Perry Rhodan Neo 85: Das Licht von Terrania. Oliver Plaschka

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Perry Rhodan Neo 85: Das Licht von Terrania - Oliver Plaschka Perry Rhodan Neo

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und seiner Puppen warnte: »Ich war wie eine Zuschauerin im Gefängnis meines eigenen Körpers.« Heute wusste Rhodan nur zu gut, was sie meinte. Die Last auf seiner Brust wurde immer schwerer, presste ihn zusammen wie ein Schraubstock.

      Um die Qual zu vergessen, dachte er weiter an Thora.

      Er sah sie, lächelnd im Türrahmen eines alten irischen Cottage. Owey Island, eine Landschaft, wie sie urtümlicher kaum sein konnte, zerklüftet und wettergegerbt im Schoß des Atlantiks. Strohgedeckte Fischerhütten, von den Elementen gemeißelt. Und inmitten dieser rauen Wildnis: Thora, nicht von dieser Welt, rote, stolze Augen unter einem Schleier weißen Haars, in dem der irische Wind spielte, wie zuvor der Wind Arkons und der hundert anderer Welten.

      »Willkommen.« Sie lächelte ihm entgegen, und er trat auf sie zu.

      Doch er war nur wenige Schritte weit gegangen, als er ins Taumeln geriet. Der letzte Sauerstoff war aus seinen Lungen gewichen. Das Brennen in der Brust wurde unerträglich. Er wollte die Hände nach Thora ausstrecken, um Hilfe rufen: »Ich kriege keine Luft mehr!« Ihre Augen weiteten sich vor Schreck.

      Rhodan stolperte. Fasste sich an den Hals, rang nach Atem. Sterne tanzten vor seinen Augen, und die Welt wurde so hell, als wollte sie explodieren. Doch dann, von einem Moment auf den anderen, war es plötzlich vorbei – das Brennen erlosch, das Gleißen ließ nach, und das Gefühl der Enge wich dem von Geborgenheit. Rhodan bekam wieder Luft – und doch hatte er nicht das Gefühl, dass er atmete ...

      Irgendetwas war anders.

      Er schaute sich um. Erst dachte er, er sähe sich wieder der außerirdischen Pflanzung am Rand des Goshun-Sees gegenüber, doch dieser Wald war viel größer. Mächtig und majestätisch, in schillernden Farben aus Grün, Blau und Violett. Urwaldriesen, manche über hundert Meter hoch, mit Lianen wie die Takelage alter Galeonen. Eine warme Sonne, flankiert von zwei bleichen Monden, strahlte vom Himmel. Und vor ihm, wo eben noch Thora gestanden hatte, blickte ihn ein fremdartiges Wesen vom Fuß des Hügels aus an, braun bepelzt und langschwänzig, die Augen kugelrund und dunkel wie die eines Koboldmakis. Eine Istrahir.

      »Willkommen«, sagte sie, ein Echo Thoras.

      »Wo bin ich hier?«, fragte Rhodan.

      »In Sicherheit. Hab keine Angst. Ich bin Otia.«

      In diesem Moment zerriss ein furchtbarer Schmerz Rhodans Seite.

      3.

      Leyle

      Als die Ara Leyle in den frühen Morgenstunden des 22. Dezembers nach Nergüi sah, war ihr klar, dass dies der letzte Tag des alten Mannes werden würde. Seine Haut, die ohnehin an altes Pergament erinnerte, war noch durchscheinender geworden, seine gelblichen Augäpfel verschwanden fast in dem faltigen Gesicht. Dennoch wirkte er nicht ängstlich, und war, wie sie sich überzeugte, auch schmerzfrei. Er lächelte sein typisch ruhiges Lächeln, das Leyle von der ersten Minute an fasziniert hatte, denn Nergüi hatte nach ihrem Dafürhalten nur sehr wenig Grund zu lächeln.

      »Guten Morgen!«, sagte sie. »Wie fühlen Sie sich?«

      »Gut«, sagte der alte Mann, dieselbe Antwort wie jeden Morgen. »Ich fühle mich gut. Und wie geht es Ihnen?«

      Sie erwiderte sein Lächeln. Nergüi glaubte ihr nicht, dass sie genug aß und ihre hagere Erscheinung kein Zeichen von Krankheit war. Sie kontrollierte seine Monitoren und die Logs der vergangenen Nacht.

      »Offen gesagt frage ich mich, ob Sie mich nicht wieder anschwindeln.« Auch das gehörte zu ihrem Spiel – vor ihrer Zeit auf Larsaf III waren ihr die feinen Abstufungen von Wahrheit, wie die Menschen sie kannten, noch fremd gewesen.

      »Keineswegs«, verwahrte sich Nergüi.

      »Sie fühlen sich wirklich gut?«

      »Mehr als gut.«

      »Dann will ich Ihnen glauben. Es freut mich, dass es Ihnen besser geht.«

      »Wundert Sie das denn? Ehe das Licht erlischt, flammt es noch einmal auf ...«

      Eines seiner ungezählten Sprichwörter, die der Translator getreu für sie übersetzte. Nergüi beherrschte nur Mongolisch und eine Handvoll englischer Begriffe, doch in seiner Denkweise war er ihr weit weniger fern, als die Ara erwartet hätte. Die meisten mongolischen Sprichwörter schienen sich um Pferde und Schwiegereltern zu drehen, und zumindest bei Letzteren hatte Leyle festgestellt, dass sie lediglich gedanklich »Geshur« dafür einsetzen musste, um ihren Sinn zu erfassen. Bei den Pferden war sie sich noch nicht ganz sicher.

      »Vielleicht hätte es etwas länger gebrannt, wenn Sie dem Feuer nicht so viel Nahrung gegeben hätten«, gab sie zu bedenken und begann mit ihrer Untersuchung. Natürlich war es für solche Ratschläge bereits zu spät gewesen, ehe Nergüi vor zwei Wochen komatös, unterkühlt und mit einer ernsten Alkoholvergiftung ins Terrania Central, der von Menschen gegründeten und betriebenen Klinik im Fuß des Stardust Towers, eingeliefert worden war. Doch sie hatte den Eindruck, dass er ein Mindestmaß ärztlicher Rüge von ihr erwartete.

      »Wenn du trinkst, stirbst du«, murmelte Nergüi und wandte den Blick zur Decke. »Wenn du nicht trinkst, stirbst du auch.«

      Nergüi war einer der wenigen Menschen, die während der Kämpfe um die Stadt Anfang September nicht geflohen waren. Beinahe hatte Leyle den Eindruck, dass sich für ihn durch den Umsturz nicht einmal viel geändert hatte. Leute wie er waren der Beweis, dass selbst an diesem Ort, wo nach den Worten Perry Rhodans der Grundstein einer goldenen Zukunft gelegt worden war, längst nicht alles Gold war, was glänzte. Danach befragt, ob er Rhodan je persönlich getroffen habe, hatte Nergüi nur höflich gelacht, und Leyle war sich nicht sicher gewesen, ob er überhaupt wusste, von wem sie sprach.

      Dabei musste der alte Mongole zu der ersten Welle von Siedlern gehört haben, die nach der Gründung Terranias vor anderthalb Jahren in die junge Stadt gespült worden war. Was er vorher getrieben hatte, war nicht aus ihm herauszukriegen – selbst sein Name bedeutete lediglich so viel wie »kein Name«, was ihren Translator anfangs in eine gehörige Krise gestürzt hatte. Nergüi aber hatte ihr versichert, dass es sich in seiner Kultur um einen sehr geläufigen Namen handelte, der einem alten Brauch zufolge das Interesse böser Geister von seinem Träger (oder Nicht-Träger) ablenken sollte. Leyle hatte den Kopf geschüttelt, sich aber eingestanden, dass es zu einem Mann von der Bescheidenheit Nergüis passte, nicht einmal einen richtigen Namen zu besitzen. Wie auch immer – aus Sicht eines Mannes, der nichts besaß und nie viel besessen hatte, musste die Siedlung an den Ufern des Salzsees, die mit ihrer arkonidischen Technik vom Nahrungskonzentrat bis zum Hochhaus Güter aus dem Nichts erschuf, ein Leben im Überfluss verheißen haben.

      Derzeit holten er und seine Leidensgefährten sich aus den Trümmern, was sie zum Überleben brauchten. Manche schufteten erbärmlich, um ihre bescheidenen Behausungen wieder aufzubauen, andere kapitulierten oder suchten ihr Heil in der Wüste. Das Protektorat kümmerte sich nicht weiter um sie; da die Stadt als solche nicht mehr existierte und man nur mit Sondergenehmigung in das Sperrgebiet reisen durfte, gab es offiziell bis auf Weiteres auch keine Bürger Terranias. Solange sie sich friedlich verhielten, ging man zwar nicht gegen die Menschen vor, man half ihnen aber auch nicht aus ihrer verzweifelten Lage.

      Leyle und die wenigen Beschäftigten des Krankenhauses, die weiter ihren Dienst versahen, bildeten die Ausnahme. Zwar durfte sie nicht ihre Forschung vernachlässigen, und mit dem Mehr an Vertrauen, das der Fürsorger ihr neuerdings schenkte, war auch ein Plus an teils unkonventionellen Pflichten einhergegangen.

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