Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes. Peter Rosegger

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Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes - Peter  Rosegger

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steht seit Wochen in großen Kellerkübeln aufbewahrt. Darüber sind ein paar Bretter gelegt, damit kein größeres Getier hineinfallen kann. Im Winter bei dürrem Futter, sollst du wissen, hat nicht jede Kuh Lust, das weiße Brünnlein quellen zu lassen. Also die vom Keller, die „säuerlt“ dann manchmal, oder sie „rauchelt“, und ist der einhändige Koch immer noch froh, wenn in der Suppe keine schlimmeren Eigenschaften auffallen. — Pfui, Kostbespöttler hinter dem Rücken! Und sagst beim Löffelabwischen doch allemal „Vergelt’s Gott!“

      Nach dem Frühstück gehe ich zu meinen Ochsen, die Barbel zu ihren Kühen, der Rocherl zu den Schafen. Das Vieh wird in zwei oder, Sonntags, in drei Gängen sorgfältig gefüttert, dann zum Brunnen geführt, der zwischen Haus und Stallung auf dem freien Platze steht und von dem Hausvater vorher mit einer Hacke eisfrei gemacht werden muß. Die Hausmutter trachtet, den Schulknaben flügge zu machen. Und dann fängt wieder das Dreschen an bis zum Mittagsmahl um eilf Uhr. Menu: Brotsuppe aus obiger Milch, gespecktes Kohlkraut, Roggenklöße mit Rauchfleisch. Nahrungsmittel durchaus echt, aber die Kochkunst, die — ja so, das ist so häßlich. Da will ich lieber etwas Schönes sagen, wie bescheidentlich langsam die Leute in die gemeinsame Schüssel fahren und keiner den anderen zu übervorteilen sucht. Dieses taktvolle Essen habe ich bei den Bauern überall gefunden und könnten sich die Table d’hôte-Gäste der feinen Hotels ein Beispiel nehmen.

      Nachmittags wieder Hafergarben dreschen. Müssen damit noch vor der Fastenzeit fertig werden, sagt der Adam. Als ob’s eine Tanzunterhaltung wäre. Unterricht: das Stroh kommt in die Scheune, das Gekörne in die Siebe, in die Windmühle, in die Mehlmühle, in den Ofen — ein Stück Haferbrot gefällig? Haferbrot ist gut, sagt mein Hausvater, aber Schweinfleisch ist besser — und füttert mit dem Hafermehl die Säue. Oder verkauft den Hafer im Sack, oder bewahrt ihn als Gesäme fürs nächste Jahrhundert. — Halt still, es ist das Tagewerk noch nicht aus. Um die Dämmerung geht die Barbel zu ihren Kühen und wer am Thore lauscht, der hört doch das Brünnlein in den Zuber sprühen. Am Abend Versammlung um das Herdfeuer, jedes mit kleinen Arbeiten beschäftigt. Ich bin auch bereits wer! Wenn dem Stuhl ein Fuß fehlt, oder der Leiter ein Sprossel, oder wenn das Hausmesser schartig ist, die Hacke stumpf, der Ochsenjochriemen zerrissen, die Thürklinke schadhaft — da greife ich an. Sind die anderen beschäftigt und ich weiß nichts zu thun, als die Finger in den Händen halten und ihnen vor dem Wege stehen — das ist zum Todschämen! Nirgends noch habe ich mich eigentlich geschämt auf meiner irdischen Pilgerschaft, nicht wenn der Feldwebel mich mit den schwunghaftesten Kasernenblüten besang, nicht, wenn der Chefredakteur plötzlich sagte: „Erlauben Sie, Herr Trautendorffer, da in Ihrer Arbeit finde ich eine Laus!“ und mir einen unzweideutigen Gramatikfehler vorhielt. Ich war entzückend verstockt. Hier schäme ich mich, — womit das Tagewerk geschlossen wird. Darauf kommt das Nachtmahl: Kartoffeln, Rüben oder Mehlbrei. Dann kommt das Gebet, und um acht Uhr, wenn die Stadtleute anfangen, elektrisch zu werden, kriechen wir ins Bett. — Das ist der Werktag. Am Sonntage nach der Fütterung ist Kirchgang. Ich streiche im Freien umher oder schreibe meinem Alfred.

      Die Unschlittfunze (in Hoisendorf das Pfund zu 21 Kreuzern) ist noch nicht niedergebrannt, so will ich dir eins schreiben von unserem Nachbar Schlappzopf. Denn du mußt auch andere Gattungen kennen lernen. Dem Schlappzopf trug ich vor einigen Tagen, als wir Metzgerei hatten, die Schweinshaut hinüber, er kann gerben. Ich fand ihn in Unterhandlung mit einem Viehhändler aus dem vorderen Gai.

      „Schlappzopf,“ sagt dieser, „wie ich höre, habt Ihr eine feile Kuh.“

      Der Bauer hat mit seiner Tabakspfeife zu thun und überhört die Frage.

      „Eine Kuh, Schlappzopf, nicht?“

      „Eine Kuh. Weiß nit, ja.“

      „Ist es eine junge? Wohl eine Melkkuh, wie?“

      „Ich weiß es völlig nit. Kann eh sein,“ sagt er und schraubt das Rohr in die Pfeife.

      „Wollt Ihr mir sie zeigen?“

      „Anschau’n kunnten wir sie ja. ’s Anschau’n kostet nichts.“ Dann führt er den Viehhändler durch den dunstigen Stall, wo sie über mehrere Mistwälle stolpern.

      „Die welche wäre es also?“

      „—’s selb müßt’ ich mir selber erst ausraiten. Die Milchkuh werd’ ich halt doch nit recht dürfen hergeben. Thät’ meinem Weib leicht nit passen.“

      „Also die Trächtige.“

      Der Bauer stochert in der Pfeife herum, stochert ein Häufchen Asche auf die hohle Hand heraus und streut es dann bedächtig zu Boden.

      „Ich nehme übrigens auch die mit dem Kalb. Wie?“ so der Händler.

      Jetzt löst der Bauer das Rohr los von der Pfeife, setzt sie sachte an die Lippen und bläst hinein.

      „Die mit dem Kalb?“ frägt er dann. „Ah na, die werd’ ich doch schier nit dürfen hergeben.“

      „So bleibt nur noch die Mastkuh.“

      „’s ist halt just so a Sachen. Weil sie nit ganz feist ist, noch. Verkaufen, freilich, verkaufen werd’ ich sie eh einmal müssen.“

      „Was kostet sie?“

      Der Bauer steckt die Pfeife wieder zusammen, thut sie an den Mund, pfaucht ein paarmal durch. Der Zug wäre soweit hergestellt.

      „Wie viele Banknoten soll ich Euch auf die Hand legen fürs Vieh?“

      „Mein Nachbar, der Kulmbock, hat vorig Wochen eine um hundertfünfzig verkauft.“

      „Die war sicher zweimal so schwer, als wie Eure da!“

      „Ein wengel kann’s sein, daß sie schwerer gewesen ist. Viel nit, viel.“

      „Einen kugelrunden Hunderter, wenn Ihr wollt.“

      Der Bauer hebt nun mit der Tabaksblase an. Langsam hat er sie vom Rücken, wo sie im Gürtel stak, hervorgezogen, hat sie zu halb umgestülpt und schiebt nun mit zwei Fingern Tabak in die Pfeife.

      „Hört Ihr, Schlappzopf, hundert Gulden für das Tier. Es sollte noch etliche Wochen in der Mast stehen, aber weil ich just gut aufgelegt bin, nehm’ ich sie heut’ mit.“

      Die Pfeife ist gestopft, nun hat der Bauer Zeit zu sagen: „’s selb wird’s doch nit thun.“

      „Überlegt nicht lange, Bauer. Das Glück klopft nur einmal an, dann geht’s vorbei. Wenn ich hundertundfünf sag’, so bin ich leichtsinnig. Aber damit wir doch wieder einmal was handeln miteinander.“

      Der Bauer wendet sein Auge nicht von der Pfeife und schüttelt fast unmerklich den Kopf. „Ich denk’, ich werd’ sie doch derweil noch behalten.“

      „Also, wieviel wollt Ihr?“

      Nun kommt Schwamm und Feuerstein dran. Es giebt ein paar Funken, aber das Ding will nicht glosen. Endlich macht er den Mund auf, aber nicht um den Preis auszusprechen, sondern um den Zunder anzublasen.

      „Hundertfünf, und einen Leikauf fürs Weib. Aber geschwind ja sagen, Bauer, es könnt’ mich gereuen.“ Der Händler tastet an der Kuh herum, ob die Haut locker ist, ob das Fleisch federt. „Ein zähes Luder. Redet schon ab. Aber halten thu’ ich’s noch, mein Wort. Also...!“

      Der Bauer raucht an. Und wie das Zeug in gutem Zug ist, sagt er, das erste Mal recht

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