Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes. Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes - Peter Rosegger страница 8
„Laß es gut sein, Mutter,“ wies der Mann zurecht. „Mir ist es lieber, wie es ist. Es kunnt ganz anders sein. Im Kotter kunnt er sitzen, anstatt da drinnen liegen. Er hätt’ sich abscheulich vergessen können. Wenn einer so vor dem Jäger steht. Auf ja und nein kann ihn Gott verlassen!“
„Was hätt’s denn gemacht?“ rief das Weib erregt und mit den krummgebogenen Armen zitternd, „wenn sie den einen Buben beim Militari zum Leutderschießen einlernen, so wird der andere sich wohl auch um sein Leben wehren dürfen!“
„Mutter,“ beschwichtigte er, „mußt nit wieder sper werden. Wenn sie eh so bös brennt, die Wunden, wenn sie eh so bös brennt! Mußt nit auch noch alleweil Scheidewasser draufgießen. Ein Lackerl Milch, wenn du ihm kochen wolltest. Dem da. Fürs Mehltragen, daß er so gut ist gewesen. Und ich muß jetzt zum Vieh.“
„Ihr habt wohl eine große Wirtschaft?“ So meine Frage.
„Zum Prahlen wär’ sie zu klein und zum Dermachen ist sie zu groß.“
„Dann solltet Ihr doch einen Knecht nehmen.“
„Nehmen!“ kreischte sie lachend auf. „Das ist leicht gesagt.“
„Es ist halt keiner zu kriegen,“ setzte er bei.
Sagte darauf ich: „Manchmal gäbe es ihrer vielleicht doch.“
„Und keiner zu bezahlen!“ so er.
„Und keiner zu köstigen und zu gewanden!“ so sie.
„Thun ja hell brandschatzen, die Dienstboten, heutzutag,“ so er.
Und sie: „Zu schlecht ist ihnen schon alles. Haben im vorigen Sommer zum Heuen so eine Gnad’ gehabt, eine zweifüßige. Eh von der Nachbarschaft einer. Ein ausgedienter Soldat. Beim Militari, von Obristen abschanden lassen wie ein Mistbub, aber daheim vom Hausvater kein ungeschaffen Wörtel annehmen. Solche Dienstleut! Da arbeit’ ich lieber Tag und Nacht selber. Ist ja wahr auch! In der Kasern, ja, da lassen sie sich das Hungerleiden schön gefallen, aber nachher auf der Bäuerei stoßen sie die Erdäpfelschüssel mit der Faust über den Tisch hin: Das wär’ ein Fressen für die Säue! Mein Lebtag hat mir noch keiner mein Essen verschmäht, als wie der. Aber dem kommt’s heim. Dem kommt’s noch heim. Denkt’s, daß ich’s gesagt hab!“
„Thu dich nit anzünden, Mutter,“ beschwichtigte wieder der Bauer. „Ist eh arm dran, so ein Mensch, wenn sein schwacher Magen nit einmal mehr ein Erdäpfelsterzel verkochen kann. Nit einmal ein Erdäpfelsterzel!“
Jetzt habe ich mir einen Anrand genommen. „Bauersleute,“ sage ich, „wenn euch mit mir geholfen wäre. Ich habe schon allerhand probiert auf der Welt, Hartes mehr wie Leichtes, so wird mich das Bauerndienen auch nicht umbringen. Wenn ich auch kein Geborner bin. Was man nicht kann, das lernt man und was einem etwa nicht taugt, das gewöhnt man. Um Kost und Schlafstatt werde ich nicht greinen, und Jahrlohn, was ihr leicht mögt. Nicht etwa, daß mir just ums Winterdach zu thun wäre, will auch im Sommer bei euch bleiben und wegen keiner schweren Arbeit verzagen. In allem Ernst, Leutlein, wenn’s euch recht ist, so bleib’ ich da.“
So, mein Freund, habe ich mich hinwerfen müssen, ist das nicht tapfer gewesen? Und habe dabei gar nicht einmal auf mein Ehrenwort gedacht, als vielmehr, daß mich die armen Hascher erbarmen. — Bin doch ein schrecklich edler Mensch! Wie also das gesprochen war, sind sie vor mir alle zwei dagesessen, haben sich angeschaut und nichts als angeschaut. Er hält über den Magen die Hände gefaltet und endlich ist er doch so weit, zu sagen: „Da weiß der Mensch gar nit, wie ihm geschieht.“
Sie hingegen hat ein schlagenderes Wort. „Richtig wahr,“ sagt sie, „mehr kunnt ein Spitzbub auch nit versprechen.“
Aber er: „Ungeschickt, ungeschickt, Mutter! Wenn’s ein schlechter Mensch thät’ sein, wär’ er mir mit dem Mehlsack davon, unten auf der Brandlahn. Weißt, wie sie voriges Jahr dem Gleimer-Stindl die Kasbutten weggenommen haben. Unser Herrgott ist hoch oben und der Schandarm weit weg.“
Ein förmliches Gericht war’s, das ich über mich habe ergehen lassen müssen. Nachdem sich das Paar noch um mancherlei erkundigt hatte, nicht zuletzt nach meiner Religion, kam es endlich dahin überein, dieser weltfremde Mensch müsse rein von der heiligen Nothburga geschickt worden sein, zu der sie, wie ich nun weiß, jeden Abend beten um Beistand.
„Machen wir’s halt so,“ sagte der Adamshauser endlich, „wenn’s schon dein freier Willen ist — jetzt sag’ ich halt gleich: du. Aber fürs ganze Jahr festbinden, das nit. Heut taugt’s dir in der warmen Stuben, morgen kunnt schön Wetter sein und deine Füß’ hübsch ausgerastet. Und bleiben wir beisammen, so hat man halt sonst vierzig Gulden Jahrlohn gegeben und das Gewand. Ist freilich nit viel. Bleibst halt so lang du magst.“ —
So, alter Freund, jetzt hast du sie gesehen und gehört, meine neuen Hausherrenleute.
Willst du auch den Hof sehen? Auf der Höhe eines Bergausläufers liegt er gar behäbig da mit seinen braunen Holzwänden und den weit vorspringenden Bretterdächern. Vor dem Hause senkt sich die Feld- und Wiesenlehne bis ins Engthal hinab zum Bache. Neben dem Hause kahle Laubbäume, die im Sommer wahrscheinlich grünen werden. Hinter demselben, gegen die Almen hinan, kümmerlicher Nadelwald. Seitlings hin ein mit Buschwerk bewachsener Rain, bis zur Schlucht, wo unter einer Altfichte ein zweites Haus ist, das zum Hof gehörige Ausgedingegütel; jetzt steht es leer. — Die Hausthüren sind so eingerichtet, daß jeder Eintretende sich tief verneigen muß vor den Inwohnern, sonst stößt er sich den Schädel entzwei. Aber auch den Ausblick in die weite Welt gestatten die niedrigen, mit gekreuzten Eisenspangen vergitterten Fensterchen nur in Stellung der Demut. Auf dem Drambaum in der Stube des Adamshauses steht die Jahreszahl 1650. Das ist gar nicht lumpig! Die große Stube ist Küche, Eßzimmer und Wohnraum für alle, auch für die Hühner, deren Käfig unterhalb des Herdes in der Mauernische sich befindet. Außerdem hat das Haus noch etliche Kammern für Schlafstellen und Vorräte. An der Außenwand ein paar Bienenstöcke, die leer sind. Die Ställe und Scheunen sind weitläufig und deuten auf eine große Wirtschaft in früherer Zeit. — So, nun kennst du auch meine jetzige Heimstätte.
Mir ist eine Kammer neben dem Ochsenstall angewiesen worden, „dem Valentl seine“. Kommt er auf Urlaub heim, so heißt’s umsiedeln. Das Innere der Apartements will ich dir später einmal beschreiben, jetzt heißt’s Berufsinteressen voran. Der Hausvater hat mir schon am zweiten Tage all’ seine Schätze gezeigt: Heu, Stroh, Getreide, Hafer, Flachs, Hanf und mit besonderem Stolz den großen Dunghaufen im Hofe. Mühe wird’s schon kosten. Augenblicklich ist mir der Unterschied zwischen Roggen und Gerste, zwischen Flachs und Hanf nicht klar. Beim Vieh wird’s einigermaßen leichter gehen, obschon mir heute noch unbegreiflich ist, wie man zwei schwarze Lämmer oder zwei scheckige Kalben von gleicher Größe soll unterscheiden können. Meine Hausgenossen haben das auf den ersten Blick los und es scheint, daß die Tiere für ein geübtes Auge ganz die individuelle Physiognomie haben, als die Menschen. Ein Hirte soll aus hunderten von Schafen jedes für sich erkennen.
Meine erste Obliegenheit wurde das Abfüttern der Ochsen, Kalben und Schafe. Das ist aber nicht etwa, als ob man ihnen Heu oder Gehacktes nur gleich so hinwerfen dürfte, wie in einer schlampigen Menagerie. Die Haustiere haben ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Pflichten und Rechte und sind nicht gesonnen, sich wie wilde Tiere behandeln zu lassen. Da giebt’s des Tages bestimmte Mahlzeiten und eine genaue Zubereitung von Heu, Rüben, getrocknetem Laub mit Aufguß, Heublumenmehl, Salz u. s. w., was für den Neuling um so schwerer zu treffen ist, als weder geschriebene Rezepte noch Kochbücher dafür vorhanden sind.
Und