Frau. ›Wenn ich Ihnen auf irgendeine Art behilflich sein kann‹, sagte er, indem er mir seine Karte gab, ›hieraus ersehen Sie, wo ich wohne. Kommen Sie zu mir.‹ »Nun«, sagte Bob, »freute ich mich nicht deshalb so sehr, daß er etwas für uns tun könnte, als vielmehr, weil er so teilnehmend war. Es schien wirklich, als hätte er unsern Tiny Tim gekannt und fühlte mit uns.«

      »Ich bin sicher, er ist eine gute Seele«, sagte Mrs. Cratchit.

      »Du würdest das noch sicherer glauben, Liebe«, antwortete Bob, »wenn du ihn sähest und mit ihm sprächest. Es sollte mich gar nicht wundern, – merkt auf, was ich sage – wenn er Peter eine bessere Stelle verschaffte.«

      »Nun höre nur, Peter«, sagte Mrs. Cratchit.

      »Und dann«, rief eins der Mädchen, »wird Peter Kompanie mit einer Jemandin machen und sein eignes Nest bauen!«

      »Ach, sei still«, antwortete Peter schmunzelnd.

      »Freilich, das kann schon kommen«, sagte Bob, »aber bis dahin hat es noch gute Weile. Aber wenn wir uns auch irgendeinmal trennen müßten, so bin ich doch überzeugt, daß keiner von uns den armen Tiny Tim, oder diese erste Trennung, die uns widerfuhr, vergessen wird.«

      »Nein, niemals, Vater«, riefen sie alle.

      »Ich bin sehr glücklich«, sagte Bob, »sehr glücklich.«

      Mrs. Cratchit und seine Tochter küßten ihn, und die beiden Kleinen taten ein Gleiches. Peter und er aber gaben sich die Hand. Seele Tiny Tims, du warst ein Geschenk von Gott!

      »Geist«, sagte Scrooge, »ein unbestimmtes Etwas sagt mir, daß wir bald scheiden müssen. Ich weiß nicht woher, aber ich weiß es. Sage mir, wer es war, den wir auf dem Totenlager erblickten.«

      Der Geist der zukünftigen Weihnachten führte ihn wie früher – es schien ihm, daß in verschiedenen letzten Visionen überhaupt keine bestimmte Zeitfolge war – in den Versammlungen der Geschäftsmänner aber sah er sich nicht dabei. Der Geist verweilte nirgends, sondern schwebte immer weiter, wie nach der Stätte hin, wo Scrooge die begehrte Lösung des Rätsels finden würde, bis ihn dieser selbst bat, doch noch einen Augenblick zu verweilen.

      »Ja, dieser Hof«, sagte Scrooge, »durch den wir jetzt eilen, war einst mein Geschäft und war es viele Jahre. Ich sehe das Haus. Laß mich sehen, was aus mir in den kommenden Tagen sein wird.«

      Der Geist hielt an; aber seine Hand wies anderswohin.

      »Das Haus ist dort«, rief Scrooge. »Warum weisest du anderswohin?«

      Der unerbittliche Finger wies in keine andere Richtung.

      Scrooge eilte an das Fenster seines Kontors und blickte hinein. Es war noch ein Kontor, aber nicht mehr das seine. Die Möbel waren andere, und die Gestalt auf dem Stuhle war eine andere. Der Geist aber zeigte nach derselben Richtung wie früher.

      Scrooge trat wieder zu ihm und folgte ihm wieder nachdenkend, warum und wohin sie gingen, bis sie eine eiserne Gitterpforte erreichten. Er stand still, um sich vor dem Eintreten umzuschauen.

      Scrooge zu Füßen des dritten Geistes.

      Es war ein Kirchhof, – also hier ruhte der Unglückliche, dessen Namen er noch erfahren sollte, unter der Erde. Die Stätte war seiner würdig. Rings von hohen Häusern umgeben, überwachsen von Unkraut, das hier zum Tod aber nicht zum Leben gedeihend wucherte; vollgepfropft von zuviel Leichen; gesättigt von überreichem Genuß. Eine würdige Stätte!

      Der Geist stand zwischen den Gräbern still und wies auf eines hernieder. Scrooge nahte sich ihm zitternd. Der Geist war noch ganz so wie ehedem, aber er ahnte erschauernd eine neue Bedeutung in der düstern Gestalt.

      »Ehe ich zu dem Stein trete, den du mir weisest«, sagte Scrooge, »beantworte mir eine Frage. Sind dies … die Schatten der Dinge, die sein werden, oder nur von Dingen, die sein können?«

      Beharrlich

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