Lichtenstein. Wilhelm Hauff

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Lichtenstein - Wilhelm  Hauff

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ich's doch", antwortete dieser, "daß das Blättchen keinen bösen Zauberspruch enthalten müsse; denn das Fräulein lächelte so gar freundlich, als sie es mir in die rauhe Hand drückte. Es war vergangenen Mittwoch, als ich nach Blaubeuren kam, wo unser Kriegsvolk stand. Es ist dort in der Klosterkirche ein prächtiger Hochaltar, worauf die Geschichte meines Patrons, des Täufers Johannes, vorgestellt ist. Vor sieben Jahren, als ich in großer Not und einem schmählichen Ende nahe war, gelobte ich alle Jahre um diese Zeit eine Wallfahrt dahin. So hielt ich es alle Jahre seit der Zeit, da mich der Heilige durch ein Wunder von Henkers Hand errettet hat. Wenn ich nun mein Gebet verrichtet hatte, ging ich allemal zum Herrn Abt, um ihm ein Paar schöne Gänse oder ein Lamm zu bringen, oder was er sonst gerade gerne hat.—Aber ich langweile Euch mit meinem Geschwätz, Junker?"

      "Nein, nein, erzähle nur weiter", antwortete Georg, "komm, setze Dich zu mir auf jene Bank."

      "Das würde sich schön schicken!" entgegnete der Bote, "wenn ein Bauer an des Junkers Seite sitzen wollte, den der Oberfeldhauptmann vor aller Augen so oft gegrüßt hat; erlaubt mir, daß ich mich vor Euch hinstelle."

      Georg ließ sich auf einen Steinsitz am Weg nieder, der Bauer aber fuhr, auf seine Axt gestützt, in seiner Erzählung fort: "Ich hatte diesmal bei den unruhigen Zeiten wenig Lust zur Wallfahrt, aber 'gebrochener Eid tut Gott leid', heißt es, und so mußte ich mein Gelübde vollbringen. Wie ich vom Gebet aufstand, um dem Abt zu bringen, was recht ist, sagte mir einer der Pfaffen, daß ich diesmal nicht zu Seiner Ehrwürden könne, weil viele Herren und Ritter dort zu Besuch seien. Ich bestand aber doch darauf, denn der Abt ist ein leutseliger Herr und hätte mir's nicht verziehen, wenn ich ihn nicht heimgesucht hätte. Wenn Ihr je ins Kloster hinauskommt, so vergeßt nicht nach der Treppe zu schauen, die vom Hochaltar zum Dorment führt. Sie geht durch die dicke Mauer, welche die Kirche ans Kloster schließt, und ist lang und schmal. Dort war es, wo mir das Fräulein begegnet ist. Es kommt mir nämlich ein feines Weibsbild im Schleier mit Brevier und Rosenkranz die Treppe herab entgegen, ich drücke mich an die Wand, um sie vorbeizulassen, sie aber bleibt stehen und spricht: 'Ei, Hans, woher des Wegs?'"

      "Woher kennt Euch denn das Fräulein?" unterbrach ihn Georg, "Meine

       Schwester ist ihre Amme, und—"

      "Wie, die alte Rose ist Eure Schwester?" rief der junge Mann "Habt Ihr sie auch gekannt?" fragte der Bote. "Ei, seh doch einer! Aber daß ich weiter sage: Ich hatte meine große Freude, sie wiederzusehen, denn ich besuchte meine Schwester häufig in Lichtenstein und habe das Fräulein gekannt, als man sie noch in ihres Vaters Schwertkuppel gehen lehrte. Aber ich hätte sie kaum wieder erkannt, so groß war sie geworden, und die roten Wangen sind auch weg wie der Schnee am ersten Mai. Ich weiß nicht, wie es ging, aber mich dauerte ihr Anblick in der Seele, und ich mußte fragen, was ihr fehle und ob ich ihr nicht etwas helfen könne? Sie besann sich dann eine Weile und sagte dann: 'Ja, wenn Du verschwiegen wärest, Hans, könntest Du mir wohl einen großen Dienst leisten!' Ich sagte zu, und sie bestellte mich nach der Vesper."

      "Aber wie kommt sie nur in das Kloster?" fragte Georg, "Sonst darf ja doch kein Weiberschuh über die Schwelle."

      "Der Abt ist mit ihrem Vater befreundet, und da so viel Volk in Blaubeuren liegt, so ist sie dort besser aufgehoben, als im Städtchen, wo es toll genug zugeht. Nach der Vesper, als alles still war, kam sie ganz leise in den Kreuzgang. Ich sprach ihr Mut zu, wie es eben unsereins versteht, da gab sie mir dies Blättchen und bat mich, Euch aufzusuchen."

      "Ich danke Dir herzlich, guter Hans", sagte der Jüngling. "Aber hat sie Dir sonst nichts an mich aufgetragen?"

      "Ja", antwortete der Bote, "mündlich hat sie mir noch etwas aufgetragen; Ihr sollt Euch hüten, man habe etwas mit Euch vor."

      "Mit mir?" rief Georg. "Das hast Du nicht recht gehört, wer und was soll man mit mir vorhaben?"

      "Da fragt Ihr mich zu viel", entgegnete jener, "aber wenn ich es sagen darf, so glaube ich, die Bündischen. Das Fräulein setzte noch hinzu, ihr Vater habe davon gesprochen, und hat nicht der Frondsberg Euch heute zugewinkt und Euch geehrt wie des Kaisers Sohn, daß sich jedermann darob verwunderte? Glaubt nur, es hat allemal etwas zu bedeuten, wenn solch ein Herr so freundlich ist."

      Georg war überrascht von der richtigen Bemerkung des schlichten Bauern, er entsann sich auch, daß Mariens Vater tief in die Geheimnisse der Bundesobersten eingedrungen sei und vielleicht etwas erfahren habe, was sich zunächst auf ihn beziehe. Aber er mochte sinnen, wie er wollte, so konnte er doch nichts finden, was zu dieser geheimnisvollen Warnung Mariens gepaßt hätte. Mit Mühe riß er sich aus diesem Gewebe von Vermutungen, indem er den Boten fragte, wie er ihn so schnell gefunden habe?

      "Dies wäre ohne Frondsberg so bald nicht geschehen", antwortete er, "ich sollte Euch bei Herrn Dietrich von Kraft aufsuchen. Wie ich aber die Straße hereinging, da sah man viel Volk auf den Wiesen. Ich dachte, eine halbe Stunde mache nichts aus, und stellte mich auch hin, um das Fußvolk zu betrachten. Wahrlich, der Frondsberg hat es weit gebracht.—Nun, da war mir's, als hörte ich nahe bei mir Euren Namen nennen, ich sah mich um, es waren drei alte Männer, die sprachen von Euch und deuteten auf Euch hin; ich aber merkte mir Eure Gestalt und folgte Euren Schritten, und weil ich meiner Sache doch nicht ganz gewiß war, so gab ich Euch das Rätsel von Sturm und Licht auf."

      "Das hast Du klug gemacht", sagte Georg lächelnd, "aber komm in mein

       Haus, daß man Dir etwas zu essen reiche; wann kehrst Du wieder heim?"

      Hans bedachte sich eine Weile, endlich aber sagte er, indem ein schlaues Lächeln um seinen Mund zog: "Nichts für ungut, Junker; aber ich habe dem Fräulein versprechen müssen, nicht eher von Euch zu weichen, als bis Ihr dem bündischen Heer Valet gesagt habt."

      "Und dann?" fragte Georg.

      "Und dann gehe ich stracks nach Lichtenstein und bringe ihr die gute

       Nachricht von Euch; wie wird sie sich sehnen! Alle Tage steht sie

       wohl im Gärtchen auf dem Felsen und sieht ins Tal hinab, ob der alte

       Hans noch nicht komme!"

      "Die Freude soll ihr bald werden", antwortete Georg, "vielleicht schon morgen, und dann schreibe ich vorher noch ein Briefchen."

      "Aber greift es doch klug an", sagte der Bote, "das Pergament darf nicht breiter sein, als jenes, das ich brachte. Denn ich muß es wieder im Kniegürtel verstecken. Man weiß nicht, was einem in so unruhiger Zeit begegnen kann, und dort sucht es niemand."

      "Es sei so", antwortete Georg, indem er aufstand. "Für jetzt lebe wohl, um Mittag komme zu Herrn von Kraft, nicht weit vom Münster. Gib Dich für meinen Landsmann aus Franken aus, denn die Ulmer sind den Württembergern nicht ganz grün."

      "Sorgt nicht, Ihr sollt zufrieden sein", rief Hans dem Scheidenden zu. Er sah dem schlanken Jüngling nach und gestand sich, daß das holde Pflegekind seiner Schwester keine üble Wahl getroffen habe, wenn auch die rosigen Wangen des Kindes bei der ersten Liebe der Jungfrau etwas von ihren blühenden Farben verloren hatten.

      Kapitel 9

      Georg war anfangs bange, wie sich sein neuer Bekannter in dem Kraftschen Haus benehmen werde. Er fürchtete nicht ohne Grund, jener möchte sich durch seine Mundart, durch unbedachte Äußerungen verraten, was ihm höchst unangenehm gewesen wäre; denn je fester er bei sich beschlossen hatte, das Bundesheer in den nächsten Tagen zu verlassen, um so weniger wollte er in den Verdacht geraten, in Verbindung mit Württemberg zu stehen. Konnte und durfte er ja doch im schlimmsten Fall, wenn der Bote entdeckt wurde, wenn er bekannte, an ihn geschickt worden zu sein, die Geliebte nicht verraten. Er wollte umkehren und den Mann

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