Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes. Peter Rosegger

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Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes - Peter  Rosegger

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sind es noch wehmütige Berichte eines abenteuernden Dienstsuchers, an denen unser Herr Chef — mit Respekt zu melden — einstweilen eine größere Freude haben dürfte, als der Absender. Einstweilen! Das Wort doppelt unterstrichen.

      Am Montag und Dienstag habe ich nach tagebücherlichen Urkunden bei nicht weniger als dreizehn Bauernhöfen angefragt. Der Dreizehnte dacht ich, müsse doch so unglücklich sein, mich anzunehmen. Aber auch der hatte seinen Schutzengel. Du siehst, lieber Meyer, ich befleißige mich schon volkstümlicher Denkungsart. Scheint leider nicht viel zu nützen. Dem einen bin ich zu schlank gewachsen, dem anderen zu „herrisch“ angethan, mein Touristenanzug hat nämlich bereits ein paar getrennte Nähte. „Zerrissen ist herrisch, geflickt ist bäuerisch“, besagt eines ihrer bösartigen Sprichwörter. Der Dritte nahm mich nicht, weil ein Mensch, der sein Eigentum im Handbündel mit sich trägt, ein ausgelegter Vagabund ist. Und der Vierte entschied kurzweg: An einem Knecht, der mit weißem Hemdkragen dahingehe, wie ein windiger Schulmeister, habe er sich schon vorwegs gesättigt. Mehr wurzelseppartig! sagte ich zu mir und schon ins nächste Haus stolperte ich weitschrittig, mit gebogenen Knieen und Armen, das Haar zerriffelt, die Hände mit Waldharz und Erdstaub überkleistert: Ein fleißiger Dienstbote bäte um Einstand in einen Jahresdienst.

      Der Hausvater würdevoll: „Woher geht die Reise?“

      Ich: „Aus der Garnison. Mit dem Abschied. Gottlob, daß ich wieder in der Bäuerei bin. Oh, diese Stadt! Dieser Militärdienst! Man glaubt’s nicht, wer’s nicht probiert hat! Ganz krank wird der Mensch, wenn er die gewohnte Handarbeit entbehren muß. Arbeit ist das einzig Gute auf der Welt!“

      Vermeinte das recht gut gemacht zu haben. Der Bauer aber wendete sich gegen ein altes Weib, das hinter ihm stand: „Hörst du das Geschwätz? Wer die Arbeit kennt, der redet ein bissel anders.“

      Und die Alte: „Willst ihn denn fortschicken, jetzt spät abends?“

      „Soll über den Feiertag dableiben. Nachher werden wir’s halt sehen.“

      Potz Blitz! War ich Bauernknecht?

      Als die Dämmerung kam, ging ich um den Hof herum, mit Kennermiene den Schauplatz künftiger Thätigkeit prüfend. Und zur heiligen Stunde, da ihr zu dreien oder mehreren im „roten Krug“ bei schäumendem Pils im Kritisieren über die lumpige Welt euch des Lebens freuet, saß ich am Leuttisch unter unsauberem Gesinde, aß mit einer breiten Blechschaufel aus der gemeinsamen Schüssel etwas, das sie „saure Topfensuppe“ nannten, und erzählte von meinem Soldatenleben. In unnachahmlicher Bescheidenheit teilte ich den lieben Hausgenossen mit, wie ich bei der bosnischen Occupation die Hauptstadt Serajewo erstürmte, bei der Schlacht von Sedan den Erzschelm Napoleon einfing, bei Königgrätz eine Kugel in die Brust bekam, die zum Glücke hinten wieder hinausflog, in der Völkerschlacht bei Leipzig einem rotbehosten Welschen die Fahne aus der Hand riß und so die deutsche Sache rettete. — Geschätzte Kollegen von der Feder, Unehre sollt ihr an mir nicht erleben! Die Heldenthaten waren denn auch nicht umsonst vollführt. Die Hausmutter erwog, daß ein Mann mit solch geschichtlicher Vergangenheit nicht in der Knechtekammer schlafen könne auf dem Strohschaub. Sie verordnete mir das Handwerkerbett, welches stets das beste des Hauses sein soll. Da sank ich tief ins knisternde Stroh, zog die feuchtkalte, mürfelnde Decke über die Nase und dachte: Dieweilen du hier schläfst, Recke, wird das Jahr wieder um eine Nacht kürzer — die Stunde zu cirka drei Kronen. Du siehst, Volkswirt bleibe ich immer.

      Am nächsten Tag war Heiligdreikönigfest, kamen am hellen Morgen die drei Weisen (mit ai geschrieben) unter dem Stern und plärten gleichstimmig einen Spruch. Da wurden die morgenländischen Majestäten von der Hausmutter mit Schmalznudeln und Honig bewirtet. Nach dem Dejeuner, und nachdem der Souverain von Ätiopien auch mich einer gnädigen Ansprache um einen Heller gewürdigt hatte, haben die höchsten Herrschaften in jugendlicher Elastizität ihre Weiterreise angetreten.

      Zu Mittag war ein unerhört großes Essen. Was es war, kann ich nicht beschreiben, aber viel war’s. Bei manchen Schüsseln stockte das Fett an den Rändern und klebten die geschmälzten Stubenfliegen ohnmächtig an den Klößen. Bei der Backofenhitze führen in der Bauernstube diese niedlichen Tierlein auch im Winter das wonnige Dasein der Kreatur und die Fensterscheiben sind reich geschmückt von Beweisen ihrer — Pünktlichkeiten. Mein Appetit war bald gestillt und am Nachmittag habe ich gemeinsam mit den übrigen Knechten mich ausgeruht von der — morgigen Arbeit.

      Am nächsten Tage war Regenwetter. Der Hausvater (so wird der Bauer vom Gesinde genannt) befahl, ich solle in der Stube bleiben und „Span machen“. — Span machen? Da vermisse ich unsern Brockhaus. Durch die Scheunen und Ställe ging ich und suchte einen Freund, der mir sagte, was das sei, Spanmachen. Die alte Kuhmagd schaute mich höchst betroffen an. Endlich schien sie doch zu begreifen, daß der Mensch in Völkerschlachten das Span machen nicht notwendig lernen muß. Sie gab mir Unterricht: Von dem Schoppen (ach, mir ist das Wort in einem andern Sinne geläufiger) Scheiter ins Haus tragen, sie am Herdfeuer bähen und zähen, dann mit dem Schnitzger die dünnen Späne herabklieben, diese auf dem Ofen dörren, damit sie als Leuchtfunzen dienen können, abends in der Stube. — So, meine Herren von der „Kontinentalen“, die ihr die Aufklärung täglich buttenweise in das Volk gießet, nun wisset auch ihr, wie man im Bauernhause Licht macht. Aber Wissen und Können! Es ist immer die alte Geschichte. Genau hielt ich mich nach der Anweisung, allein fürs erste verkohlten mir die Scheite am Feuer, fürs zweite sprangen die abzukliebenden Späne schnöde und spröde entzwei und fürs dritte nahm der Hausvater mir den Schnitzger aus der Hand — ich könnte nichts. Es wäre schade ums Kienholz, wo die Föhrenbäume ohnehin so schütter ständen im Walde. Wie er vom Scheit nur aufs Kienholz und von diesem auf die Föhre kam, den Pinus silvestris. Was meinst du, Meyer?

      Ich könnte nichts! — Meine erste Empfindung nach dieser Demütigung war: Pistolenduell! Aber als der Mann mit ruhigster Geschicklichkeit vom frischgebähten Scheite die dünnen, breiten, sich leicht reifenden Leuchtspäne schnitt, da sah ich, daß er mir über war! Bin hinausgegangen, habe, um mich sonstwie nützlich zu machen, im Werkzeugsgelaß eine Schaufel genommen, habe die restlichen Krusten des Schnees weggekraut, die unter den Dachtraufen lagen.

      Erscheint der Altknecht: „Was treibst denn da, Mensch? Das Schneerestel irrt niemand und geht schon selber weg, wenn’s ihm zuviel regnet. Hast sonst nichts zu thun, so geh Agen reitern.“

      Agen reitern! — Nun sah ich, meine Politik war gescheitert, es war Zeit, das Portefeuille zurückzulegen. Der Hausvater kam mir zuvor am selben Abende. Hieb mir die klobige Hand auf die Schulter: „Mit Ihm wird’s halt am gescheitesten sein, Er rastet sich in der heutigen Nacht noch einmal gut aus und geht morgen um ein Häusel weiter. An Willigkeit fehlt’s nit, aber Kopf hat Er keinen dazu.“

      Beim Grobschmied einstmals hat’s geheißen, es wäre schade ums kluge Köpfelein, und haben mich in die Stadt geschickt. Dieser Hans Trautendorffer soll nämlich von einem alten Rittergeschlechte abstammen und möglicherweise ist sein Urahn zu Karls des Großen Zeit Schweinedieb gewesen. Kurz und gut, mein Oheim, der Bäckermeister, versuchte es, ob so ein herabgekommener Edelmann nicht wieder bergan zu bringen wäre. Nicht alle Semmelmacher denken so übermenschlich. Mir aber waren zur Zeit neugebackene Wecken lieber, als altgebackene Adelsdiplome und auf dem Gymnasium habe ich mich vor dem Odium eines ekelhaften Strebers stets reinzuhalten gewußt. So daß der Tornister mich glücklich noch als Kandidaten der Matura fand. Als ich dann nach allgemeiner Sitte anstatt auf die Universität zur Journalisterei ging, und noch viel später die „Kontinental-Post“ unter ihren Erleuchteten mich stets als den — Dämmerigsten gefeiert hat, war ich doch immer klug genug, solche Würde mit Anstand zu tragen und die Blaustiftzeichnungen des Chefs auf meinen Manuskripten als eine kindische Schwäche gelassen zu entschuldigen. Als Volkswirtschafter hab ich sogar die Börse — na, Meier, du weißt es ja. — Und jetzt soll es mir nach dem Ausspruche des biederen Landmanns an Kopf fehlen!

      Übrigens

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